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Abschluss des Kultivar-Vergleichs: Oku yutaka

Abschluss des Kultivar-Vergleichs: Oku yutaka

Heute werde ich den Versuch abschließen, der zum Ziel hat, den geschmacklichen Einfluss des Kultivars einzuschätzen. Dazu habe ich einen Sayama kaori und einen Yabukita getrunken. Das Besondere an diesen Tees ist, dass sie beide vom Teebauern Yamamoto Kengo hergestellt wurden. Dies trifft natürlich auch auf den Oku yutaka zu, der ebenfalls mittellang gedämpft (chûmushi) wurde.Was zeichnet Oku yutaka aus? Dieses Kultivar wächst einen Tick langsamer als Yabukita und ist daher noch etwas besser vor Kälte geschützt, weswegen er gerne in höheren Lagen angebaut wird. Allerdings ist der Anbau und die Pflege dieses Kultivars viel schwieriger, weswegen es großer Expertise bedarf, um langfristig Ertrag davon zu haben. Registriert wurde diese Varietät erst relativ spät, im Jahre 1983 und wird vorwiegend in Kagoshima angebaut.

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Was zeichnet ihn aus? Das japanische Internet verrät nicht viel. Wenn ich ehrlich bin, dann liest man die Eigenschaften in ähnlicher Form bei fast allen anderen Kultivaren auch. Dennoch möchte ich euch einige ausgewählte Meinungen nicht vorenthalten. Das Blatt soll über ein markantes Aroma verfügen, und der Tee im Vergleich zu seinen Geschwistern etwas weniger bitter sein. Zu seinen Stärken zählt ein kräftiger Geschmack, eine “Abgerundetheit” und Umami.

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Die Blätter sind einfach traumhaft!

 

Blatt
Da schon die beiden anderen Tees aus den Händen Kengos stammen, verwundert es nicht, dass auch dieser Sencha durch einen hohen Anteil nadelförmiger Blätter besticht. Man sieht fast keine Stängel und ebenfalls wenig Blattbruch. Das wiederum ist überraschend, weil normalerweise durch das Abpacken eben dieser entstehen sollte. Eine mögliche Erklärung dafür wäre, dass die frostbeständigen Sorten wie Yabukita und auch Oku yutaka über besonders dicke Blätter verfügen und dadurch resistenter sind. Dies ist aber nur eine Vermutung.Duft
Es ist ein Schlag ins Gesicht eines jeden Teeliebhabers, wenn die eigene Frau, die weit weniger mit Tee zu tun hat, den Nagel auf den Kopf trifft, indem sie kurz an der Dose schnuppert und ganz nüchtern Maracuja sagt (und damit sowas von Recht hat!). Ich selbst war in ganz anderen Gefilden unterwegs, die Frucht habe ich erkannt, aber konnte sie nicht benennen. Dafür rieche ich auch immer noch ein bisschen das tiefe und würzige Nadelbaumaroma.
Im aufgewärmten Zustand stellen wir einen Hauch von gebrannten Mandeln fest, die sich mit dem Duft gerösteter Nori-Algen vereinen.

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Die Farbe des Tees liegt zwischen grün und gelb


Geschmack
Bereits der erste Aufguss haut mich um. Wow! Ist das wirklich ein Gartentee? Ich schmecke das Fruchtige der Maracuja, habe dabei den Nadelholzduft in der Nase. Der Tee ist spritzig und vielschichtig. Da ist Süße gepaart mit Umami und einem leichten Geschmack von gekochtem Gemüse.

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Nach dem zweiten Aufguss, den ich sofort abgegossen habe, rieche ich kurz an der Tasse und muss an naturtrüben Apfelsaft denken. Nach der Tasse verstehe ich vielleicht zum ersten Mal, was man in Japan mit einem abgerundeten Geschmack meint. Überall im Mund passiert etwas, keine Geschmacksknospe wird vernachlässigt. Das Umami geht ein wenig zurück, aber so ist der Tee einfach fantastisch.

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Das heiße Wasser aus der tetsubin zum Abkühlen in leeren Tassen

Der dritte Aufguss gerät likörartig, vielleicht war er es auch schon vorher, aber erst jetzt wird es mir klar. Insgesamt sieben sehr leckere Aufgüsse konnte ich machen. Beim fünften habe ich mir noch einen Hauch Petersilie notiert. Was mich aber am meisten beeindruckt hat, ist, dass er wirklich bis zum letzten Aufguss rund und vollmundig blieb.

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Fazit
Der Oku yutaka ist mein persönlicher Gewinner der drei verkosteten Tees. Ähnlich wie der Yabukita verfügt er über das tannenartige Aroma, welches ich so liebe, bietet aber im Geschmack mehr Komplexität. Das soll wirklich ein Gartentee sein? Kaum zu glauben…
Ich habe mich mit der Frage beschäftigt, was die Ursache dieses so starken Aromas ist, welches vor allem der Yabukita und Oku yutaka ausströmen. Zuerst dachte ich an die Anbauregion als ausschlaggebenden Faktor, dann an die Strauchsorte. Letztere kann tatsächlich einen Einfluss darauf haben, aber viel entscheidender scheinen zwei weitere Faktoren zu sein, die mir Herr Grömer verriet: Düngung und Beschattung. Gerade in Japan wird gerne großzügig mit Stickstoff gedüngt, wodurch die Blätter besonders geschmackvoll und aromatisch werden. Das bedeutet, dass durch Düngung das Maximale aus dem Potenzial herausgeholt wird, was aber nicht besonders gut für den Boden ist.

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Ein paar gut erhaltene Blätter waren auch dabei

Der andere Faktor ist die Beschattung. Die Blätter dieser Senchas sind alle deutlich dunkler als die Blätter eines herkömmlichen Sencha. Das tannenartige Aroma, welches ich für mich so beschreibe, ist etwas, was ich auch bei Gyokuro und Kabusecha festgestellt habe. Japanische Teebauern benutzen den Kniff der Beschattung, um ihren Sencha den letzten Schliff zu geben und sie hochwertiger zu machen. Manchmal könnte also ein Sencha sogar als Kabusecha durchgehen.
Wenn alle drei Kultivare wirklich gleich verarbeitet wurden, dann kann man trotzdem den Schluss ziehen, dass der Einfluss des Kultivars sehr hoch sein kann. Gerade der Sayama kaori war sowohl vom Geschmack als auch vom Aroma her deutlich zu unterscheiden. Für mich war das eine sehr interessante Erfahrung und ich danke Stefan85 aus dem Teetalk-Forum für den Anstoß dieses Versuchs und die Bestellung!

Das zweite von drei Sencha-Kultivaren: Yabukita

Das zweite von drei Sencha-Kultivaren: Yabukita

Endlich geht es weiter mit der Versuchsreihe, die ich mit dem Sayama kaori angefangen habe. Es geht darum, herauszufinden, welchen Einfluss die Wahl des Kultivars auf den Geschmack eines Tees hat. Heute ist Japans repräsentativster Teestrauch an der Reihe: Yabukita.

 

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Yabukita-Blätter: Copyright by たね


Yabukita-Kultivar
Yabukita, Japans verbreitetstes Tee-Kultivar, wurde bereits 1908 entdeckt und setzte sich wegen seiner Kälte-Resistenz und seines schnellen Wachstums vor allem in Shizuoka durch. Das ist der Ort, wo die native Art entdeckt und gefördert wurde. 1999 waren 90,6% aller Teesträucher Shizuokas Yabukita-Kultivare. Geschmacklich eignet sich Yabukita vor allem für Sencha, obwohl es auch eine Variation speziell für Kabusecha und Gyokuro gibt. Seine Besonderheiten sind ein sehr intensiver Duft und eine reichhaltige Süße.
Da Yabukita in Japan so stark verbreitet ist (80% aller angebauten Teesträucher!), hat die Verbreitung auch negative Folgen. Der japanische Sencha-Geschmack wurde zunehmend standardisiert und Yabukita-Sencha verlor seine Besonderheit. Vielleicht sind gerade deswegen neue Kultivare auf dem Vormarsch, durch die Teebauern dem Kunden etwas Individuelles bieten möchten.

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Wunderschöne dunkelgrüne lange Blätter!

Blattgut
Auch dieses Blattgut ist zweifellos gut selektiert und hat einen sehr geringen Stengelanteil. Die Blätter sind dunkelgrün, nadelförmig gerollt und duften vielversprechend nach Tannen bzw. Nadelhölzern. Dieser Duft ist so herrlich intensiv, dass er mich sofort an meinen ganz persönlichen Nostalgie-Tee erinnert.
Ich hole nochmal die Packung mit dem Sayama kaori hervor und vergleiche den Duft. Die Blätter des Letztgenannten haben diesen Duft nicht. Daraus kann ich vorsichtig schließen, dass der Duft, den ich so schätze, eher von dem Kultivar abhängt als von der Verarbeitung oder Region. Außerdem wird in japanischen Quellen gerade das intensive Aroma als Besonderheit des Yabukita genannt. In meiner warmen Kyûsu, die ich sorgfältig vorgewärmt habe, entfaltet sich ein neuer Duft, der zuerst an gebrannte Mandeln und Esskastanien erinnert, in der Tiefe jedoch ist ein Hauch von getrockneten Algen verborgen.

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Fertig ist der erste Aufguss

Geschmack
Und wieder bin ich überrascht. Gleich nach dem ersten Brühen ist der Geschmack trotz der hohen Dosierung relativ mild. Den geschätzten tannenartigen Duft habe ich in der Nase, während ich ein sanftes Umami auf der Zunge schmecke. Es ist das erste Mal, dass Frau P. Umami als lecker empfindet. Geschmack kann sich durch erneutes Probieren manchmal verändern, wie ich letztens schon gemutmaßt habe. Das erste Kennenlernen mit dem Yabukita verläuft weich und süß. Man soll ja nichts überstürzen.

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Nach dem zweiten Aufguss ist der Yabukita würziger und edelherb. Im Nachhall kommt ein spinatiger Geschmack. Insgesamt ist er präsenter im Mund, vermittelt einen gehaltvolleren Eindruck während das schöne tannenartige Aroma erhalten bleibt.

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Der dritte Aufguss hat eine tolle Farbe, weil er etwas trüber geworden ist
Insgesamt sechs Aufgüsse macht dieser Grüntee mit und scheint viel Kraft zu haben, da er bis zum Schluss einen zartbitteren Geschmack abgibt, dabei aber immer leichter und süßer wird.
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Leider keine ganzen Blätter, aber die Farbe stimmt

Fazit
Besonders fasziniert bin ich von dem tannenartigen Aroma, nach dem ich schon so lange auf der Suche bin. Auch der kräftige und edelherbe Geschmack ist “genau mein Ding”. Mir fehlt aber, ähnlich wie beim Sayama kaori, der vollmundige Geschmack. Der Yabukita ist zwar lecker, trotzdem scheint er nicht komplett zu sein, was wohl daran liegt, dass auch dieser Tee ein Gartentee ist. Japanische Teataster “blenden” also nicht nur aus Spaß. Im Vergleich war der Sayama kaori fruchtiger, frischer, aber auch bitterer. Das Aroma bzw. der Geruch des Yabukita ist wiederum auffällig anders. Nun bin ich gespannt auf das letzte Kultivar: Oku yutaka!

Eines von drei Sencha-Kultivaren: Sayama kaori

Eines von drei Sencha-Kultivaren: Sayama kaori

Eine Diskussion im Teetalk-Forum führte zu der Frage, wie hoch der Einfluss des Kultivars auf den Geschmack eines Tees ist. Es gibt verschiedene Faktoren, die den Geschmack beeinflussen können. Neben klimatischen Bedingungen, wozu auch die saisonale Wetterlage zählt, wird auch dem Anbau (z.B. Dünger) und der Verarbeitung eine große Rolle zugeschrieben. Dass es verschiedene Kultivare gibt, die ähnlich den Reebsorten auch einen gewissen Einfluss auf den Geschmack haben, wird zwar eingeräumt, doch wie hoch dieser ist, lässt sich nur schwierig recherchieren.
Der Teefreund Stefan hat bei Thé du Japon drei Tees entdeckt, die alle vom selben Produzenten stammen und auf benachbarten Teefeldern angebaut werden. Das bedeutet, dass die oben genannten Bedingungen sehr ähnlich sind, so dass man, so die Theorie, die Besonderheit des Kultivars herausschmecken können sollte.Herkunft
Die Tees werden in Shimizu, einem Bezirk in Shizuoka, angebaut. Der erste Tee, den ich probiere, ist ein Sencha aus dem Sayama kaori Kultivar. Dort verarbeitet Yamamoto Kengo den Tee im Stile des gewöhnlichen Dämpfverfahrens (futsûmushi). Wie wird er wohl schmecken und was werden die Unterschiede zu den anderen Kultivaren sein? Sayama kaori wird vorwiegend in der Präfektur Saitama angebaut. Die dicken Blätter eignen sich sehr gut, um die frostigen Winter überstehen zu können. Im Geschmack zeichnet sich dieses Kultivar durch seine Herbheit aus.Zubereitung
Der erste Zubereitungsversuch schlug fehl. Was bei anderen Sencha hervorragend klappt, führte hier zu einer schwer genießbaren Brühe. Bei 5g auf 100ml und 90 Sekunden Ziehzeit bei ca. 80°C heißem Wasser wurde der Tee leider zu kräftig, einfach ein Tick zu bitter. Eine kleine Veränderung führte aber zu einem sehr zufriedenstellenden Ergebnis (5g auf 100ml, 60, 10, 30, 20, 20, 30, 45).

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Blatt
So sorgfältig selektierte Blätter sieht man selten für das Geld. Das ist schon ein prächtiger Anblick, der sich dem Auge offenbart. Tiefes grün, wenig Bruch, schöne nadelige Blätter, die einen feinen Duft ausströmen. Optisch sehr überzeugend, alle Achtung!

Duft
Der Duft steht dem Aussehen der Blätter nicht nach. Es ist ein intensives Aroma mit einer schmeichelnden Süße. Der etwas gemüsige Duft lässt mich an Multivitaminsaft denken, den ich in Japan getrunken habe. Der bestand aus einem Mix aus Obst und Gemüse (unter anderem Rote Beete). Eine durchaus angenehme Assoziation.
In der aufgewärmten Kanne gesellen sich leichte Röstnoten dazu. Für mich sind das gebratene Zwiebeln oder doch eher Knoblauch? Dabei ist noch würzige Alge, eine herzhafte Mischung also.

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Geschmack
Vor dem ersten Aufguss bin ich gespannt, ob 30 Sekunden weniger Ziehzeit wirklich ausreichen, um die Adstringenz zurückzudrängen. Und ja, 30 Sekunden machen einen sehr deutlichen Unterschied aus. Keine Spur Adstringenz, dafür ein ausgewogener Umami-Geschmack, die typische süße und gemüsige Note kommt gut durch. Frau P. sagt voller Überzeugung, dass sie Pfirsich schmeckt, ich stimme zu, da ist wirklich etwas davon dabei. Sehr auffällig ist auch, dass der Geschmack lange im Mund anhält, so dass ich mich ihm für eine Weile hingebe und mir Zeit mit dem nächsten Aufguss lasse. Vielleicht kommt das durch die fast schon ölige Konsistenz?

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Der zweite Aufguss wird plötzlich herber, aber auch würziger. Mir macht die Herbheit nichts aus, ich bin bis zu einem gewissen Maß ein Fan davon. So wie jetzt, würde ich den Geschmack als “kernig” bezeichnen, der außerdem an Frische grüner Äpfel gewonnen hat.

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Insgesamt haben wir sieben Aufgüsse zubereiten können, eine gute Ausdauer hat er also. Das zeigte sich auch darin, dass er etwas unerwartet im sechsten Aufguss wieder etwas herber wurde. Natürlich waren die beiden ersten am intensivsten, aber gerade deswegen weiß ich danach die unkomplizierten und dünneren Varianten umso mehr zu schätzen. Da will ich einfach nur genießen und so intensive Eindrücke machen die Geschmacksknospen auch nicht auf Dauer mit.

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Fazit
So, das war also der erste der drei Tees und gleichzeitig der Ausgangspunkt unseres Versuchs. Auch der Sayama kaori hat ähnlich wie dieser Gartentee hier und da seine Ecken und Kanten, die mir aber durchaus gefallen haben. Im direkten Vergleich, den ich mir an dieser Stelle erlaube, fand ich ihn sogar noch etwas runder. Und vom Aussehen der Blätter bin ich noch immer begeistert… So viel darf aber schon verraten werden: die beiden anderen sind mindestens genauso schön anzusehen!

Morimoto Shincha 2013

Morimoto Shincha 2013

Seit geraumer Zeit kursiert unter Sencha-Freunden der Name Morimoto – das ist der Name einer Familie, die auf Kyûshû in der Präfektur Miyazaki Tee anbaut. Das Foto des Ehepaares Shigeru und Haruyo Morimoto ziert die Rückseite der silbernen Verpackung und vermittelt so den Eindruck eines vertrauten und persönlichen Produkts, ganz im Gegensatz zu den sonst sehr anonym und fremd wirkenden Tee-Produkten aus unseren Regalen.

Die Morimotos bauen auf ihren Feldern verschiedene Tee-Kultivare an. Yutaka Midori und Saki Midori heißen sie, und sorgen laut Informationstext für eine runde Ausgewogenheit, einen blumigen Duft und im richtigen Mischverhältnis ergebe sich “ein frischer, leichter, blumig-duftender Tee mit angenehmer Süße”. Bisher habe ich allerdings gelesen, dass der Einsatz verschiedener Kultivare nicht zwingend geschmackliche, sondern vielmehr praktische Gründe hat – die Familie Morimoto wird es im Zweifel sicher besser wissen. Dadurch, dass Japan verschiedene Klimazonen hat, gedeihen bestimmte Sorten in kühleren bzw. heißeren Gebieten besser als andere. Weitere Gründe für abweichende Kultivare sind Resistenzen gegen gewisse Pilze, Krankheiten und Insekten. Einer der Hauptgründe auf dem heutigen Shincha-Markt ist das schnellere Wachstum bestimmter Kultivare. Es leuchtet sicher jedem ein, dass bei der immer größer werdenden Shincha-Nachfrage jener Bauer im Vorteil ist, der am frühesten in der Lage ist, guten Tee zu verkaufen. Die hier eingesetzten Kultivare gehören zu den schnell wachsenden Sorten. Die Familie Morimoto kann also ihr Produkt früh auf dem Markt platzieren.
Eine weitere Besonderheit dieses Tees ist, dass er von der Familie selbst hergestellt wird. Das ist in Japan eigentlich unüblich, denn normalerweise verkaufen die Teebauern ihren Rohtee (Aracha) an große Unternehmen, die den Tee in verschiedene Kategorien selektieren und anschließend mit anderen Partien blenden, um einen bestimmten Geschmack zu erzielen.
Meiner Meinung nach spiegelt sich die Philosophie der Morimotos auch im Geschmack wider. Der Tee hat für mich sympathische Ecken und Kanten, schmeckt mir insgesamt gut. Jeder kann sich denken, dass es schwieriger ist, aus einer Ernte ein gutes Endprodukt herzustellen, denn man hat wenig bis gar keine Möglichkeiten, den Geschmack durch Zugabe von anderen Ernten in die ein oder andere Richtung zu optimieren. Daher ist ein Vergleich mit einem Blend eigentlich etwas unfair. Aber wie soll man sonst einen Shincha beurteilen?

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Aussehen
Die Blätter sind überwiegend dunkelgrün, die hellgrünen Partikel sind jedoch Stiele. Wenn Tee-Unternehmen den Aracha weiterverarbeiten, dann werden die Stiele von den guten Blättern durch eine Maschine getrennt, die mittels Sensor die helleren Partikel aussortiert. Es scheint, als wäre dieser Schritt hier ausgelassen worden.

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Duft
Öffnet man die Packung, kommt einem ein frischer Duft entgegen. Natürlich riecht der Tee vorwiegend nach Sencha, doch hinter dieser Fassade ist noch etwas Anderes: Minze gepaart mit Schokolade, also After Eight? Ich bin ja gespannt, was Frau P. dazu sagt und reiche ihr die Tüte: “Zahnarzt…” Ich schreibe das deswegen, weil es Menschen da draußen gibt, die mehr Wert auf Frau P.’s Meinung legen als auf meine und das ist auch in Ordnung so. In der warmen kyûsu sieht es hingegen ganz anders aus. Der Duft verliert seine Frische, aber zeigt eine kräftige Süße und riecht jetzt nach Spinat.

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Geschmack
Trotz der recht hohen Dosierung (9g auf 270ml) schmeckt der erste Aufguss überraschend schwach, für Frau P. nichtssagend. Keine Spur von der feinen Herbe, aber wenn ich mich auf den Tee konzentriere, dann ist da eine Kohlrabi-Note, eine leichte Süße, vielleicht auch etwas Umami. Ansonsten keine besonderen Auffälligkeiten und für einen ersten Aufguss fast schon etwas langweilig.

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Hier sieht man ein schönes und klares Grün

Beim zweiten Aufguss ändert sich das Geschmacksbild, was man beim Anblick der Tassenfarbe schon erahnt. Man sieht jetzt ein sattes und trübes Grün. Als hätte sich der Tee all seinen Geschmack für den zweiten Gang aufbewahrt, so zeigt er eine schöne Süße und milde Herbe. Auf der Zunge ist er leicht cremig und erinnert etwas an Matcha. In der Nase habe ich den Duft von frischen Tomatensträuchern. Wirklich lecker, das findet auch Frau P.

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Die trübe Tassenfarbe erinnert stark an Fukamushi Sencha

Beim dritten Durchgang baut er dann leider etwas zu stark ab. Er ist natürlich weiterhin genießbar, aber vielleicht bin ich schon durch meine (zu) hohen Dosierungen etwas verdorben, um den sanften Geschmack noch schätzen zu können.

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Der dritte Aufguss wiederum fällt recht klar aus
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Optisch stimmt hier alles!

Fazit
Es fehlt mir hier und da etwas, der Tee ist mir nicht rund genug. Das erklärt sich fast von selbst, schließlich konnte mich nur einer von drei Aufgüssen wirklich überzeugen. Ich weiß jedoch, dass der Tee der Morimotos viele Fans da draußen hat, die sich den Shincha auch etwas kosten lassen. Vielleicht bin ich also einfach nicht der richtige Typ für diesen Tee. Oder es liegt daran, dass ich von Blends ein runderes bzw. “vollständigeres” Geschmacksprofil gewohnt bin.

Dazu gab es übrigens noch ein kleines omiyage aus Japan, welches uns meine Schwester mit ihrem Freund mitgebracht hat. Es handelt sich um eine Mochi-Spezialität aus Kyôto. Sie hat natürlich genau die richtige Packung für ihren Bruder herausgesucht, denn die eine Sorte der yatsuhashi ist mit Matcha gemischt, die andere mit Gyokuro aus Uji. Aber wenn ich ehrlich bin, dann hat nur die Matcha-Sorte wirklich nach Grüntee geschmeckt, aber lecker waren beide! Vielen Dank, liebe Schwester!

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Unglaublich lecker!

 

Was einen Fukamushi Sencha so besonders macht

Was einen Fukamushi Sencha so besonders macht

Ich habe mich festgelegt. Endlich habe ich so etwas wie einen Favoriten unter den japanischen Tees. Es hat einige Zeit des bewussten Tee-Trinkens gebraucht, um zu dieser eigentlich recht einfachen Erkenntnis zu gelangen. Und zu Dank verpflichtet bin ich einer japanischen Freundin, die mir diesen Tee netterweise aus Japan mitgebracht hat. Ja, es hat sich bis Japan herumgesprochen, dass ich Tee-süchtig -begeistert bin und wenn Japaner zu uns zu Besuch kommen, dann bringen sie häufig ein Mitbringsel bzw. omiyage mit. Lucky me.

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Vielen Dank an Familie H. für den schönen Hagi-yaki Becher

Der mitgebrachte Tee ist ein Sencha aus Shizuoka, Japans berühmtester Anbauregion. Dort gibt es einen Ort namens Kakegawa (掛川), in dem seit dem 16. Jahrhundert Tee angebaut wird. Aus den Blättern des Yabukita-Kultivars, stellt das Unternehmen Harada (ハラダ製茶株式会社) eine Spezialität her, für die Shizuoka bekannt ist. Es ist ein Grüntee, der zwei bis drei Mal so lange, bis zu 120 Sekunden, mit heißem Wasserdampf behandelt wird und daher die Bezeichnung fukamushi (wörtlich: tiefgedämpft 深蒸し) trägt. Diese Methode hat in Shizuoka ihren Ursprung und ist aus der Not heraus geboren. Im Gegensatz zu den Pflanzen höher gelegener Plantagen, waren die Blätter der tiefer gelegenen dicker, vor allem aber bitterer. Dieser Geschmack wurde von der zahlenden Kundschaft nicht besonders geschätzt, daher erzielten die Blätter auch keinen hohen Marktpreis. Nach dem Krieg, um das Jahr 1955 herum, wurde es üblich, die Bedämpfungszeit zu erhöhen, weil man entdeckte, dass dadurch die Bitterkeit des Tees abnahm. In der Folgezeit wurde durch bessere Maschinen und die Optimierung der Herstellungsweise die Qualität dieses Tees deutlich erhöht, so dass heute ca. 70% der in Shizuoka hergestellten Tees nach diesem Verfahren hergestellt werden. Doch auch in anderen Präfekturen wie Mie oder Kagoshima bedient man sich dieses Verfahrens, um Tee herzustellen.

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Feine Nadeln gepaart mit Blattbruch
Das längere Dämpfen hat noch weitere Auswirkungen auf den Tee. Er gewinnt dadurch an Süße, allerdings auf Kosten der Frische. Es ist daher kein filigraner, sondern ein recht kerniger Tee mit einem starken Duft und vollmundigem Geschmack bzw. Mundgefühl. Die Bitterkeit ist nicht restlos verpufft, japanische Liebhaber sprechen von einer sanften Herbe (odayaka na shibumi おだやかな渋味), wobei diese Einschätzung sicherlich nicht von jedem geteilt wird. Es gibt Menschen, die es einfach nur als bitter empfinden. Durch das längere Dämpfen wird das Blatt strapaziert und ist viel brüchiger, weswegen der Tee nicht die beliebte Nadelform (harijô 針状) aufweist. Der hohe Anteil kleiner Partikel macht die Tasse trüb und dunkelgrün, besonders beim zweiten Aufguss wird das deutlich. Auch im Mundgefühl spiegelt sich das wieder, denn der Tee fühlt sich gehaltvoller, cremiger und dickflüssiger an. Entweder man liebt es (ich) oder man hasst es (Frau P.).
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Nur etwa 100ml kriege ich aus dieser kleinen Kanne, für mich allein ist es vollkommen ausreichend

Duft & Haptik

Dieser Tee hat noch etwas Besonderes an sich. Es handelt sich um einen Shincha, also um einen First Flush. Er hat einen sehr tiefen Duft, der mich immer an Nadelbäume an einem feuchten Abend erinnert. So einen ähnlichen Tee, den ich nur zu gern wieder trinken würde, hatte ich 2009 in Japan gekauft und in eine Kirschholzdose getan, die diesen Duft bis heute gespeichert hat. Ich denke, dass sich dieser Tee dort sehr wohlfühlen wird und kippe ihn dort rein. Der Duft weist aber noch etwas Alge und Esskastanien auf. Zwischen den Fingerspitzen fühlt sich der Tee leicht seidig an.
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Der erste Aufguss ist bei fukamushi immer überraschend klar

Geschmack
Abhängig von der Dosierung ergibt sich bei den Aufgüssen ein anderes Geschmacksbild. Der erste Aufguss ist bei einer leichten Dosierung und 45 Sekunden Ziehzeit sehr mild, im Abgang leicht algig, aber viel zu mild. Erst beim zweiten Aufguss hat er das schöne cremige Mundgefühl. Matcha- und Nadelbaum-Aromen steigen in die Nase, super! In der dritten Runde wird der Matcha-Geschmack intensiver, es wird auch leicht bitter, ich würde es Edelbitter nennen. Das cremige Mundgefühl nimmt zu, der Geschmack ist dichter, fast wie geschlagener Matcha.

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Erst der zweite Aufguss ergibt diese dunkle Färbung

Danach gab es noch eine harte Tour, also 5g auf 100ml. Für fukamushi ist das ordentlich, Frau P. würde mir diesen Tee sicher unwillkürlich ins Gesicht spucken, wenn ich es wagen würde, sie damit zu überraschen. “Edelbitter” ist er von Anfang an, ich spüre auch die Süße, die sich mit dem Nadelbaumduft wunderbar vereint. Ein sehr intensives Erlebnis, für das man einen gewissen Widerstand gegen Bitterkeit entwickelt haben muss, um es als angenehm empfinden zu können. Denn so geht es auch beim zweiten Aufguss weiter, der einen sehr dichten Matcha-Geschmack hervorkommen lässt und ich muss an Nougat denken, weil es sich ähnlich auf der Zunge anfühlt. Dazu kommen eine dezente Süße und die Nadelbaum-Aromen, die sehr lange nachhallen.

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Auch hier ist der hohe Blattburch-Anteil sehr gut zu sehen

Ich brauche eine kurze Pause, ehe ich mir einen weiteren Becher zubereite. Dieser ist vor allem am Gaumen sehr herb, so herb wie Herrenschokolade. Dieser unheimlich intensive Geschmack, den ich schon zuvor beschrieben habe, macht mich sprachlos. Und das ist auch gut so, denn ich habe eh schon zu viel geschrieben.

Den Frühling mit einem "Yame-Sencha" unter der Kirschblüte feiern

Den Frühling mit einem “Yame-Sencha” unter der Kirschblüte feiern

Wer kennt sie nicht oder hat nicht schon davon gehört, die japanische Kirschblütenschau bzw. hanami. Was in Japan eine Art öffentlich gefeiertes Volksfest ist, wird bei uns auch wegen der niedrigeren Temperaturen nur selten zelebriert. Und wenn, dann beschränkt man sich wahrlich auf das Anschauen der Blüten. In Japan ist es schwieriger zu dieser Jahreszeit unbesetzte Kirschblüten zu sehen, d.h. Kirschblüten, unter denen nicht eine Gruppe von Menschen bei Bier, Reiswein und leckeren Speisen beisammen sitzt und feiert. Wir haben es da einfacher oder auch einfach die freie Wahl.

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Sencha: yame no sato. Irgendwo auf Kyûshû im Jahr 2011 gekauft und bis heute eingefroren

Frau S. und ich haben das Glück, einen Tag zu erwischen, der sich von der Wärme dazu eignet, nach draußen zu gehen und Tee zu trinken. So nehmen wir einen Gaskocher und verschiedene Tee-Utensilien mit und hocken uns auf eine nahe gelegene Wiese in die Nähe eines Kirschbaums. Mein etwas zu groß geratener Kupferkessel braucht eine Weile, um das Wasser zum Kochen zu bringen. In der Zwischenzeit bereite ich sorgfältig die Utensilien vor.

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Der Tee ist ein Sencha der Firma Fushun’en (冨春園) mit dem Namen Yame no sato, was so viel bedeutet wie die Heimat von Yame. Das Blatt sieht anständig aus, gerollt zu langen Spitzen. Etwas Bruch ist auch dabei und die Farbe bewegt sich im dunkelgrünen Bereich. So sollte guter Sencha aussehen.

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Eine etwas andere Präsentationsschale

Der Duft
In der vorgewärmten shiboridashi ergibt sich ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Aromen. Wer schon mal asiatisches Reisgebäck mit gerösteten Algen gegessen hat, wird bei diesem Tee sofort daran denken müssen. Außerdem ist ein feiner süßer Duft zu vernehmen, der an Spinat erinnert. Nicht ungewöhnlich für einen Sencha.

Die Zubereitung
Auf der Verpackung wird empfohlen, den Tee in einem Verhältnis von 1g auf 20ml Wasser (70°C) zu dosieren und beim ersten Aufguss 90 Sekunden ziehen zu lassen. Der zweite Aufguss soll hingegen sofort nach dem aufgießen wieder abgegossen werden.

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Der Geschmack
Schon während des Eingießens in die kleine Servierkanne kommt ein schöner gemüsiger Geruch emporgestiegen. Ist das nicht der Duft von in Butter geschmortem Gemüse? Es riecht jedenfalls deftig und macht sofort Appetit.
Der Tee schmeckt sehr ausgewogen und es ist keine Spur Bitterkeit enthalten. Bei dieser hohen Dosierung ist das keine Selbstverständlichkeit. Eine feine Süße dominiert, der Aufguss ist etwas “ölig”, irgendwie dichter, Umami ist natürlich auch enthalten und ich stelle fest, dass mir diese Eigenschaft jetzt richtig schmeckt. Bin ich schon bekehrt? Früher mochte ich diesen Geschmack doch nicht. Frau S. ist leider noch weit entfernt ihn zu mögen. Sie fand den Tee, den ich früher zubereitet habe und der weniger nach Umami geschmeckt hat, sehr viel besser. Wer mich kennt, der weiß, dass ich diesen Geschmack vor nicht allzu langer Zeit selbst nicht gemocht habe. Wir haben daraus ein kleines Wortspiel konstruiert. Umami heißt direkt übersetzt auch einfach Wohlgeschmack. Sagt man auf Japanisch umai, welches die Adjektivform des Nomens ist, dann meint man damit, dass etwas gut schmeckt bzw. lecker ist. Das Gegenteil davon bedeutet mazui, daher sagt Frau S. nicht Umami zu dem Geschmack, den sie nicht mag, sondern mazumi (“Schlechtgeschmack”). Naja, jedenfalls ist der Geschmack schön langanhaltend und hat auch etwas Frisches, was mich an Zitronenschale denken lässt.

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Ich habe mich aus Frau S.’ Schildkrötenfigurensammlung bedient.
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Zweiter Aufguss
Dieser Aufguss ist etwas trüber geraten und schmeckt jetzt etwas frischer und hat etwas mehr Körper, wirkt insgesamt kräftiger und ist vor allem herber. Am Gaumen spüre ich etwas, was ich nur von Pu Erh kenne. Die Herbe schlägt nach kurzer Zeit in eine kernige Süße um. Der Geschmack ist jetzt grasig, dafür hat das Gemüse abgenommen.

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Frau S. gehört die weiße Tasse

Dritter Aufguss
Der dritte Aufguss schmeckt nach den beiden gehaltvollen Tassen etwas enttäuschend. Wäre dies die erste Tasse, würde ich auf einen ganz normalen Sencha tippen. Für Frau S. ist dies der erste Aufguss, der ihr richtig schmeckt. Sogar den vierten nimmt sie noch mit.

Fazit
Ohne zu überteiben, muss ich gestehen, dass dies einer der besten Sencha ist, den ich bisher probiert habe. Ein kurzer Blick ins japanische Internet verrät allerdings, dass es diesen Tee so nicht mehr zu kaufen gibt. Sehr schade! Vielleicht kann man mit dieser Zubereitungsempfehlung auch aus anderen Sencha etwas mehr herausholen. Ich werde es jedenfalls in meine Versuche einbeziehen.

Nachtrag
Die Zubereitung hat sich auch bei einem anderen Sencha bewährt. Er schmeckte zwar nicht so gut wie dieser hier, war aber trotz meiner Befürchtung, dass er zu bitter geraten würde, überraschend genießbar.

Ein besonderer Shincha geht zu Ende...

Ein besonderer Shincha geht zu Ende…

Vor ein paar Monaten hat uns unsere liebe Freundin Misato aus Kyôto einen besonderen Shincha geschickt, den wir sehr genossen haben. Weil er so ungewöhnlich ist, sind wir sehr sparsam damit umgegangen und heute erfolgte der letzte Aufguss.
Was macht den Tee so besonders? Zunächst wurde er nach 88 Nächten eines traditionellen japanischen Kalenders (Lunisolarkalender) gepflückt und dieser Tag leitet den offiziellen Frühlingsanfang ein. Es handel sich außerdem um die erste Pflückung – hatsuzumi 初摘み. Auf die heutige Zählweise übertragen, entspricht das i.d.R. dem zweiten Mai. Bei einem Schaltjahr hingegen würde es dem ersten Mai entsprechen und es kann sogar vorkommen, dass dieser Zeitpunkt erst auf den dritten Mai fällt.
Die japanischen First Flushs, die an diesem Tag geerntet wurden, werden aus diesem Grund hachijû-hachiya no shincha 八十八夜の新茶 (Shincha der 88. Nacht) genannt und sollen dem Volksglauben nach besonders gesund sein und ein langes Leben verleihen. In vielen Anbaugebieten kann man zu dieser Zeit beim Pflücken helfen und es wird ein richtiges Event aus diesem Tag gemacht.
Doch damit nicht genug. Dieser Tee stammt außerdem aus einem traditionsreichen Geschäft: Ocha no kanbayashi お茶のかんばやし, welches direkt in Uji verortet ist. Und das schon seit über 400 Jahren, wenn man der Unternehmensgeschichte auf der Homepage Glauben schenken will.
Es begann natürlich alles mit den buddhistischen Mönchen, die den Tee in Japan kultivierten. Einer davon war der bekannte Mönch Myôe 明恵, der im 13. Jahrhundert Tee in Toganoo (heute Teil der Stadt Uji) anbaute und besonders gute Ergebnisse erzielte. Dieser Tee wurde dann in Tee-Wettkämpfen zum “Eich-Tee” und aufgrund seiner Qualität “honcha 本茶” – also “wahrer Tee” genannt. Bei diesen Wettkämpfen ging es darum diesen Tee von anderen Teesorten zu unterscheiden. Es ist nicht schwer vorstellbar, dass dieser Tee als bester seiner Art die Aufmerksamkeit der militärischen Machthaber, die ihren Sitz in Kyôto hatten, auf sich zog. Die Ashikaga-Shôgune und besonders Ashikaga Yoshimasa (1358-1408) bemühten sich um die Kontrolle dieses Gebiets. Letzterer begründete die “sieben berühmten Teegärten Ujis 宇治七明園” und fortan standen die Gärten unter besonderem Schutz. Gleichzeitig wurden zwei Tee-Direktoren ernannt, von denen einer Kanbayashi Kamon war, auf den sich das jetzige Geschäft beruft. Das Geschäft wurde aber erst später gegründet. Einer von Kanbayashis späten Nachfahren, soll sich dann in der Momoyama-Zeit (1573-1615) an der Stelle, wo das heutige Geschäft steht, niedergelassen und eine wichtige Rolle im Tee-Geschäft und der Stadt-Verwaltung eingenommen haben. Heute wirbt man damit, dass die Blätter für die Tees, die man verkauft, selbst ausgewählt werden. Das geschieht deshalb, weil die Blätter bei zu viel Sonnenlicht einen Schutzmechanismus in Gang setzen, der sie bitter werden lässt. Die strenge Auslese soll die Tees von Kanbayashi besonders wohlschmeckend und aromatisch machen.Zum Tee:
Das Blatt ist schön dunkelgrün und duftet bereits verführerisch nach getrockneten Algen und Spinat. Der Duft verrät außerdem, dass diese Blätter nach Umami schmecken werden:

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Kommen wir zur Zubereitung. Meine Einstellung ist, dass man für jeden Tee eine angepasste Zubereitung braucht um ihn voll zur Geltung kommen zu lassen. Standardmethoden sind als Vergleichswert sicher nicht verkehrt, aber ich lasse mich immer zuerst auf die Zubereitungsempfehlung des Herstellers ein. Wenn mir der Geschmack dann nicht zusagt, kann ich immer noch experimentieren. In diesem Fall hat der Hersteller eine sehr eigenwillige Empfehlung herausgegeben: Pro 90ml 70°C heißes Wasser und 2,5g Tee. Erster Aufguss 20 Sek., zweiten Aufguss sofort abgießen. So habe ich das auch gehandhabt und bin nicht enttäuscht worden. Allerdings habe ich für meine letzten 5g eine Gaiwan statt einer Seitengriffkanne benutzt, daher bitte nicht wundern.

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Aufgussfarbe in einem Glaskännchen: leicht trüb und dezent grün

Der erste Aufguss ergab eine sehr gelungene Mischung aus Umami und Süße, wobei letztere besonders hervorzuheben ist. Sie erinnert mich ein bisschen an die eher zarte Süße von Esspapier. Umami war für mich wohldosiert. Ich mag ja Umami gar nicht in so hohen Konzentrationen, aber hier ist das Verhältnis genau richtig und gibt dem Aufguss einen leichten Geschmack von Garnelen, der sich besonders an den Seiten der Zunge zeigt und lange erhalten bleibt. Da kriegt man ja glatt die Lust darauf in die Blätter zu beißen! Leider ist die Umami-Konzentration für Frau S. bereits zu hoch.

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Total unjapanisch: Gaiwan, Glaspitcher und kleine Seladontässchen

Der zweite Aufguss ist viel vollmundiger und die Umami-Konzentration macht den Aufguss zu einem angenehmen Garnelen-Tee. Dazu kommen eine leichte Spinatnote, getrocknete Algen und Spuren von echter Gemüsebrühe. Mir liegt der Geschmack sehr, Frau S. hingegen wegen des Umami-Geschmacks noch nicht so ganz. Ob ich wohl ihren Aufguss trinken darf? Nein, sie trinkt ihn doch lieber selbst – wegen der letzten Gelegenheit.

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Der dritte Aufguss im Gaiwan. Die hellgrünen Blätter kommen besonders gut zur Geltung.

Der dritte Aufguss durfte länger ziehen und ist deswegen auch herber. Der Umami-Geschmack hat sich verabschiedet – sehr zur Freude von Frau S., die den Tee jetzt auch richtig lecker findet. Ich fand die ersten beiden zwar besser, mag aber die für Sencha typische Herbe. Auch der Spinat- und dezente Algen-Geschmack ist noch etwas geblieben und macht sich beim Atmen in der Nase bemerkbar.

Zwischendurch das Blatt gerochen: Wie Blumen auf einer grünen Wiese.

Der vierte Aufguss schmeckt nach längerer Ziehzeit fast wie der letzte. Jetzt hat aber auch der herbe Geschmack nachgelassen und der Tee macht wohl auch keinen weiteren Aufguss mehr mit.

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Das nasse Blatt riecht jetzt wie eine frisch gemähte Wiese und leuchtet fast strahlend grün.

Das war es nun, lieber Shincha. Hoffentlich bis nächstes Jahr! Und einen großen, herzlichen Dank an Misato!