Ito yori Gyokuro

Ito yori Gyokuro

Heute geht es um keinen echten Gyokuro, sondern um ein Mitbringsel aus Japan, welches auf den schmeichelhaften Namen “ito yori Gyokuro” (jap.: 糸より玉露) hört. Gefunden habe ich den Tee in Kanazawa, als wir uns vor dem uns nicht wohlgesonnenen Wetter versteckten und unsere Zeit in Kaufhäusern verbrachten, um nach Mitbringseln für Freunde und Verwandte zu suchen. Bei dieser Suche stieß ich also auf einen kleinen Laden, der sich auf diese Art von Tee spezialisierte.

ito yori Gyokuro
ito yori Gyokuro

Was bedeutet der Name?

Der Name bedeutet frei übersetzt “Gyokuro aus Fasern”. Und wenn man sich den Tee ansieht, dann erkennt man sogleich die Namenherkunft, denn der Tee besteht nur aus Fasern, die zum größten Teil die Haut der Stengel und Blattadern bildeten.

Wie wird der Tee hergestellt?

Blatttee wird in Japan von vielen Bauern zu einem Rohtee verarbeitet, der als Vorstufe des richtigen Tees angesehen wird. Dieser enthält noch viele Stängel, Blattbruch und auch längere Blattnadeln. Der Rohtee wird dann von Teefirmen eingekauft und nochmals veredelt, indem man alle Stängel aussortiert, den Tee sortiert und den Blattbruch aussiebt. Danach kann der Tee nochmals nachgeröstet werden, um sein Aroma zu intensivieren. Fasern und Stängel sind im Endprodukt unerwünscht, denn in Japan legt man großen Wert auf die Optik. Allerdings haben auch diese Bestandteile (jap.: demono) noch Geschmack und so hat sich ein Unternehmer eine Geschäftsidee überlegt, wie man diese Reste noch verwerten kann.

"Gyokuro aus Fasern"
“Gyokuro aus Fasern”

Das Blatt

Der Tee ist sehr voluminös und besteht hauptsächlich aus den äußeren Schichten der Stengel. Hier und da finden sich zwar auch gröbere Blattstücke und Holz, aber der Anteil beträgt weniger als 10%.

Aroma

Der Geruch ist sehr leicht, eigentlich fängt man erst an, etwas zu riechen, wenn man den Tee in einen warmen Behälter oder eine vorgewärmte Teekanne füllt. Dann kann man eine dezente Frucht erahnen. Davor kommt allerdings ein sehr starker Duft, der mich vor allem an Tencha erinnert. In einer Tenchafabrik riecht es jedenfalls genauso. Neben nussigen Aromen finde ich auch leichte Algen.

Ziehzeit beträgt ca. 2Minuten bei 50°C
Ziehzeit beträgt ca. 2 Minuten bei 50°C

Geschmack

Ich gebe zunächst ca. 3-4g von diesem Tee in eine Kanne, die 150ml Fassungsvolumen hat. Der erste Aufguss bei ca. 50°C darf 2 Minuten ziehen – wie ein echter Gyokuro. Und so ähnlich fällt auch der Geschmack aus. Sehr intensiv und leicht algig dazu viel Umami. Der Nachgeschmack ist lang und nussig. Danach erinnert die Intensität entfernt an Parmesankäse. Wenn ein Getränk so intensiv ist, kann man nicht viel davon trinken. Man muss die wenigen Schlücke in kleinen Dosen genießen. Eine große Kanne wäre fehl am Platz.

Die Tassenfarbe ist gelber als erwartet
Die Tassenfarbe ist gelber als erwartet

Der zweite Aufguss, den ich sofort abgieße, ist viel leichter. Offenbar haben die Fasern fast ihren ganzen Geschmack bereits an den ersten Aufguss abgegeben und verfügen nur über wenige Reserven. Ich muss an Grüntees denken, die mit Matcha verfeinert werden. Außerdem ist deutlich Gemüse zu schmecken. Ich denke an Zucchini und Aubergine. Trotzdem fehlt es dem Tee an Körper, er wirkt ein bisschen flach.

Der zweite Aufguss ist viel dichter und grüner
Der zweite Aufguss ist viel dichter und grüner
Die Fasern aus der Nähe betrachtet
Die Fasern aus der Nähe betrachtet

Fazit

Der “ito yori  Gyokuro” kann sich mit einem richtigen Gyokuro nicht messen. Dafür ist er nicht komplex und vielschichtig genug. Mir hat es vor allem an Süße und Körper gefehlt. Trotzdem ist es erstaunlich, wie viel Geschmack noch in den Fasern steckt. Vor diesem Hintergrund überrascht es auch nicht, dass Kukicha in Japan eine Daseinsberechtigung hat. In Deutschland gibt es noch Teataster, die diese anzweifeln, da in der Welt des Schwarztees jede Form von Stängeln im Tee negativ beurteilt wird. Dieser Tee kostete in Japan nur ein Drittel bis die Hälfte eines echten Gyokuros. Daher darf die Erwartungshaltung nicht allzu hoch ausfallen.

Wer demnächst etwas im Shop bestellt, bekommt von dem Tee eine Gratisprobe. Natürlich nur so lange der Vorrat reicht.

 

Ein Zweig der Raku-Keramik: Ôhi-yaki

Ein Zweig der Raku-Keramik: Ôhi-yaki

Raku gehört neben Hagi und Karatsu zu den drei populärsten Keramiken in der japanischen Teezeremonie. Raku hat seinen Ursprung im Kyôto des 16. Jahrhunderts. Ein Jahrhundert später hatte sich ein Zweig der Raku-Keramik in der Nähe von Kanazawa gebildet. In der Ortschaft Ôhi, die heute in Kanazawa liegt, befinden sich die Tonvorkommen, die Ôhi-yaki den Namen verleihen.

Wie alles begann

Sen Sôshitsu IV. war ein direkter Nachfahre von Sen Rikyû (1522-1591), dem bekanntesten Teemeister Japans und versuchte die Lehren seines Ur-Großvaters zu bewahren. Sôshitsu diente dem Maeda-Clan viele Jahre als Teemeister und lebte daher lange Zeit in Kanazawa. Im Jahre 1666 lud der Daimyô Maeda Toshitsuna Sen Sôshitsu IV. (auch Sensô Sôshitsu, 1622-1697) nach Kanazawa ein, um einen eigenen Tee-Stil zu entwickeln. Bei dieser Gelegenheit brachte Sôshitsu IV. den Raku-Töpfer Chôzaemon Hodoan (1630-1712) mit, da dieser exklusiv für den Maeda-Clan Utensilien für die Teezeremonie herstellen sollte.

Der Name Ôhi

Hodoan suchte zunächst nach Tonvorkommen. Direkt vor Kanazawa in der Ortschaft Ôhi fand er geeignetes Tonmaterial. Fortan nannte er sich Ôhi Chôzaemon und die Keramik wurde schließlich Ôhi-yaki getauft.

Ôhi-yaki
Ôhi-yaki mit Bernsteinglasur
Ôhi-yaki
Ôhi-yaki Siegel

Das Markenzeichen

Es heißt, dass Hodoan von seinem Lehrmeister Ichinyû (Raku Kichizaemon IV.) die Rezeptur der transparenten Bernsteinglasur (ame-yû) gezeigt bekam, die er fortan exklusiv für Ôhi-yaki verwenden sollte. Obwohl weiße und schwarze Glasuren durch Ôhi Chôzaemon IV. (1758-1839) und Ôhi Chôzaemon V. (1799-1856) in die Palette aufgenommen wurden, bleibt die Bernsteinglasur bis heute repräsentativ für diese Keramikgattung.

Ôhi-yaki
Ôhi-yaki

Die Herstellung

Genau wie Raku wird auch Ôhi-Keramik nicht auf der Töpferscheibe gedreht. Die Chawan wird per Hand aufgebaut (siehe Raku-Herstellung). Die verschiedenen Glasuren haben hinsichtlich des Brandes unterschiedliche Anforderungen, daher kann die Temperatur zwischen 950 und 1200°C liegen. Auch diese Teeschalen werden glühend aus dem Ofen genommen, damit sie rasch abkühlen können.

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Raku im Ôhi-Stil

Ôhi-yaki heute

Die traditionelle Ôhi-Familie wird heute in der 10. Generation durch Ôhi Chôzaemon (geb. 1927) vertreten, der noch immer Teeschalen in den Farben Weiß, Schwarz und Bernstein herstellt. Im Laufe der Zeit wurden verschiedene Dekortechniken wie Aufglasurmalereien und Ritzdekore in das Spektrum eingeführt. Dementsprechend vielfältig kann Ôhi-yaki heutzutage aussehen. Eine Übersicht über die Repräsentanten der Ôhi-Familie findest du hier.

Neben der Ôhi-Familie gibt es noch drei weitere Öfen in Kanazawa, die Ôhi-Keramik herstellen. Die für Ôhi typische Bernsteinglasur wird mittlerweile auch von Raku-Keramikern in Kyôto verwendet.

Uji-Sencha von Hôraidô

Die Vorfreude auf Japan ist so groß, dass ich an kaum etwas Anderes mehr denken kann. Noch sieben Tage, dann geht es auf nach Kyôto. Wir werden uns Tee- und Keramikläden ansehen, nach Uji fahren und dort natürlich Uji-Sencha trinken. Dann geht es außerdem nach Osaka, Tokyo, Kanazawa, Fukui und Takayama. Am Ende der dreiwöchigen Reise fahre ich noch zu meiner Mutterfirma, um vor Ort weitergebildet zu werden. Besser gehts nicht, oder?

Um die Vorfreude gebührend zu feiern, habe ich mir aus dem Eisfach einen Uji-Sencha geholt, den ich mir irgendwann mal in Kyôto gekauft haben muss. Es handelt sich dabei um ein sehr schönes traditionelles Geschäft, welches den Tee noch in Keramikkrüge füllt und erst in der Herbstzeit nach einer gewissen Reifezeit verkauft. Auf diese Weise bleibe noch ein bisschen Restsauerstoff zurück und der Tee verliere dadurch an Schärfe, während Körper und Umami erhalten blieben.

Eigenen Angaben zufolge besteht das Geschäft an derselben Stelle schon seit 1803. Die Betreiber konzentrieren sich seit der Gründung auf eigene Blends, die ihrer Meinung nach den Geschmack von Uji-Tee am besten zum Ausdruck bringen.

Hôraidô Uji-Sencha
Typisch japanisch – der Tee ist nochmals sorgfältig in ein hübsches Papier gewickelt
Hôraidô Uji-Sencha
Der Uji-Sencha von Hôraidô

Der vorliegende Grüntee ist ein Sencha gehobener Qualität, da er mit der Bezeichnung “Jô” klassifiziert wird. Ich habe ihn daher nach der entsprechenden Methode gebrüht.

Blatt

Die Blätter sind tiefgrün, allein an dieser Farbe merkt man sofort, dass es sich hierbei um erste Ernte handelt. Die Blattstruktur ist weitestgehend in Ordnung, es ist nur sehr wenig Blattbruch enthalten, weswegen ich auf eine kurze Bekämpfungszeit (asamushi) schließe.

Uji-Sencha Hôridô
Uji-Sencha Hôridô
Uji-Sencha Hôridô
Das Aufwärmen der Kanne

Duft

Gleich nach dem Öffnen der vakuumierten Tüte bin ich etwas irritiert, denn vom Tee ist kaum etwas wahrzunehmen. Vielmehr habe ich das Gefühl, dass nur der Kunststoff der Innenbeschichtung zu vernehmen ist. Auch meine Frau stimmt mir hier zu.

Riecht man an den Blättern selbst, ist mehr zu erahnen. Einen Vorgeschmack auf das, was kommt, bekommt aber erst, wenn man die Blätter in die vorgewärmte Kanne tut und dann daran schnuppert. Denn dann zeigt sich ein Duft, den ich zuletzt beim Yamato-cha vernommen habe: Alge, Seetang, Jod – ein schweres maritimes Aroma, welches ich bisher nicht  mit Uji-Tees in Verbindung brachte.

Geschmack

Der erste Aufguss ist sehr lecker! Typisch für kurz gedämpfte Tees ist, dass sie einen mit Geschmacksfülle nicht gleich erschlagen. Sanftes Umami und eine ansprechende Süße machen Lust auf einen zweiten Schluck. Der Abgang ist mittellang, im Mund hat der Aufguss eine ölige Textur (genau mein Fall). Die maritime Note ist nicht wiederzukennen, dafür kommt mir der Tee angenehm salzig vor.  Leichte Parallelen zum Yamato-cha sind daher durchaus zu erkennen.

Uji-Sencha Hôraidô
Zuerst abgekühltes Wasser in die Kyûsu füllen…
Uji-Sencha Hôraidô
…dann abgießen…
Uji-Sencha Hôraidô
…und genießen…

Der zweite Aufguss ist zwar nicht mehr so ölig, dafür ist er noch süßer und süffiger. Der Geschmack ist erstaunlich konstant. Selbst der dritte und vierte Aufguss liefern zwar keine neuen Erkenntnisse, bringen aber die maritime Note vom Anfang zurück ins Spiel und werden immer süffiger.

Uji-Sencha Hôraidô Uji-Sencha Hôraidô

Fazit

Hôraidô macht Lust auf mehr und wie es der Zufall so will, wird mein Hotel ganz in der Nähe des Ladengeschäfts liegen, daher werde ich sicherlich kurz vorbeischauen und eine weitere Spezialität des Hauses probieren. Wer zufällig in Kyôto ist und diesem Teefachgeschäft einen Besuch abstatten möchte, dem sei diese Internetseite empfohlen. Gemessen am heutigen Stand der Technik ist die Internetpräsenz aus einer prähistorischen Zeit, aber sie liefert alle nötigen Informationen, um den Laden zu finden.

In eigener Sache: Da ich für drei Wochen in Japan sein werde, wird der Shop in der Zwischenzeit leider schließen müssen. Dafür wird es nach meiner Rückkehr viele neue Utensilien geben, über die du informiert wirst, wenn du dich für den Shop-News-Newsletter anmeldest.

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Einführung in die Shigaraki-Keramik

Einführung in die Shigaraki-Keramik

Shigaraki-Keramik gehört für mich zu den faszinierendsten und gleichzeitig schlichtesten Keramikgattungen Japans. Besonders die warmen Farbtöne des rustikalen Tonkörpers strahlen eine Behaglichkeit und Urtümlichkeit aus, die mich in eine nostalgische Stimmung bringen.

Der Ort Shigaraki

Die Ortschaft Shigaraki liegt in der heutigen Präfektur Shiga. Seit dem 5. Jahrhundert wird in dieser Region Keramik gebrannt. In Shigaraki selbst reicht die Keramikherstellung bis in das 13. Jahrhundert zurück, damit ist der Ort der jüngste der “Sechs alten Öfen”. Da er in der Einflusssphäre Kyôtos liegt, richteten sich die ansässigen Töpfer schon früh nach dem Geschmack der damaligen Hauptstadt. Shigaraki entwickelte sich dadurch zu einem der bedeutendsten Zentren für Teekeramik. Wegen der üppigen Tonvorkommen wird der Ort auch heute noch als das Paradies für Keramiker bezeichnet.

Der charakteristische Ton

Der Ton ist in natürlichem Zustand weiß und arm an Eisen, feuert aber lachsfarben bis rotbraun. Ein charakteristisches Merkmal sind die Pegmatiteinschlüsse (Feldspat- und Quarzkörnchen), die nach dem Brand als weiße Sternchen aus dem Ton hervorstechen und auch als solche (hoshi) bezeichnet werden.

Shigaraki-yaki Teebecher
Shigaraki-yaki Teebecher

Typisch für Shigaraki ist der Ton namens kibushi-nendo aus Sedimentationsschichten des Biwasees, die dem Pilozän zugeordnet werden. Er ist plastisch und hitzebeständig, heute wird er in ganz Japan von Keramikern eingesetzt, welche die rustikalen Eigenschaften schätzen. Die Pegmatitkörnchen werden allerdings für die Formgebung entfernt und bei Bedarf wieder zugesetzt. Für das Drehen auf der Scheibe ist der Ton zu grob, weswegen die Objekte aus Tonrollen aufgebaut oder in Formen gepresst werden.

Moderne und traditionelle Brennverfahren

Modernes Shigaraki wird häufig in Gas- oder Elektroöfen bei ca. 1300° gebrannt. Dabei kann allerdings keine Aschenanflugglasur entstehen, daher müssen Glasuren vorher aufgetragen werden. Viele Keramiker schätzen den Charme alter Keramiken aus der Blütezeit der Shigaraki-Öfen und brennen daher ihre Waren wieder im anagama oder noborigama. Durch den bis zu einer Woche dauernden Holzbrand wird Asche aufgewirbelt, die sich auf den Objekten niederlässt und schmilzt. Dies ist die Aschenanflugglasur, die bei jedem Stück anders gelingt und es somit zum Unikat macht.

Die Brenneffekte

Um das charakteristische Erscheinungsbild der Shigaraki-Keramik zu beschreiben, entstanden mit der Zeit verschiedene Begriffe. Rötliche Färbungen am Tonkörper, nennt man Feuerfarben (hi-iro 火色). Der Effekt kann stark variieren, da er abhängig vom Ofen, der Platzierung im Ofen, der Brennweise und Temperatur ist.

Shigaraki-yaki Chawan
Shigaraki-yaki Chawan

Als koge (焦げ) bezeichnet man Brandspuren, die dunkel ausfallen und durch Asche verursacht werden. Die Asche kann neben hellen Glasureffekten auch verglasen. Diese blaugrüne Glasschmelze wird bîdoro genannt. Treten alle drei Merkmale zusammen auf, dann spricht man von den “drei Landschaften”, welche auf Japanisch mitsu no keshiki (三つの景色) genannt werden.

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Ein ebenfalls begehrter Effekt wird durch die Pegmatitkörnchen verursacht. Werden Temperaturen von über 1300°C erreicht, dann können diese aufquellen oder gar explodieren und verursachen dadurch Risse oder kleine Krater im Körper. Diesen Effekt nennt man daher ishi-haze (石爆ぜ) – Steinexplosion.

Überblick über die historische Entwicklung

In Shigaraki wurden zunächst Haushaltsgegenstände wie Töpfe, Krüge und Mörser gebrannt. Anfangs konzentrierte man sich auf unglasiertes Steinzeug im Stile der damaligen Tokoname-Keramik. Tokoname war bereits weiter entwickelt und dominierte daher den Keramikmarkt.

In der Muromachi-Zeit (1336–1573) haben Teemeister die rustikale Ästhetik entdeckt und schätzen gelernt. Daher haben Shigaraki-Keramiken eine lange Tradition. So haben schon die Teemeister Murata Jukô, Sen no Rikyû und später auch Kobori Enshû Keramiken aus Shigaraki in ihren Teezeremonien eingesetzt. Angeblich haben diese Teemeister Keramiken nach ihren Wünschen herstellen lassen. Die daraus resultierenden Stile sind daher nach ihnen benannt.

Den Höhepunkt erreichte Shigaraki-Keramik, als das Tokugawa-Shogunat im Jahre 1632 nur noch Teetöpfe aus Shigaraki für die Lagerung des Uji-Tees zuließ. Doch diese privilegierte Stellung hielt nicht ewig.

Mitte des 17. Jahrhunderts verloren Teekeramiken aus Shigaraki an Bedeutung. Keramik aus Iga und Bizen war nun gefragter und die Öfen reagierten mit der Umstellung auf glasierte Ware. Gleichzeitig wurde der Schwerpunkt wieder auf Haushaltswaren gelegt.

Modernes schwarzes Shigaraki
Modernes schwarzes Shigaraki

Heute sind neben Teekeramiken auch andere Utensilien wie beispielsweise Sake-Sets beliebt. Vor allem die Tanuki-Figuren sind populär und zum Markenzeichen geworden, weswegen sie auch gerne als Mitbringsel und Glücksbringer verschenkt werden.

Tasting Notes: Ambootia Darlongjin

Tasting Notes: Ambootia Darlongjin

Heute möchte ich eine Rarität vorstellen, es ist ein Grüntee aus Ambootia, der auf den Namen Darlongjin hört. Einer der Tea-Taster von TeeGschwendner – Daniel Mack – hat mir freundlicherweise ein Sample davon zur Verfügung gestellt, vielen Dank dafür!

Der Teegarten Ambootia

Die Geschichte des Teegartens Ambootia, der zu Darjeeling gehört, geht auf das Jahr 1861 zurück. Die Plantagen liegen in einer Höhe von 450 bis 1350m, jährlich werden ca. 150 Tonnen Tee hergestellt. Der Teegarten ist Bio-, Fairtrade- und Demeter-zertifiziert.

Ambootia ist nicht nur ein Teegarten, es ist eigentlich eine Unternehmensgruppe, zu der auch andere Teegärten wie beispielsweise Happy Valley gehören. Eine vollständige Liste der zugehörigen Gärten findest du auf der offiziellen Seite.

Kreative Neuentwicklungen

Immer wieder hört man, dass Teegärten in Indien und Nepal sich darin versuchen, asiatische Konzepte auf ihre Tees zu übertragen. Auch die Grüntees aus Darjeeling gehören zu diesen Versuchen, ich gestehe, dass mich bis heute noch kein Grüntee aus Nepal oder Indien überzeugen konnte. Trotzdem finde ich es legitim und sogar wünschenswert, dass solche Versuche durchgeführt werden. Es ist (hoffentlich) nur eine Frage der Zeit, bis die Mühen auch Früchte tragen.

Der Darlongjin

Der kundige Leser hat natürlich schon längst am Namen erkannt, welcher Tee in Ambootia kreiert wurde. Es ist ein Long Jing, der in unseren Gefilden auch als “Drachenbrunnentee” bekannt ist und zu den populärsten chinesischen Tees zählt. Die Blätter eines Long Jing werden in Pfannen geröstet und haben typischerweise eine platte Form. Charakteristisch für einen Long Jing ist der Geschmack von Esskastanien und grünem Spargel. Es stellt sich nun die Frage, ob der Darlongjin geschmacklich in die gleiche Kerbe schlägt oder doch nur die Optik mit seinem großen Bruder teilt.

Tasting Notes: Ambootia Darlongjin
Darlongjin – das Blattgut

Die Blätter

An den Blättern erkennt man die typische platte Form des Long Jing. Es zeigen sich aber auch Unterschiede, denn die Blätter haben weniger Flaum an sich haften und sie unterscheiden sich auch farblich von den Long Jing, die ich in Erinnerung habe.

Aroma

Der Geruch der trockenen Blätter ist sehr intensiv und fruchtig. Auf der einen Seite riecht man sehr deutlich die Röstaromen, auf der anderen Seite eine für Long Jing untypische Frucht, die aber bei Darjeeling-Grüntees häufiger zu finden ist und in Richtung Passionsfrucht (Frau P.) oder Maracuja geht.

In der warmen Shiboridashi verschwinden die deutlichen Fruchtaromen, die Röstaromen gewinnen die Oberhand. Ich denke neben Maronen auch an geröstete Algen (Nori).

Zubereitung

Ich habe für diesen Grüntee relativ hohe Temperaturen zwischen 80 und 90°C gewählt, wobei ich feststellen musste, dass letzteres zu heiß war. Die Ziehzeiten betragen in Sekunden: 60/45/60

Nicht zu heißes Wasser verwenden, dass mag der Darlongjin überhaupt nicht
Nicht zu heißes Wasser verwenden, dass mag der Darlongjin überhaupt nicht

Direkt nach dem Abgießen des ersten Aufgusses rieche ich nochmals die Blätter. Das Aroma ist nochmal anders, viel deftiger als vorher. Frau P. bringt Grünkohl ins Spiel, ich denke eher an gekochte Sellerie, wir einigen uns schließlich auf Gemüseeintopf.

Tasting Notes: Ambootia Darlongjin
Im Geschmack zeigt sich der Darlongjin über vier Aufgüsse erstaunlich vielseitig. Gießt man ihn zu heiß auf, dann kann er auch in Form von Herbe “zicken”. Zunächst zeigt er sich blumig und duftend, aber auch fruchtig und gemüsig. Dann kommt etwas grüner Spargel hinzu, für Frau P. entwickeln sich Aromen, die milchig, sahnig sind und an Matchakäsekuchen erinnern. Ich kann da nicht ganz folgen, aber so unterschiedlich kann die Wahrnehmung sein.

Die Ausgussfarbe ist mehr gelb als grün
Die Ausgussfarbe ist mehr gelb als grün

Am Ende setzt sich dann doch noch der typische Darjeeling-Grüntee-Geschmack durch, er bleibt aber spritzig und fruchtig, manchmal muss ich auch an einen Riesling denken.

Fazit

Der Darlongjin ist definitiv ein feiner Grüntee, der keine bloße Kopie des echten Long Jing ist und auch gar nicht sein möchte. Ich bin ein großer Skeptiker was Grüntees aus Indien und Nepal angeht, daher freut es mich umso mehr, dass mit diesem Tee etwas gelungen ist, was meiner bescheidenen Meinung nach Potenzial hat. Allerdings hat es der Tee dann doch nicht ins Sortiment von TeeGschwendner geschafft. Vielleicht war das Experiment dann doch zu gewagt, um es der breiten Masse zugänglich zu machen. Ich kann mir allerdings gut vorstellen, dass künftig kleine Partien dieses Darlongjin bei anderen Händlern auftauchen werden, die sich gerne auf solche Experimente einlassen. Vielen Dank, lieber Daniel, für diese Probe!

Einführung in die Bizen-Keramik

Einführung in die Bizen-Keramik

Bizen-Keramik  gehört zu den Sechs Alten Öfen Japans.  Das Töpfergebiet liegt westlich von Kyôto in der Präfektur Okayama.  Bekannt ist Bizen-Keramik vor allem für unglasierte Waren mit rotbräunlichem Scherben und markanten Brenneffekten.

Migration in Richtung Westen

Alles fing damit an, dass Töpfer aus der Region des heutigen Ôsaka in Richtung Westen zogen und sich in der Gegend um Inbe niederließen. In diesem Gebiet wurde nachweislich ab dem elften Jahrhundert die Bizen-Keramik gebrannt. Aus diesem Grund kann man den Begriff Inbe auch als Synonym für Bizen gebrauchen.

Archaische Brennmethoden

Zunächst wurde grauschwarze Keramik gebrannt. Die Temperatur betrug 1200 °C bei reduzierter Atmosphäre. Erst mit dem anagama konnten höhere Temperaturen erreicht werden und die Brennatmosphäre änderte sich in Richtung Oxidationsbrand. Typisch für diesen Ofentyp sind natürlich glasierte Waren, die über eine Ascheanflugglasur verfügen.

Der Einfluss der Teekultur

Auch die Teemeister entdeckten Bizen-Keramik für ihre Zwecke. Als man anfing, japanische Keramiken in die Teezeremonie zu integrieren, griff man auf natürlich glasierte Keramiken wie Bizen und Shigaraki zurück. Allerdings waren dies zunächst Objekte wie Frischwassergefäße und Vasen. Dadurch wurden die Keramiken in Kennerkreisen populär.

Einflussreiche Mäzen unterstützten ausgewählte Familien

Später wurden die Töpfer von den politischen Eliten gefördert. Dadurch konnten sich die Töpfer voll auf ihre Arbeit konzentrieren, die Qualität stieg und es wurden verschiedene Alltagskeramiken über den Land- und Seeweg in ganz Japan vertrieben. Es entstanden neue Stile und verfeinerte Techniken, die noch immer auf ein rustikales Erscheinungsbild abzielten.

Japans Abkehr von der eigenen Tradition

In der Meiji-Zeit  (1868-1912) gerieten die Töpfer in eine schwere Krise. Die Nachfrage sank, weil industriell gefertigtes Porzellan zu viel günstigeren Preisen den Bedarf an Gebrauchskeramik sättigte. Viele Betriebe wurden stillgelegt. Rustikale Keramiken wurden weniger nachgefragt, weil westliche Werte den Geschmack jener Zeit bestimmten. Erst im 20. Jahrhundert wurde die Tradition wiederbelebt und alte Öfen wieder in Betrieb genommen oder neue gebaut. Die Rückbesinnung auf das “ursprüngliche Japanische” führte wieder zu einer steigenden Nachfrage. Heute werden neben Teekeramik Blumengefäße und Essgeschirr hergestellt.

Eisenhaltiger Ton muss es sein

Für das typische Erscheinungsbild ist ein eisenhaltiger Ton (Eisengehalt 3%) verantwortlich, den man in Japan tatsuchi nennt. Dieser wurde zunehmend ab dem Ende des 16. Jahrhunderts eingesetzt und ist für den rotbraunen Farbverlauf verantwortlich. Der Ton befindet sich unter Reisfeldern, er ist besonders plastisch, weil der Anteil organischer Bestandteile besonders hoch ist. Zwei weitere Tonarten werden heute eingesetzt. Der eine ist sandhaltig (yamatsuchi) und der andere noch plastischer (kurotsuchi). Die Töpfer mischen sich daraus ihren eigenen Ton entsprechend ihren Bedürfnissen und Erfordernissen.

Zufällige Brenneffekte

Im 16. Jahrhundert war Teekeramik besonders gefragt, weswegen in ganz Japan in verschiedensten Regionen Keramiken für die Teezeremonie gebrannt wurden. So ist es auch zu erklären, dass zu der Zeit der großen Nachfrage verschiedene Brenneffekte durch bloßes Experimentieren entdeckt wurden. Diese Effekte wurden und werden damals wie heute von Kennern geschätzt.

Gebrannt wird normalerweise in anagama oder noborigama. Der Zeitraum kann bis zu zwei Wochen betragen. Dabei werden Temperaturen von bis zu 1250 °C erreicht. Diese Temperatur ist zu niedrig, als dass die Aschepartikel vollständig schmelzen könnten. Die Partikel ergeben ein natürliches Dekor, welches vor allem optisch interessant ist. Weitere Brenneffekte ergeben sich durch die Position im Brennofen. Mit viel Erfahrung kann der Töpfer die Effekte vorausahnen. Ein Moment des Zufalls bleibt aber immer erhalten. Dadurch wird aus jedem Stück ein Unikat.

Bizen-Keramik Hôhin mit goma-Effekt
Bizen-Keramik Hôhin mit goma-Effekt

goma: Asche, die ab 1240°C schmilzt und eine gelbliche Glasur hinterlässt, die an Sesam erinnert.

Bizen Keramik Chawan mit sangiri-Effekt
Bizen-Keramik Chawan mit natürlichem sangiri-Effekt

sangiri: Metallisch graublaue Färbung, die zufällig durch Reduktion entsteht, wenn das Objekt beispielsweise mit Asche bedeckt ist. Es kann forciert werden, wenn Kohle während des Brandes in der Nähe der Utensilien platziert wird.

Bizen-Keramik Chawan mit botamochi-Effekt
Bizen-Keramik Chawan mit botamochi-Effekt

botamochi: Flecke ohne Aschenflug, die durch eine Abdeckeckungstechnik entstehen.

Bizen-Keramik mit hi-iro
Bizen-Keramik mit hi-iro

hi-iro: Glänzende rote Flächen, die an die Farbe von Glut erinnern, nennt man hi-iro (Feuerfarbe)

Jenseits der japanischen Prominenz: Yamato-cha

Jenseits der japanischen Prominenz: Yamato-cha

Die Anbauregion Yamato liegt in Zentraljapan in der Präfektur Nara und steht ein bisschen im Schatten der größeren Anbauregionen Japans wie Uji oder Shizuoka. Dabei hat Tee in Nara eine lange Geschichte vorzuweisen und gedeiht im kühlen Klima sehr gut, weswegen Nara an sechster Stelle der produktionsstärksten Präfekturen liegt.

Die Provinz Yamato

Vor langer langer Zeit (ca. 3. bis 8. Jahrhundert) wurde Japan von der Provinz Yamato regiert, in der die Herrscherfamilie lebte. Yamato heißt übersetzt “Großer Frieden”, es wird häufig als kulturelles Kernland bezeichnet, weil in dieser Region (Nara & Kyôto), viele alte Bauten und Tempelanlagen entstanden. Daher steht Yamato sinnbildlich für Japans Tradition, verkörpert die Idee eines ur-japanischen Reichs mit eigener Mentalität, die leider auch nationalistische Züge annehmen kann. Das bekannteste Beispiel dafür ist das Kriegsschiff Yamato, welches im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Tempelbezirk in Nara
Tempelbezirk in Nara

Die Anbauregion

Yamato-Cha wird in einer Region angebaut, in der das Yamato-Plateau im Zentrum liegt. Es gibt jedoch auch andere Bezeichnungen, unter denen der Tee vertrieben wird. Dazu gehören Tsukigase-cha, Fukuzumi-cha, Yagyû-cha und Yamazoe-cha.

Als Cultivare finden neben Yabukita auch Meiryoku, Okumidori und die aus Samen gezogene Yamatomidori Verwendung. Aus diesem Grund gehört Yamatomidori zu den japanischen Zairai-Cultivaren.

Die Geschichte

Die Geschichte des Yamato-cha beginnt mit der Rückkehr japanischer Mönche, die im Jahre 806 aus China Samen mitbrachten. Im Butsuryû-ji soll sich sogar noch eine alte Handmühle aus dem China der Tang-Dynastie (618-907) befinden. Die mitgebrachten Samen wurden im Teegarten der Tempelanlage angepflanzt, die somit den Ursprung des Yamato-cha bilden.

Verkostung

Diesen Tee habe ich vor Jahren von einer guten Freundin aus Nara mitgebracht bekommen. Es handelt sich um eine Hausmischung eines ansässigen Teegeschäfts. Der Bezeichnung zufolge handelt es sich um einen Sencha gehobener Qualität (Jô).

Yamato-cha
Yamato-cha
Aussehen

Die Blätter sind dunkelgrün und stammen aus erster Ernte. Ich erkenne zwar viele Nadeln, es ist aber auch ein bisschen Blattbruch dabei. Ich tippe auf eine mittellange Bedämpfungszeit.

 

Aroma

Nach dem Öffnen der Tüte bin ich überrascht. Das ist ein ungewöhnlicher Duft. Zuerst denke ich an eine Fremdkontamination (Kunststoff?), merke aber dann, dass der Duft doch zum Blatt gehört, kann ihn aber nur schwer einordnen. Frau P. denkt an Zeltplane, ich finde, dass der Duft maritim ist. Nicht so algig wie die meisten anderen Sencha, es ist ein anderer Duft, der im erhitzten Zustand noch deutlicher wird.

An der Nordsee, wenn der Seetang von den Wellen an Land gespült wird, riecht es ähnlich. Es ist ein intensives Aroma, das nur unterschwellig an den Duft frischer Grünteeblätter erinnert. Dazu kommt ein Hauch von Jod.

Yamato-cha

Geschmack

Gebrüht wird nach der Methode für hochwertige Grüntees. Beim ersten Aufguss kommt eine deutliche Umami-Note zum Vorschein. Sie ist eng verwoben mit einer außergewöhnlichen Algigkeit. Häufig kommt im Sencha ein feiner Nori-Geschmack (geröstete Alge) vor. Hier ist das anders. Es ist viel maritimer. Die Viskosität ist ölig und der Saft hinterlässt einen feinen Film auf der Zunge, der nach kurzer Zeit eine frische Süße hervorbringt.

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Nach dem zweiten Abgießen ist der Geschmack deutlich einfacher. Umami ist deutlich reduziert und der Yamato-cha ist spritzig und feinherb, ein bisschen wie naturtrüber Apfelsaft vom Alten Land.

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Nun nimmt die Süße richtig Fahrt auf. Die Alge muss der Artischocke weichen. Zwei weitere Runden macht der Tee noch mit. Erfreulicherweise zeigt sich der von mir so begehrte fruchtige Teegeschmack, den ich bisher nur zwei Mal schmecken durfte, doch noch. Das ist ein toller und überraschender Ausklang.

Fazit

Dieser Yamato-cha war in vielfacher Hinsicht etwas Besonderes. Vor allem die Wandlungsfähigkeit und der maritime Charakter haben mich sehr überrascht. Es ist vermutlich ein Tee, der Einsteigern weniger schmecken wird, da er für den ungeübten Gaumen einen Tick zu ungewöhnlich ist. Japantee-Kennern möchte ich den Tee ans Herz legen, wenn sich eine Gelegenheit für sie ergibt. Vielen Dank, liebe Mito, dass du uns diesen Tee mitgebracht hast.

Übrigens: Wenn du demnächst etwas im Shop bestellst, bekommst du eine Probe dieses Tees gratis dazu. Natürlich nur solange der Vorrat reicht.

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Seto-, Oribe- und Mino-Keramik: eine Einführung

Seto-, Oribe- und Mino-Keramik: eine Einführung

Wenn du anfängst dich mit japanischer Keramik auseinanderzusetzen, dann wird du eines Tages auf Mino- und Seto-Keramik (jap.: Mino-yaki 美濃焼, Seto-yaki 瀬戸焼) stoßen. Mino und Seto beschreiben keinen Stil, sondern eine ehemalige Provinz bzw. Region. In Japan ist es nämlich üblich, Keramiken nach ihrer regionalen Herkunft zu bezeichnen. Ziel dieses Artikels ist, dir einen Überblick über die Geschichte und Stile der Mino- und Seto-Keramiken zu geben. Um den Umfang des Artikels nicht zu strapazieren, wird an dieser Stelle Shino-Keramik als Teil von Mino bewusst ausgelassen, da Shino einen eigenen Beitrag verdient.

Wo alles begann

Man kann Mino-Keramik nicht völlig isoliert von Seto-Keramik betrachten. Denn die heutige Stadt Seto ist nur einen Steinwurf von der ehemaligen Provinz Mino entfernt. Streng genommen werden sie sogar nur durch einen Gebirgspass getrennt und haben sich im Laufe der Jahrhunderte stets gegenseitig beeinflusst. Beiden wird von Forschern wie Cort eine Schlüsselrolle in der japanischen Keramik-Entwicklung zugesprochen. Mino wurde zusammen mit der ehemaligen Provinz Hida im Jahre 1876 zur heutigen Präfektur Gifu vereint.

Von großer Bedeutung ist die zentrale Lage, die es den Öfen ermöglichte, die Nachfrage von Zentral-Japan und somit Ballungsgebiete und die kulturelle Hochburg Kyôto zu bedienen, was sich besonders in der Entwicklung von Tee-Keramiken widerspiegelt, die den ästhetischen Normen entsprechend hergestellt wurden.

Die vorteilhafte Lage

Südwestlich liegen die Städte Nara, Kyôto, Ôsaka und Sakai in einer Entfernung von ca. 130km Luftlinie. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Stadt Nagoya. Die Seto- und Mino-Öfen waren aber nicht die einzigen in der Region. Der Ballungsraum von Kyôto bis Sakai lag in Nachbarschaft zu den Tanba- und Shigaraki-Öfen, etwas weiter im Westen lagen bereits die Öfen von Bizen. Südlich von Nagoya wurden in Tokoname ebenfalls Keramiken gebrannt. Allerdings wurde in keinem der vier Töpferzentren glasierte Keramik hergestellt. Diesem Umstand verdankten die Seto- und Mino-Öfen ihre exklusive Stellung in der Region.

Fokus auf den Zeitgeist

Außerdem verstanden es die Töpfer, auf Trends der Zeit zu reagieren, daher lassen sich Imitationen bzw. Variationen von anderen populären Keramiken wie Iga, Bizen und Karatsu finden, von denen letztere eine große Ähnlichkeit zu weißen Shino-Keramiken aufweisen.

Zusammenfassung der Entwicklungsgeschichte

Der technologische Ursprung beider Töpferzentren liegt in der Sue-Keramik begründet, die zwischen dem 4. und 5. Jahrhundert eingeführt wurde. Die Töpfer der Sanage-Öfen entdeckten Mitte des 8. Jahrhunderts die erste japanische Glasur. Dieses Alleinstellungsmerkmal hielt nicht lange, denn die Technik verbreitete sich im 9. Jahrhundert bis hin zur östlichen Mino-Provinz.

China-Importe machten den Töpfern das Leben schwer

Obwohl diese glasierten Keramiken zunächst an Popularität gewannen, nahm ihre Beliebtheit rasch wieder ab, da der Bedarf an Luxusartikeln durch China-Importe gedeckt wurde. Die Öfen reagierten infolgedessen mit der Massenproduktion von unglasiertem Alltagsgeschirr.

Konzentration auf China-Imitate

In Seto wurde eine neue Glasur entwickelt. Bis ins 15. Jahrhundert produzierte man ausschließlich in Seto glasierte Keramiken, häufig nach chinesischem Vorbild. Man versuchte grüne Seladone und Jian-Teeschalen zu imitieren, die Resultate wichen allerdings deutlich von ihren Vorbildern ab. Nichtsdestotrotz konnten sich nur die wohlhabenden Bürger Japans diese Imitate leisten – ein Zustand, der bis ins 16. Jahrhundert anhielt.

Teekultur brachte neue Keramiken hervor

Im 14. und 15. Jahrhundert nahm durch den Einfluss der Teekultur der Anteil von Teeutensilien zu, die besonders im Westen, in Kyôto, Nara, Hakata und Sakai vertrieben wurden.

Die Mino-Öfen erstreckten sich über ein Gebiet, das heute durch die Städte Tajimi, Toki und Mizunami abgedeckt wird. Die Öfen im östlichen Mino brannten bereits im frühen 15. Jahrhundert glasierte Keramiken im Seto-Stil. Am Ende des 15. Jahrhunderts wurden die Produktionsmenge und die Ofenzahl von Seto gar übertroffen.

Im 16. Jahrhundert war die Produktpalette aus Mino und Seto weitestgehend identisch. Erst im späten 16. Jahrhundert widmete man sich in Mino neuen Glasuren und Formen. Die Seto-Töpfer zogen wegen der größeren Aktivität und der sichereren geographischen Lage schließlich nach Mino.

Gattungsbezeichnungen

Der Begriff setomono (Seto-Waren) stammt vom Dorf Seto, welches den Mittelpunkt der Ofen-Gruppe bildete. Heute bezeichnet man die frühen glasierten Keramiken vom 12.–15. Jahrhundert, die einen starken chinesischen Einfluss aufweisen, als ko-Seto (altes Seto). Ein Grund für die Weiterverwendung des Gattungsbegriffs Seto im 16. und 17. Jahrhundert in Mino kann auch die bereits etablierte Reputation dieser Ware in den vergangenen Dekaden sein, die durch die Zugehörigkeit der Region zu Oda Nobunaga (1534–1582) verstärkt wurde.

Unter der Tokugawa-Herrschaft wurden die Mino-Öfen mit denen aus Seto fusioniert und unter dem bereits etablierten Namen weitergeführt. Erst im 20. Jahrhundert wurde diese Einteilung revidiert und den Innovationen, die aus den Mino-Öfen hervorgingen, Rechnung getragen. 1930 entdeckte Arakawa Toyozô (1894– 1985) eine weiße Shino-Teeschale in der ehemaligen Mino-Region. Anschließende Untersuchungen zeigten einen Zusammenhang zwischen Mino und den neuen Glasuren der Momoyama-Zeit, wie z.B. Shino, auf. Aber erst seit der späten Shôwa-Zeit (1926–1989) wird Mino-Keramik als eigenständige Gattung anerkannt.

Wie eigentlich alle in Mino produzierten Waren, nannte man auch Oribe-Keramik zum Zeitpunkt ihrer Entstehung Seto-Keramik. Takeuchi Jun’ichi macht die erste schriftliche Quelle, die Oribe als Namensgeber adaptiert, erst 55 Jahre nach Oribes Tod aus. Etabliert hat sich diese Bezeichnungsweise in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Gelbes und Schwarzes Seto

Eine begriffliche Unterscheidung zwischen Mino und Seto fand bis in die jüngste Zeit nicht statt. Vielmehr machen die Begriffe Seto-guro (schwarzes Seto) und ki-Seto (gelbes Seto) deutlich, dass die Märkte Mino-Keramiken als einen Zweig der lange bekannten Seto-Öfen ansahen, obwohl diese nicht in den umliegenden Öfen der Stadt Seto produziert wurden.

Gelbes Seto entstand bei dem Versuch, grünes Seladon aus China zu imitieren. Die typisch grüne Farbe wollte nicht gelingen, stattdessen entstand eine gelbliche Glasur, die später mit grünen Tupfern dekoriert wurde. Es folgt ein Bild eines modernen ki-Seto Teebechers, hier findest du ein Foto eines historischen Originals.

ki-Seto Teebecher
Modernes Gelbes Seto (ki-Seto)

 

Mit Seto-guro ist ein Typ von schwarzen Teeschalen gemeint, die bereits in der frühen Phase der Momoyama-Zeit (1573–1615) hergestellt wurden. Auffällig ist, dass im Gegensatz zu ki-Seto ausschließlich Teeschalen in diesem Stil hergestellt wurden, jedoch keine Teller, Vasen oder Essgeschirr. Die schwarze Glasur wurde durch das Herausziehen der Teeschale während des Brandes erzielt, eine Technik, die ich bei Raku bereits vorgestellt habe.

 

Moderne Interpretation einer Seto-guro Chawan von Andrzej Bero
Moderne Interpretation einer Seto-guro Chawan von Andrzej Bero

 

 

Oribe-Keramik

Der Einfluss Furuta Oribes

Oribe-Keramik (Oribe-yaki) ist eine Edo-zeitliche (1615–1868) Bezeichnung für Teeschalen, von denen man dachte, dass sie Furuta Oribe (1544–1615) gefallen haben, weswegen ihm sogar von einigen Autoren ein direkter Einfluss auf die Entstehung dieser Keramikgattung nachgesagt wurde. Bereits 1976 räumte der Oribe-Experte Takeuchi Jun’ichi ein, dass das wahre Ausmaß dieses Einflusses unbekannt sei.

Furuta Oribe
Furuta Oribe

Furuta Oribe war Samurai, später daimyô und Teemeister und stammte gebürtig aus Mino. Er diente den drei militärischen Führern Oda Nobunaga (1534–1582), Toyotomi Hideyoshi (1536–1598) und Tokugawa Ieyasu (1543–1616) und beging im Jahre 1615, vermutlich wegen eines gescheiterten Komplotts gegen das Tokugawa-Regime, rituellen Selbstmord.

Es ist bekannt, dass Oribe eine Vorliebe für extrem asymmetrische Teeschalen hegte, die von manchen seiner Zeitgenossen als Fehlbrände klassifiziert wurden. Da an seinem Wohnort bei späteren Ausgrabungen unten erwähnte Keramiken gefunden wurden, ging man von einem Zusammenhang aus. Oribe war nach Rikyûs Tod der Teemeister von den Regenten Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu und setzte sich für einen liberalen Teestil ein, in dem alles erlaubt sei.

Die Vielfalt der Oribe-Keramik

Oribe-Keramik ist sehr vielfältig und es gibt diverse Begriffe, um die Stile voneinander zu unterscheiden. Zu den markantesten Stilen gehört das grün glasierte ao-Oribe, welches kreative Dekore auf hellem Untergrund tragen kann. Die grünen Oribe-Variationen gingen in ihrer Entwicklung aus den oben erwähnten ki-Seto-Keramiken hervor.

ao-Oribe kyûsu
Modernes ao-Oribe in Form einer Kanne
Oribe-guro (einfaches schwarzes Oribe)

Oribe-guro sind stark deformierte und asymmetrische schwarze Teeschalen. Dieser Teeschalen-Typ hatte im oben erwähnten Seto-guro einen Vorläufer. Typisch für Oribe-guro sind die fast dreieckigen Formen, die im Japanischen als kutsugata (Schuhform) bezeichnet werden. Oribe-guro trägt immer eine schwarze Glasur ohne Dekore und steht damit in einer Reihe mit schwarzem Raku und Seto-guro.

Oribe-guro Chawan
Oribe-guro kutsu-Chawan
Kuro-Oribe (dekoriertes schwarzes Oribe)

Dies ist letztlich eine Variation von ao-Oribe, denn anstelle der grünen Glasur wird einfach nur eine schwarze Glasur verwendet. Die Dekore werden häufig auf hellem Untergrund aufgetragen, z.B. schwarzes Dekor auf weißem Untergrund. Es gibt jedoch auch Beispiele für Teeschalen, die ein weißes Dekor auf schwarzem Hintergrund tragen. Das Ausmaß der Asymmetrie fällt selten so stark aus wie bei den extremen Oribe-guro, was auch darin begründet liegt, dass es schwerer ist, auf stark verkrümmten Flächen ein Dekor zu zeichnen.

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-Oribe (grünes Oribe)

Grünes Oribe wurde im 16. und 17. Jahrhundert für viele Alltagsgegenstände verwendet. Dabei wird das komplette Gefäß in die grüne Kupfer-Glasur getaucht, bei Chawan kann der Fußring unglasiert bleiben. Da eine grüne Chawan in Verbindung mit Matcha nur wenig farblichen Kontrast bietet, verwundert es nicht, dass Reisschalen und andere kleine Behälter für japanische Beilagen populärer sind.

Narumi-Oribe (dekoriertes mehrfarbiges Oribe)

Bei Narumi-Oribe wird ein weiterer farblicher Effekt erzielt, indem neben weißem auch roter Ton verwendet wird. In Verbindung mit der grünen Glasur und einem passenden Dekor entstehen dadurch farblich kontrastreiche Keramiken, die häufig  für Beilagenschälchen verwendet wurden.

Modernes ao-Oribe von Ryuji Hodaka
Modernes Oribe von Ryuji Hodaka
Weitere Oribe-Arten

Neben diesen prominenten Vertretern gibt es noch welche, die heute weniger bekannt sind. Der Vollständigkeit wegen, werden sie kurz genannt. Aka-Oribe (rotes Oribe) besteht ähnlich wie narumi-Oribe hauptsächlich aus rotem Ton und trägt ebenfalls die bekannten Dekore.

Shino-Oribe (weißes Oribe) ähnelt sehr stark normaler Shino-Keramik, die Feldspat-Glasur ist weiß, glatter und filigraner als bei herkömmlichem Shino. Während es bei Shino begehrte rötliche Flammenspuren (hi-iro) gibt, bleiben diese bei Shino-Oribe aus. Wenn auf der Glasur noch ein Dekor aufgebracht wird, zählt man das Stück zu e-Oribe (dekoriertes weißes Oribe).

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Wie Darjeeling vor 15 Jahren: Guranse First Flush

Wie Darjeeling vor 15 Jahren: Guranse First Flush

Auch heute geht es wieder um Nepal-Tee, nur einen Steinwurf entfernt von Jun Chiyabari, um den es im letzten Artikel ging, liegt nämlich Guranse. Auch dieser Garten, dessen höchster Punkt fast 2200 Meter über dem Meeresspiegel liegt, ist zu 100% Bio-zertifiziert. Das sind beste Voraussetzungen für hocharomatische Tees, die auch das begehrte Muskatel-Aroma hervorbringen.

Lage und Produktionsvolumen
Dieser Garten ist nach Angaben von Henning Schmidt fast doppelt so groß wie Jun Chiyabari und produziert ca. 50t Tee im Jahr. Es wird überwiegend mit Darjeeling-Clonals gearbeitet. Weißer und Grüner Tee wird zwar angebaut, jedoch ist Schwarztee eindeutig das Hauptzugpferd dieses Gartens.

Wie Darjeeling vor 15 Jahren
Der hauptverantwortliche Tea Maker Andrew, der zuvor im benachbarten Jun Chiyabari und auch in Darjeeling reichlich Erfahrungen sammeln durfte, konzentriert sich auf qualitativ hochwertige Tees, die Darjeeling aus den Augen verloren hat. Über den “Grünen Trend”, der First Flush Darjeeling immer grüner werden lässt, habe ich zuvor berichtet. Dieser Tee soll noch so wie Darjeeling vor 15 Jahren schmecken.

Soziale Verantwortung
Auf der eigenen Internetseite wirbt Guranse außerdem mit der Unterstützung der älteren Menschen, die sich nicht mehr selbst versorgen können. Man kann nur hoffen, dass sie diese Hilfe auch in diesen schweren Zeiten der Erdbebenkatastrophe aufrechterhalten können.

Nepal Guranse Excellent Tips G24 Bio (2014) – 17,90 EUR / 100g
Der vorliegende Tee ist ein First Flush mit der Invoice-Nummer 24 (24. Pflückdurchgang, mehr dazu bei Tee-Fokus), es ist daher ein recht junger Tee des letzten Jahres und eine sehr begrenzte Charge. Solche kleinen Chargen kann man auch mit Single Barrel Whisky vergleichen, die immer ein bisschen anders ausfallen. Manche müssen mit anderen “geblendet” werden, weil sie für sich alleine zu wenig Tiefe haben, andere sind außergewöhnlich gut und können zu einem entsprechenden Preis auf den Markt gebracht werden, wie eben dieser Guranse.

Zubereitung
Zubereitet wird dieser Tee nach der Methode für hochwertige Schwarztees.

Wie Darjeeling vor 15 Jahren: Guranse First Flush
Guranse First Flush 2014

Blatt
Die Blätter haben wirklich einen sehr hohen Tip-Anteil (junge Blattspitzen, die durch ihre Helligkeit und ihren Flaum auffallen). Das Blatt ist voluminös und nicht so dunkel wie ich es erwartet hätte. Verglichen mit einem richtigen Schwarztee ist der Guranse noch immer deutlich heller, auch wenn er nicht so hell ist wie ein First Flush aus Darjeeling oder Nepal.

Aroma
Dieser First Flush kommt sehr frisch daher, Spuren von Apfel drängen sich auf und werden begleitet von Brotkruste, Gewürzen und Süßholz. Die Brotkruste ist so süß, dass es auch Brioche sein könnte.

Guranse First Flush 2014
Guranse First Flush 2014

In der warmen kyûsu wandelt sich das Aroma. Es ist jetzt deutlich fruchtiger aber auch schwerer. Eine Mischung aus Orangen und Ingwer erfreut die Nase.

Guranse First Flush 2014

Geschmack
Den fortgeschrittenen Oxidationsgrad erkennt man nicht nur an der Farbe des Aufgusses, auch im Geschmack kommt er reifer und würziger als ein moderner First Flush daher. In der Nase hält sich die Brotkruste. Der Tee macht Spaß.

Guranse First Flush 2014

Der zweite Aufguss ist etwas leichter und frischer, die Aromen sind schwer zu entschlüsseln, am deutlichsten kommt Grüner Spargel durch. Die zweite Tasse ist immer noch sehr aromatisch voller ätherischer Öle.

Guranse First Flush 2014

Auch einen dritten Aufguss macht der Guranse mit und hat noch immer einen schönen Körper. Die pflanzliche Süße ist sehr deutlich. Ja, das könnte ebenfalls ein Darjeeling sein, keine Frage.

Guranse First Flush 2014

Oxidationsgrad
An den Blättern kann man die fortgeschrittene Oxidation deutlich erkennen. Nach meinem Verständnis wäre das noch immer ein Oolong, aber die Klassifizierung erfolgt wohl auch aus Traditionsgründen.

Fazit
Ich kann nicht beurteilen, wie Tee aus Darjeeling vor 15 Jahren ausgesehen hat, aber dieser ist deutlich dunkler als der heutige Trend, was mir wirklich gut gefällt. Obwohl ich auch einigen helleren Varianten etwas abgewinnen kann, freut es mich, dass es (wieder?) Alternativen dazu gibt, die schmecken. Wer sich für diesen Tee interessiert, findet ihn hier. Ich bedanke mich für die Bemusterung!

Der Shop zum Blog
Seit dem 23.05. ist der Shop zum Blog online. Du bist herzlich eingeladen, nach einem passenden Utensil für dich zu suchen. Und wenn du über Neuigkeiten informiert bleiben möchtest, dann trage dich doch in den Newsletter ein.
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Auf der Suche nach dem eigenen Nepal-Charakter: Jun Chiyabari

Auf der Suche nach dem eigenen Nepal-Charakter: Jun Chiyabari

Nepal kann nicht nur gute Darjeeling-Alternativen produzieren (siehe letzter Blog), einige Produzenten wie der Garten Jun Chiyabari bringen so viel Leidenschaft und Experimentierfreudigkeit mit, dass sie Tees kreieren möchten, die sich nicht nur von Darjeeling unterscheiden, sondern einen eigenen Nepal-Charakter aufweisen.

Leider muss ich mich heute im Voraus für die schlechte Bildqualität entschuldigen. iPhoto hat es tatsächlich geschafft, beim Importieren alle heute gemachten Fotos zu löschen und sie nicht in die Datenbank zu speichern. Somit musste ich auf die Handy-Fotos zurückgreifen, die qualitativ deutlich abweichen.

Leidenschaft schlägt Tradition
Henning Schmidt vom Hamburger Teespeicher war zuletzt in Nepal und Darjeeling. Daher habe ich ihn am Freitag besucht, um ein bisschen über Nepal zu plaudern. Dabei kamen wir auf einen von Nepals Vorzeigegärten zu sprechen: Jun Chiyabari. Dieser recht junge Garten wurde von zwei Brüdern im Jahre 2001 gegründet und hat eine vergleichsweise kurze Geschichte. Die beiden Brüder Lochan und Bachan sind zwei Unternehmer, die in Darjeeling im Internat aufwuchsen und in so ziemlich allen Geschäftsfeldern aktiv waren – bis auf Tee. Im Jahre 2000 schwelgten sie in nostalgischen Erinnerungen (das Internat war umgeben von Teefeldern) und beschlossen, dem Teeanbau, den sie in Darjeeling ganz nebenbei als Tee-Enthusiasten kennengelernt haben, in Nepal eine Chance zu geben. Ganz schön mutig, so ganz ohne Erfahrung im Teeanbau.

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Lage und Größe
Der biozertifizierte Teegarten liegt 200km von Kathmandu entfernt im Dhankuta-Distrikt. Darjeeling ist mit 65km viel näher. Die Pflanzen werden in einer Höhe von 1600-2000m angebaut, es handelt sich also um einen richtigen Hochland-Tee. Die Jahresproduktion beträgt schätzungsweise 25t bei ca. 25-30ha, von den umliegenden Teebauern werden allerdings weitere Teeblätter nach eigenen Vorgaben hinzugekauft, der Anteil beträgt sogar 40%.

Der Weg ist das Ziel
Die beiden Brüder setzen auf erfahrene Tea-Maker, die zuvor jahrelang in Darjeelings Gärten Erfahrungen gesammelt haben und sich in Japan und Taiwan weiterbilden. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in den verwendeten Cultivaren wider, man scheint in Zukunft auf sich voneinander stark unterscheidende Spitzentees setzen zu wollen, was ihnen schon jetzt gelingt. So werden beispielsweise neben japanischen Yabukita- und Zairai-Cultivaren auch taiwanesische (z.B. Si Ji Chun) und ältere nepalesische eingesetzt. Laut Henning Schmidt experimentiere man sogar mit Schattentees und möchte in Zukunft Matcha herstellen.

Die beiden Brüder sind mittlerweile 15 Jahre im Teegeschäft. In dieser kurzen Zeit haben sie gezeigt, was möglich ist, wenn man mit Ehrgeiz und Leidenschaft arbeitet. Ihre Tees sind überall zu finden, wo Qualität eine Rolle spielt und sie werden nicht müde, immer wieder Neues auszuprobieren. Dem Garten und seinen Mitarbeitern geht es übrigens den Umständen entsprechend gut.

Jun Chiyabari Imperial Black 19,95 EUR / 100g
Der Name leitet sich von einer etwas zweifelhaften Geschichte ab, wonach der chinesische Kaiser dem Königreich Nepal Teepflanzen nach einem verlorenen Krieg geschenkt habe. Von jenen Pflanzen soll dieser Tee stammen.

Zubereitung
Zubereitet wird dieser Tee nach der Methode für hochwertige Schwarztees.

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Blatt
Die Blätter sind sehr voluminös und tiefdunkel. Goldene Tips setzen einen schönen Akzentpunkt und sorgen für einen ansprechenden Kontrast. Natürlich muss man als Teetrinker gleich an Schwarztees aus Yunnan denken, die in zahlreichen Formen daherkommen. Die Macher haben bei dieser Kreation aber ausdrücklich nicht daran gedacht, einen Yunnan-Tee zu imitieren.

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Aroma
Die dunklen Blätter riechen im ersten Augenblick nach Waldmeister, ein Geruch, den ich aus meiner Kindheit kenne. Da gab es diesen einen Augenblick, als mein Onkel mich in eine polnische Eisdiele führte, in der noch das Eis frisch vor Ort zubereitet wurde. Nie wieder habe ich diesen intensiven Duft beim Betreten einer Eisdiele vernommen wie damals. Und immer wenn ich an Waldmeister-Eis rieche, überkommt mich diese Erinnerung.

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Was kommt da noch? Dunkle Brot- und Kuchenkruste, dazu ein leicht nussiger Duft und vielleicht auch ein bisschen Honig? Nach dem ersten Aufguss gewinnen Kakao und Fliederbeeren klar die Oberhand. Die Vorfreude nimmt zu.

Geschmack
Der erste Aufguss hat viele verschiedene Facetten zu bieten. Da wäre zunächst Kakao und Malz. Man könnte auch an Assam denken, aber es fehlt die Würze. Eine leichte Süße breitet sich im Mund aus und die Kuchenkruste macht sich bemerkbar.

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Beim zweiten Aufguss sind die Aromen etwas dezenter. Kakao ist jetzt nicht mehr so dominant, ich denke da eher an Kakaocreme, also eine abgeschwächte Form, die auch irgendwie zum Mundgefühl passt. Jetzt zeigt sich auch die Nussigkeit, ehe im Abgang der Imperial Black nochmals mit einer schönen Portion Feuchtigkeit erfrischt.

Einer geht noch. Der Schwarztee ist jetzt süffig, die Fliederbeeren sind jetzt das erste Mal richtig deutlich zu schmecken. Vielleicht wurden sie vorher auch nur von anderen Aromen überlagert? Der erfrischende Nachgeschmack erinnert mich wieder an Zitronentee – ein schöner Ausklang.

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Fazit
Das Rad neu erfinden tut Jun Chiyabari mit Sicherheit nicht. Und dennoch ist es ein Tee, der für hochwertige Assam-Liebhaber und Yunnan-Trinker gleichermaßen interessant sein könnte. Und wem Assam-Tee sonst einfach zu stark ist, die feine malzige Note aber sehr zusagt, der kann sich ebenfalls an diesem Tee versuchen. Es ist schön zu sehen, dass es einen Ort in Nepal gibt, der abseits vom Mainstream neue Wege einschlägt. Daher werde ich Jun Chiyabari mit Sicherheit aufmerksamer verfolgen, sie haben übrigens auch einen Twitter und Facebook-Auftritt! Vielen Dank, lieber Henning für diese feine Probe. Wenn auch du dich für diesen Tee interessierst,  findest du ihn im Online-Shop vom Hamburger Teespeicher.

Auch nächste Woche geht es weiter mit einem Nepalesen, nur einen Steinwurf entfernt von Jun Chiyabari.

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