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Warum sind Chawan eigentlich so teuer?

Warum sind Chawan eigentlich so teuer?

Wer gerne Matcha trinkt, hat sich auf der Suche nach einer passenden Matchaschale sicherlich schon gefragt, warum einige Matchaschalen so teuer sind. Schließlich handelt es sich “nur” um “gebrannte Erde”.

Warum sind Chawan eigentlich so teuer?

Die Frage ist nicht unberechtigt, denn es gibt im Handel Matchaschalen für unter 20 EUR pro Stück. Wieso kosten dann einige Exemplare gleich mehrere hundert oder gar tausend Euro?

Ein Blick in die Vergangenheit

Es gibt auf diese Frage nicht die ultimative Antwort, aber ich versuche in diesem Artikel einen Erklärungsansatz zu geben. Und dazu müssen wir zunächst in die Vergangenheit schauen. Geschichtlich betrachtet waren Chawan bzw. Matchaschalen über viele Jahrhunderte etwas Besonderes. Zunächst kamen sie aus China, später aus Korea. Als Importgüter waren sie so begehrt und selten, dass sich nur die “Elite” der Gesellschaft die Schalen leisten konnte. Für diese dienten sie nicht nur als bloße Matchaschalen, sie waren, um es mit Thorstein Veblen zu sagen, Objekte des demonstrativen Konsums und hatten mitunter auch den Zweck, den eigenen Reichtum bzw. den eigenen Status in der Gesellschaft zur Schau zur stellen.

Warum sind Chawan eigentlich so teuer?

Spätestens ab dem 14. Jahrhundert wurden Seladon-Schalen und dunkle Tenmoku-Schalen in der Seto/Mino-Region und auch in Karatsu kopiert. Trotz der bescheidenen Resultate waren diese Schalen die einzigen, die sich wohlhabende Priester, Krieger und Geschäftsleute leisten konnten, also nicht unbedingt die Eliten, aber bereits die nächsten in der gesellschaftlichen Reihenfolge.

Einfache Substitute wie beispielsweise Yamachawan wurden nachweislich nicht für Matcha genutzt, obwohl ihre Form dafür infrage gekommen wäre. Die Kategorie, innerhalb welcher sich die Variationen der gesellschaftlich akzeptierten Matchaschalen bewegten, war über Jahrhunderte starr und von chinesischen Idealen geprägt.

Die Liberalisierung des Teewegs

Erst im weiteren Verlauf der Geschichte, als sich die Teekultur und der damit verbundene “Teeweg” liberalisierte, wurden von Teemeistern zunehmend auch einheimische Chawan akzeptiert. Doch dieser Prozess ging nur langsam voran und es kam auch unter den einheimischen Öfen zu Abgrenzungsmechanismen. Öfen und Keramiker, die im Auftrag von Fürsten arbeiteten hatten ein ganz anderes Prestige als der Ofen für jedermann. Spuren dieser Denkweise sieht man auch heute noch, denn besonders die alten Öfen heben ihren Status und diesen Geschichtsbezug hervor und rechtfertigen damit auch ihre Preise. Die Tradition eines Ofens und seine gesellschaftliche Stellung in Bezug zur Aristokratie und auch in Bezug zu den Teeschulen haben Einfluss auf den Preis. Dies gilt ebenfalls für anerkannte Kunsthandwerker, am meisten für die lebenden Nationalschätze (ningen kokuhô), von denen letztere es sich leisten können, mehrere tausend Euro für Ihre Stücke zu verlangen.

Warum sind Chawan eigentlich so teuer?

Wann ist der Preis gerechtfertigt?

Doch auch gewöhnlichere Keramiker mit einem gesunden Anspruch an sich selbst, verlangen nicht selten mehrere oder zumindest einige hundert Euro für Ihre Matchaschalen. Ich gebe zu, dass auch ich nicht immer ihre Preisstruktur nachvollziehen kann. Es kommt vor, dass der Unterschied zwischen Reisschalen und Matchaschalen sehr banal ist, der Preis zwischen beiden aber um ein Vielfaches auseinander liegt. Ich bin daher bei meiner Auswahl sehr kritisch und schaue mir die Schale sehr genau an, bevor ich sie überhaupt in Erwägung ziehe und kaufe nur die ein, von denen ich absolut überzeugt bin. Denn leider gibt es auch Öfen, die meinen, einen hohen Preis verlangen zu können, nur weil das Objekt den Status Matchaschale inne hat.

Manchmal ist das gewisse Etwas, das den Unterschied macht, einem nicht kontrollierbaren Zufall zu verdanken, der auf fast magische Weise im Inneren des Ofens passiert. Besonders bei Holzbrand, wo natürliche Ascheanfluglasuren so unterschiedlich ausfallen können, bezahlt man quasi die glückliche Konstellation aus Positionierung, individueller Glasur und Glück.

Warum sind Chawan eigentlich so teuer?

Ein Teil des Preises ist Kompensation

Denn es gehört auch zur Wahrheit, dass während eines Brandes viel schiefgehen kann. Das betrifft nicht nur die Optik und die Glasur. Es können ungewollte Verkrümmungen, Bruch und leichte Risse entstehen, die dazu führen, dass der Scherben im ungünstigsten Fall undicht und somit unbrauchbar wird oder die Schale unstimmig wirkt. Bei standardisierten Formen wie Bechern ist das einkalkuliert und zu verschmerzen. Bei einer Matchaschale hingegen, für die eine ganz andere Sorgfalt und somit Zeitaufwand bei der Formgebung nötig ist, sieht es schon anders aus. Zeit ist auch für Keramiker Geld. Und viel Zeit ist auch nötig, um überhaupt in sich stimmige Matchaschalen zu produzieren. Niemand töpfert aus dem Stand schöne Matchaschalen. Es braucht einige Lehrjahre, um die Routine aufzubringen, gute Matchaschalen zu formen. Je individueller die Form, desto länger der Weg. Man bezahlt also den Weg des Töpfers mit, der bis zu dem Punkt geführt hat, an dem er sich befindet.

Warum sind Chawan eigentlich so teuer?

Was selten ist, steigt im Preis

Bei Holzbrand  kommt noch ein weiterer Punkt hinzu. Keramiker wissen in der Regel, welche Punkte ihres Ofens für bestimmte Glasureffekte am besten geeignet sind, doch davon gibt es nicht viele. Die meisten brennen ohnehin nur zwei Mal im Jahr, das führt zu einer sehr limitierten Anzahl von Versuchen. Wenn von acht platzierten Matchaschalen zwei zu Fehlbränden werden, ist der Verlust hoch und muss durch die anderen aufgefangen werden. Als Fehlbrand werden nicht nur die Schalen bezeichnet, die offensichtliche Defekte haben. Auch suboptimale Ergebnisse bei Glasurverläufen und Verkrümmungen führen dazu, dass die Chawan keinen Abnehmer mehr findet. Und das führt uns zum letzten Punkt.

Warum sind Chawan eigentlich so teuer?

Der besondere Status der Matchaschale

Die Matchaschale ist das Herzstück der Teezeremonie. Punkt. Kein anderes Utensil steht so sehr im Blickpunkt. Die Chawan ist nicht nur Zubereitungsutensil, sie ist auch Trinkgefäß. Sie wird vom Gastgeber ausgesucht und dem Gast bzw. den Gästen überreicht. Letztere kommen nur mit diesem Utensil in Berührung. Sie dient dem Höhepunkt der Teezeremonie und steht daher im Fokus. Mit der Auswahl der Schale drückt der Teemeister etwas aus, was Teil eines größeren Gesamtkunstwerks ist, welches abhängig ist von der Stimmung und der Jahreszeit. Die Matchaschalen für diese Art der Teezeremonie müssen andere Anforderungen erfüllen, da sie etwas kommunizieren sollen. 

Warum sind Chawan eigentlich so teuer?

Eine Schale aus einer standardisierten Serie ist gut für den Alltagsunterricht oder für den touristischen Ausschank. Auch für den Privatgebrauch sind solche Schalen durchaus sinnvoll und müssen letztlich nur dem Besitzer selbst gefallen. Diese Schalen sind teils weit unter 100 Euro zu haben, weil sie in großen Serien hergestellt werden. Die besonders günstigen unter 50 Euro sogar halbautomatisch. Wie gesagt, sie haben ihre Daseinsberechtigung, fallen aber in eine andere Kategorie als die oben genannten.

Warum sind Chawan eigentlich so teuer?

Letztlich sind die teuren Matchaschalen als Kunstobjekte zu sehen, in deren Herstellung viel Zeit, Mühe, Erfahrung und auch das nötige Quäntchen Glück einfließt. Die kulturelle Wertschätzung in Japan hat eine lange Tradition und mündet in einer gewissen Akzeptanz für eine angemessene Preisgestaltung. Doch am Ende ist auch dies immer eine Frage, die individuell beantwortet werden muss.

Wie wurde Raku-Keramik ursprünglich hergestellt?

Wie wurde Raku-Keramik ursprünglich hergestellt?

Raku-Keramik ist vielleicht die Keramik-Gattung, welche das höchste Ansehen bei japanischen Tee-Liebhabern genießt. Heutzutage versteht man unter Raku eine Brenntechnik, die sich durch niedrigere Brenntemperaturen auszeichnet.Bevor es losgeht, möchte ich auf ein paar Artikel aufmerksam machen, die diesem vorangehen:

Dieser Beitrag soll ein Einstieg ins Thema Raku sein, bei dem zunächst die Herstellung des traditionellen Raku des 16. und 17. Jahrhunderts beschrieben wird. Als Begründer der Raku-Keramik gilt der Töpfer Chôjirô, der in Kyôto als Dachziegeltöpfer arbeitete und chinesischer Abstammung war. Er produzierte äußerst schlichte Teeschalen und schaffte es, solche zu kreieren, die mit der japanischen Ästhetik und Tee-Zeremonie eng verknüpft sind. Der Raku-Betrieb wird heute von Raku Kichizaemon XV. geführt.

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Matcha in roter Raku-Schale (akaraku)

Chôjirôs Teeschalen bzw. die, die ihm zugeschrieben werden, erfreuen sich sogar heute noch sehr großer Beliebtheit. Obwohl als Original unbezahlbar, werden von Sasaki Shôraku Replika hergestellt, die den Vorbildern sehr nahe kommen. Shôraku demonstriert im folgenden Video, wie er Teeschalen herstellt.

Nachfolgend beschreibe ich, wie Raku ursprünglich hergestellt wurde. Dieser Beitrag basiert auf einem Kapitel meiner Magisterarbeit. Den Text habe ich angepasst und die Quellen entfernt. Wer an den Quellen interessiert ist, dem werde ich die Arbeit gerne zugänglich machen.

Ton
Zwar ist die Tonaufbereitung nicht historisch belegt, aber es gilt als sicher, dass sich Chôjirô unweit seiner Werkstatt an den Tonvorkommen, die sich unter Toyotomi Hideyoshis Schloss Jurakudai befanden, bediente. Aus diesem Grund nennt man auch heute noch den Ton Juraku-Ton (jurakutsuchi), der rötlich ist und einen hohen Eisengehalt aufweist. Dieser Ton wurde bei Ausgrabungen bereits mehrmals am ehemaligen Standort des Schlosses gefunden und genau dieser rötliche Scherben lässt sich bei Chôjirôs Werken nachweisen. An der Schale Ôguro kann man feststellen, dass sich unter der abgesplitterten Glasur ein roter Scherben, der auf den Juraku-Ton hinweist, befindet. Während bei Chôjirôs Werken der rötliche Ton zum Einsatz kam, ist aus der Brief-Korrespondenz zwischen Kobori Enshû (1579–1647) und der Raku-Werkstatt ersichtlich, dass zumindest später auch weißer Ton verwendet wurde.

Wie der Ton letztlich verarbeitet wurde, ist zwar nicht überliefert, aber der Brennprozess insbesondere bei schwarzem Raku stellte hohe Ansprüche an die Mischung des Tons. Die glühend heiße Schale wird während des Brennprozesses mit Zangen aus dem Ofen geholt. Dieser Temperatur-Schock führte zu einer physikalischen Spannung, der zu Fehlern und Rissbildungen führen konnte.

Formgebung
Der Freihand-Technik (tezukune) folgend, wird der Ton in die gewünschte Form geknetet. In der Momoyama-Zeit war bereits die Produktion mit der Töpferscheibe üblich und Chôjirôs Technik wirkt so zunächst etwas rückständig, weil die Produktionsmenge niedriger ausfällt und die Objekte nicht einheitlich produziert werden konnten. Raku Kichizaemon XV. zufolge wird zuerst eine dicke runde Fläche gewälzt, die dann auf ein rundes Holzbrett gelegt wird. Der Rand wird nun mit beiden Händen gemächlich nach innen gezogen und aufgerichtet. Auf diese Weise wird die Schale in die Form gebracht, in der sie später mit beiden Händen umschlossen werden soll. Die unfertige Teeschale ist dick und schwer. Auch der typische Standring (kôdai) fehlt und der Lippenrand (kuchizukuri), sowie der Innenteil (mikomi) sind noch nicht ausgestaltet. Diese Arbeitsschritte benötigen spezielle Hilfsmittel und einige Tage Zeit. Wenn der Ton etwas angetrocknet ist, kann er mit einem Spachtel abgehobelt werden. Weil dies von Hand geschieht, nimmt dieser Prozess viel Zeit in Anspruch. Für die verschiedenen Partien sind auch verschieden große Hobel nötig. Mit diesen Geräten werden die einzelnen Teile in Form gebracht und der kôdai (Fußring) heraus geschnitzt.




Glasur
Auffällig bei den Teeschalen, die Chôjirô zugeordnet werden, ist, dass keine von ihnen ein Dekor oder eine Verzierung aufweist. Die Schalen sind einfarbig in den Farben Rot und Schwarz. Anders als bei akaraku (rotes Raku) trägt bei den schwarzen Schalen die Glasur selbst zur Färbung bei (heute ist das bei akaraku anders, es gibt eine rote Glasur, die den weißen Tonkörper bedeckt). Die schwarze Glasur besteht aus einem Gemisch, das sich aus einer Bleifritte und pulverisierten Steinchen, den sogenannten kamogawa-ishi, die im Fluss Kamo vorkommen, zusammensetzt. In diesen Steinchen befinden sich Kieselsäure und Eisen. Laut Tyler und Hirsch erscheine das Schwarz „als Resultat eines plötzlichen Erstarrens des Eisens im Stein […]“. Eine überlieferte Rezeptur gibt es laut Raku Kichizaemon nicht:  Insbesondere im Haus Raku werden die (Glasur-)Mischungen von den einzelnen Personen der aufeinander folgenden Generationen individuell erschaffen und es ist Familienkodex, diese nicht an die Nachkommen weiterzugeben.
Im Gegensatz zu den großen Töpferregionen jener Zeit, in denen hauptsächlich große Freiluft-Öfen wie der ôgama (wörtlich: Großofen) und noborigama (Hangofen) zum Einsatz kamen, setzte man im Raku-Töpferbetrieb in Kyôto auf einen kleinen Ofen, den uchigama (wörtlich: Innenofen). Dieser Ofen war so klein, dass darin nur eine einzige RakuTeeschale Platz fand.

Öfen
Die heute verwendeten Öfen wurden erst nach dem Großbrand in Kyôto im Jahre 1787 gebaut, allerdings geht man davon aus, dass sich an den Öfen nichts Grundlegendes geändert habe. Grundsätzlich sind heute aufgrund der unterschiedlichen Brennmethoden für schwarzes und andersfarbiges Raku drei verschiedene Öfen im Einsatz. Für schwarzes Raku wird ein Zwei-Kammer-Ofen verwendet, in dessen Inneren nur eine Teeschale passt. Diese Kammer ist umgeben von einem Zwischenraum, in den Kohle gefüllt wird. Eine zweite Kammer trennt diesen Bereich von der Umwelt ab und verfügt über eine Leitung, die zu einem Blasebalg führt, mittels dessen Luft zugeführt wird.

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Schwarze Raku-Schale von Sasaki Shôraku; Kitanoguro

Brennprozess 
Mit dem Blasebalg konnte die Brenntemperatur in kürzester Zeit auf ein hohes Niveau gebracht werden. Sobald die Glasur geschmolzen war, wurde die Teeschale während des Brennprozesses in glühender Form mit Zangen herausgeholt, was eine rapide Abkühlung zur Folge hatte. Diese Methode wurde auch in den Mino-Öfen bei Seto-guro angewendet und bewirkte, dass die Schale durch die schnelle Abkühlung schwarz wurde. Daher wird diese Methode hikidashiguro (sinngemäß: schwarz durch vorzeitiges Herausnehmen) genannt. Die These von Tyler und Hirsch, dass für die rapide Abkühlung die Schale zusätzlich in kühles Wasser eingetaucht werde, konnte für diese Zeit nicht verifiziert werden. Zwar beträgt heute die Brenntemperatur für schwarzes Raku 1200– 1250°C, aber weil der Brennprozess nur von kurzer Dauer ist, behält die Schale die weiche Qualität. Raku räumt allerdings selbst ein: Es wird angenommen, dass [zu Chôjirôs Zeit] mit einer etwas niedrigeren Brenntemperatur gebrannt wurde, als man es gegenwärtig tut.
Raku Kichizaemon stellt außerdem fest, dass sich die Glasur der ersten beiden Generationen und der dritten Generation Dônyû (1599–1656) so sehr unterscheiden, dass er eine Ofen-Umgestaltung unter Dônyû vermutet, die eine höhere Temperatur möglich machte.

Schlussbemerkung
Wie bereits geschrieben sind Chôjirôs Teeschalen praktisch unbezahlbar. Wer sich mit einer Raku-Schale aus den Händen des jetzigen Erben begnügen kann, der muss Stand heute “nur” 69.000 Euro investieren.

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