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Frühlingstee: Darjeeling Risheehat DJ4 2013

Frühlingstee: Darjeeling Risheehat DJ4 2013

Ich finde die Idee schön, mit den Jahreszeiten zu leben. Wenn man so will, dann hat jede Jahreszeit ihren saisonalen Tee. Selbst im Winter wird z.B. auf Taiwan Tee gepflückt und verarbeitet. Meinem inneren Tee-Kalender zufolge beginnt die Saison allerdings immer mit einem Darjeeling. Eine frühe Pflückung bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Tee gut ist, dennoch vermögen Darjeelings aus dieser Erntezeit, besondere Charakteristika zu entwickeln. Ihr grünes Blatt lässt zunächst an Grüntee denken, obwohl sie doch eigentlich zu den Schwarztees zählen. Sie ergeben einen sehr viel helleren Aufguss und unterscheiden sich von den folgenden Tees aus der Sommerpflückung. Im Januar habe ich schon einige Erklärungsversuche zu diesem Phänomen gegeben. Akira Hojo hat sich diesem Thema in seinem Blog erneut befasst: dieser Trend beruhe ihm nach einerseits auf der hohen Nachfrage Japans und andererseits solle das Blatt dadurch frischer aussehen. Streng genommen sei der grüne Darjeeling kein echter Schwarztee. Der Grund für die weniger starke Oxidation ist, dass die Blätter länger welken dürfen und der Wassergehalt der Blätter mehr als sonst reduziert wird. Das hat Einfluss auf die Oxidation, denn weniger Wassergehalt führt zu weniger Oxidation und somit zu geringerer Färbung. Aus diesem Grund werden die First Flushs auch gerne als Oolong kategorisiert, die für ihre teiloxidierte Natur bekannt sind.
Vor zwei Jahren habe ich meinen ersten Flugtee aus Darjeeling getrunken und bin diesbezüglich noch eher ein Grünschnabel. Als ich bei TeeGeschwendner meinen ersten Flugtee aus Soom kaufte, hat man mir eindringlich geraten, den Tee nicht zu lang ziehen zu lassen. Den Tee fand ich schon damals interessant, habe mich aber geschmacklich mit anderen Flugtees besser zurechtgefunden. Der vorliegende Risheehat ist ein gutes Beispiel für einen Darjeeling, für den ich bereit wäre, auch etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Die weltweit steigende Nachfrage führt seit Jahren zu steigenden Preisen und wirft die Frage auf, wo sich der Preis für diese Qualität eines Tages einpendeln wird. Tee wird in Indien nun auch von Einheimischen zunehmend konsumiert und ist inzwischen zum Nationalgetränk erhoben worden. Mit Japan ist eine weitere wohlhabende Tee-Nation schon seit längerer Zeit auf den Geschmack gekommen – keine gute Aussichten für die Zukunft, da der Darjeeling auch in Deutschland äußerst populär ist und weltweit Interesse weckt.
Für den Augenblick tut das keinen Abbruch. Im Gegenteil, man sollte sich so lange daran erfreuen wie man kann. Für einen besonderen Tee – im Sinne der besonderen Qualität – kann eine angepasste Zubereitung sinnvoll erscheinen. Bei Akira habe ich die Empfehlung gelesen, dass man die besonderen Eigenschaften eines guten Darjeeling mit folgender Methode hervorheben kann: man nehme 1g pro 50ml kochendes Wasser, gieße den Tee auf und lasse ihn 30 Sekunden ziehen. Den zweiten Aufguss gieße man sofort ab! Durch diese Zubereitungsmethode inspiriert, habe ich mich dem Risheehat gewidmet.
Benutzt habe ich eine shiboridashi aus den Händen von Petr Novák, eigentlich ein Utensil für japanische Grüntees, aber für diesen First Flush schien sie mir mehr als passend.

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Aussehen
Die Blätter sind wahrlich grün. Sehr grün. Was mir besonders gefällt, sind die frische satte Farbe und die gut erhaltenen Blätter. Einige von ihnen sind sehr jung und weisen silbrige Härchen auf.

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Die grünen Blätter sind tatsächlich so grün!

Duft

Frisch aus der Dose ist der Duft sehr süß, blumig und erinnert mich etwas an einen Tomatenstrauch. In der vorgewärmten shiboridashi ändert sich das Aroma in Richtung gebrannte Mandeln und lässt Frau S. an einen Jahrmarktbesuch denken. Nach dem ersten Aufguss stelle ich wieder eine Veränderung fest: Kekse und Gebäck!

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1. Aufguss
Der erste Aufguss ergibt eine klare Tasse und erinnert vom Aussehen, wie schon das Blatt, an Grüntee. Durch die angepasste Zubereitung kommt die Süße sehr gut zur Geltung. Außerdem denke ich spontan an Salatgurke, auch ein bisschen an Vanille. Im Mund macht sich außerdem das Aroma von herzhaftem Gebäck breit. Der ausgesprochen blumige Duft steigt beim Trinken in die Nase.

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Vielen Dank an dieser Stelle an Si-Ying, von der wir die schönen Glastassen haben

2. Aufguss
Der zweite Aufguss holt das nach, was ich beim ersten ein bisschen vermisst habe. Der Tee hat jetzt mehr Körper, ist kräftiger und schmeckt intensiver. Die Süße erinnert schon fast an Likör und in der Nase macht sich der zarte Duft von Maiglöckchen breit. Schön wie der Geschmack lange im Mund verweilt.

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3. Aufguss
Ein dritter Aufguss sollte eigentlich nicht mehr folgen. Aber Versuch macht klug. Ja, der Geschmack ist jetzt flacher, vor allem im direkten Vergleich mit seinem Vorgänger. Die Süße und das Gebäck sind aber noch da, wenn auch nicht mehr so komplex.

Fazit
Der Risheehat DJ4 gefällt mir ausgesprochen gut. Sein Vorgänger aus dem letzten Jahr, den ich in diesem Bericht noch mit der üblichen Zubereitungsmethode gebrüht habe, hat mich auch schon begeistern können. Im direkten Vergleich der beiden Erfahrungsberichte fällt mir auf, dass bei beiden Tees die Süße und Salatgurke ein hervorstechendes Merkmal sind. Da es sich um zwei verschiedene Tees handelt, weiß ich nicht, ob die unterschiedliche Wahrnehmung der Nuancen der Zubereitung, dem Tee oder der jeweiligen Tagesform geschuldet ist. Ich meine aber, dass die hier angewendete Zubereitungsweise die blumigen und feinen Noten akzentuierter zur Geltung bringt und wende sie auch schon seit geraumer Zeit (mit Erfolg und überraschenden Ergebnissen!) bei anderen Schwarztees an. Wer sich für diesen Tee interessiert, sollte einen Blich auf das Angebot vom Hamburger Teespeicher werfen. Vielen Dank an Herrn Schmidt für diese Empfehlung!

Starbucks Earl Grey

Starbucks Earl Grey

Ich gebe zu, dass ich ab und an einen Kaffee bei Starbucks trinke. Ob das nun guter Kaffee ist oder nicht, ist streitbar, soll aber nicht das Thema hier sein. Starbucks hat schon seit geraumer Zeit einige Teesorten im Angebot und meinen ersten Starbucks-Tee habe ich in einer japanischen Filiale getrunken, nachdem ich eine sehr lange und anstrengende Nacht hinter mir hatte und mein Hotel in Kobe nicht wiederfand, weil es davon drei gab und der Taxifahrer mich in ein entlegeneres Hotel gebracht hatte. Die Suche nach dem richtigem Hotel dauerte bis Anbruch des nächsten Tages, der Schlaf war wegen des Checkouts kurz und zum Frühstück wollte ich partout keinen Kaffee trinken (es gab ein bisschen Alkohol am Vortag), daher der Tee bei Starbucks, der gar nicht übel war.
Heute, also fünf Jahre später, habe ich mich auch ohne Strapazen an einen Starbucks-Tee gewagt, an einen Earl Grey. Dieser unterscheidet sich allerdings von herkömmlichen Sorten durch die Zugabe von Lavendel, was man während der Ziehzeit mit etwas Fantasie auch riechen kann.
Starbucks bietet zwar drei verschiedene Größen Tee an, hat dafür aber nur eine Größe Teebeutel. Ich habe mich für die kleinste Größe entschieden, weil ich es kräftiger mag. Verglichen mit dem Whittard of Chelsea ist das Bergamotte-Aroma zurückhaltender und weniger Citrus-artig. Dafür ist etwas Anderes im Geruch, vielmehr aber im Geschmack: Ein Hauch von frischem Koriander. Dadurch bekommt der Tee eine würzige Note, die mich eher an Chai und Konsorten denken lässt. Es schmeckt nicht schlecht, aber als langjähriger Earl Grey-Trinker finde ich den Geschmack eher unerwartet seltsam.
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Woraus der Blend besteht, konnte ich in so kurzer Zeit nicht in Erfahrung bringen, da ich den in Bremen während der Umsteigezeit gekauft habe und gleich weiter musste.
Da Starbucks wohl gerade erst in Tee investiert hat, können wir uns wohl auf weitere, hoffentlich hochwertige, Sorten freuen. Als einzige Alternative wäre heute ein “English Breakfast” infrage gekommen, darauf hatte ich aber keine Lust. Von den anderen aromatisierten Tees ganz zu schweigen. Ein Blick auf die amerikanische Starbucks-Seite lässt mich allerdings befürchten, dass auf Trend-Tees gesetzt werden wird, zumindest arbeiten sie dort mit Tazo zusammen. Ihre Tee-Kreationen tragen “trendige” Namen wie “Zen Brewed Tea” oder “Earl Grey Tea Latte”. Passionierte Teetrinker, die auf hochqualitative Sortenreinheit setzen, werden kaum auf ihre Kosten kommen.
Das nächste Mal wird es wohl wieder ein Kaffee, aber die Erfahrung war nicht so schlecht, dass ich Starbucks-Tee in Zukunft kategorisch ausschließen würde. Eher im Gegenteil – wäre das Korianderaroma nicht gewesen, dann würde ich den vielleicht häufiger “to go” kaufen. Es bleibt also spannend abzuwarten, was in nächster Zeit ins Sortiment kommt. Vielleicht fährt Starbucks in Deutschland eine andere Strategie. Aber zumindest die “Ice Teas” würde ich probieren. Das amerikanische Sortiment findet ihr hier.

Whittard of Chelsea: Breakfast Earl Grey

Whittard of Chelsea: Breakfast Earl Grey

Mit den letzten “Whittard of Chelsea”-Tees kam noch ein Päckchen Earl Grey, genauer: Breakfast Earl Grey. Als ich noch etwas jünger war, habe ich aufgrund der Ähnlichkeit der Wörter Earl und early gedacht, dass es einen Zusammenhang zwischen ihnen gäbe und sich dieser Tee besonders gut früh morgens zum Verzehr eignen würde. Bestärkt wurde diese Annahme durch den frischen Citrus-artigen Geschmack, der frisch und etwas belebend wirkte. So zumindest mein Eindruck. Mit der Zeit lernte ich natürlich, dass Earl ein britischer Adelstitel ist, aber bis zu dieser Zeit habe ich es mir längst zur Angewohnheit gemacht, Earl Grey mit Vorliebe morgens zu trinken. Und da der Mensch ein “Gewöhnungstier” ist und mir der Tee besonders gut zum Frühstück schmeckt, habe ich mir diese Angewohnheit auch nie abgewöhnen wollen. Die kräftigere Basis dieser Komposition kommt mir dabei sehr gelegen. Ein Earl Grey darf auch etwas mehr nach Tee schmecken, kräftig und belebend sein.Über die Geschichte des Earl Grey werde ich mich an dieser Stelle nicht auslassen. Im Internet gibt es zig Quellen, die sich empfehlen lassen würden, aber eine Dokumentation hat mich besonders positiv überrascht: Das grüne Gold Kalabriens. Im TV auf dem Sender Phoenix wird sie in regelmäßigen Abständen ausgestrahlt, aber leider auch zu unpraktischen Uhrzeiten. Klickt einfach auf den Link, dann findet ihr eine kurze Beschreibung und die nächsten Sendetermine.Der vorliegende Tee schmeckt durchaus kräftig, nicht malzig, aber ähnlich wie der bereits beschriebene English Breakfast, weswegen ich vermute, dass eben dieser die Grundlage des Tees bildet. Aromatisiert wurde mit einem naturidendtischen Aroma mit einem Anteil von 2,5%. Ich gebe zu, dass ich mit naturidentischen Aromen auch schon negative Erfahrungen gemacht habe, umso erfreulicher, dass die Aromen so gut ausgewählt sind, dass das Bergamotte-Aroma sehr gut getroffen ist, aber etwas mehr in Richtung süßer Zitrone geht, wie man sie vom Zitronenkuchen kennt. Ein Teil dieses Aromas verbindet sich auch mit dem Geschmack und schmeckt so, als ob man einen Spritzer Zitrone untergemischt hätte. Sehr ansprechend!Bei einem Frühstückstee handelt es sich fast immer um einen “Broken”, weil das kochende Wasser mehr Angriffsfläche hat und der Aufguss dadurch stärker wird. Dementsprechend sieht das Blatt aus, wobei auffällt, dass keine Kügelchen aus CTC-Herstellung enthalten sind.

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Die Aufgussfarbe ergibt ein mitteldunkles Braun-Rot, nicht ganz so dunkel wie z.B. ein Ostfriesen-Broken. Die Farbe entspricht der von mir wahrgenommenen Stärke.

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Fazit: Als bekennender Frühstückstee-Trinker, der seinen Tee gerne kräftiger mag, kommt mir dieser Blend sehr entgegen und bereichert meine Frühstückskollektion. Auch im Vergleich mit einem natürlich aromatisierten Earl Grey, d.h. mit Bergamotte-Öl, schneidet dieser gut ab, ohne eine Wertung abgeben zu wollen. Ich habe (für mich) festgestellt, dass gerade bei Earl Grey nicht alles von der Art des Aromas abhängen muss und es scheint auch bei naturidentischen Aromen große Unterschiede bezüglich der Qualität zu geben. Für mich heißt das, dass ich auch in Zukunft solche Tees nicht ausschließen werde.

Whittard of Chelsea

Whittard of Chelsea

Der letzte Eintrag ist schon etwas her, aber es gibt dafür auch gute Gründe. Erst am Donnerstag habe ich meine mündliche Prüfung bestanden. Wer jetzt denkt, dass ich hier jeden zweiten Tag einen Blog verfasse, den muss ich enttäuschen. Die nächsten Prüfungen stehen an. Die nächsten Wochen werden zwar etwas entspannter, aber gelernt werden muss trotzdem. Und ob ich abends noch ausreichend Energie für einen Blog haben werde, kann ich noch nicht mit Sicherheit sagen. Zumal ich mich ausgiebigen Tee-Zeremonien aus Zeitmangel nicht widmen kann. Aber für Frühstückstees habe ich immer Zeit, daher stelle ich zwei Schwarztees vor:Vor einiger Zeit habe ich die Möglichkeit bekommen, einige Tees aus dem Sortiment des englischen Traditionsunternehmens Whittard of Chelsea (anno 1886) zu probieren. Wer die europäische Geschichte im Blick hat, wird daraus schließen können, dass so ein Unternehmen auch schwierige Zeiten durchleben musste und schon einige Tiefen überwunden hat. Gegründet wurde es vom namensgebenden Sohn einer wohlhabenden Lederhändlerfamilie, der sich mit diesem Schritt von der Familientradition löste, um seiner eigenen Leidenschaft nachzugehen. In den folgenden Jahrzehnten schaffte er es, stets auf den Zeitgeist zu reagieren, und auch in wirtschaftsschwachen Zeiten erfolgreich Tee zu verkaufen.
Immer wieder bin ich fasziniert von englischen Mischungen oder auch “Blends”, die sogar in Form von Teebeuteln richtig gut schmecken können. Es ist eine Kunst für sich, Tees aus verschiedenen Regionen so zu kombinieren, dass sie am Ende ein harmonisches Gesamtbild ergeben und dieses Jahr zu Jahr aus sich verändernden Qualitäten neu zu komponieren. Besonders zum Frühstück weiß ich Blends besonders zu schätzen, da sie eine ausdrucksvolle Basis haben, die selbst bei Wurst und Käse präsent bleibt. Der “English Breakfast Tea” ist vermutlich die Mutter aller Frühstückstees, die mit der Königin Victoria (1819–1901) ihren wohl prominentesten Befürworter hatte, obwohl es auch Gerüchte gibt, die besagen, dass ein englischer Teehändler diese Bezeichnung in Amerika für den Vertrieb verwandte.
Die Rezeptur des “English Breakfast Tea” von Whittard of Chelsea wurde das letzte Mal vor 15 Jahren angepasst und besteht aus drei Komponenten: “Assam liefert die Stärke, Ceylon die Tiefe und Kenya die Farbe.” Die wenigen englischen Frühstückstees, die ich getrunken habe, gehen in eine ähnliche Richtung. Sie sind zwar kräftig, aber nur punktuell, besonders am vorderen Teil der Zunge. Das ist auch bei diesem Aufguss der Fall, der im Vergleich zum “German Breakfast Tea” – gemeint ist unsere Ostfriesenmischung – leichter und spritziger ausfällt. Eine Empfehlung an alle, denen Ostfriesenmischungen und “Irish Breakfast Teas” zu kräftig sind.

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Die Verpackung ist stilvoll designed und vermittelt einen hochwertigen Eindruck.
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Links der “English Breakfast Tea” mit einem etwas gebrochenerem Blatt und rechts der Orange Pekoe mit etwas hellerem und größerem Blattgut.

Für eine kleine Überraschung sorgte der Orange Pekoe aus Sri Lanka, im Tee-Jargon auch Ceylon genannt. Bekannt soll der Tee wegen seines Citrusaromas sein und ich gebe zu, dass ich solche Ceylon sehr zu schätzen weiß. Leider sind diese Tees recht schwierig zu bekommen. Die Hoffnung war dementsprechend groß, dass dieser Tee das einhalten würde, was er verspricht, doch beim Öffnen der Packung stelle ich fest, dass der einzigartige Ceylon aus dem Hamburger Wasserschloss offenbar einen nahen Verwandten hat. Beim Duft bin ich mir mit Frau S. nicht ganz einig. Ich bin der Meinung, dass der Blaubeerduft, der mich an Blaubeer-Muffins aus dem Uni-Café erinnert, eindeutig überwiegt. Frau S. hingegen tendiert eher zur Citrusfrucht ohne dabei die Blaubeere zu negieren. Der Tee ist allerdings kräftiger als sein Gegenpart aus dem Wasserschloss, was mir sehr entgegenkommt – bin ich doch ein Liebhaber kräftiger Tees. Da befinde ich mich mit Georg Orwell in guter Gesellschaft, der nach einer Übersetzung der Bloggerin Teekanne folgendes befand: “Alle wahren Teeliebhaber mögen ihren Tee nicht nur stark, sie mögen ihn mit jedem Jahr etwas stärker (…).”
Aber zurück zum Citrusduft: Kann es sein, dass sich meine Wahrnehmung verändert hat und ich deswegen den Citrusduft nicht mehr wahrnehme? Dann wäre es auch kein Wunder, dass ich so große Schwierigkeiten habe, entsprechende Ceylons zu finden. Andererseits ist die Blaubeernote, die ich und vor allem Frau S. zu schätzen weiß, auch eine Eigenschaft, die meines Erachtens bei Ceylontees sehr selten ist. Umso schöner ist es daher festzustellen, dass unser Fund im Wasserschloss kein Einzelfall ist und solche Tees auch andernorts vertrieben werden.

Fazit: Über die Entdeckung des Orange Pekoe bin ich sehr glücklich, weil ich befürchtete, dass der Ceylontee aus dem Wasserschloss eine Ausnahme darstellt und die Quelle eines Tages versiegen könnte. Da uns der Tee sehr ans Herz gewachsen ist, ist es beruhigend zu wissen, dass wir eine weitere Option in der Hinterhand haben. Der “English Breakfast” ist zwar auf seine Weise lecker, aber ich tendiere geschmacklich doch zu den “härteren” Assam-haltigen Ostfriesenmischungen und Irish-Breakfast-Teas. Wer sich für Blends interessiert, sollte mal einen Blick bei Whittard of Chelsea riskieren, denn sie haben noch einige traditionelle Mischungen in Petto, die sehr vielversprechend klingen: Z.B. Royal Blend, 1886 Blend, Irish Breakfast und Whittard Original.

Ich bedanke mich für die edle Spende!

Lagerversuch mit Da Hong Pao

In letzter Zeit komme ich kaum zum Tee-Trinken. Leider! Die Abschlussprüfungen zollen ihren Tribut. Wenn ich spät nach Hause komme, fehlt mir nicht nur die Zeit und die Lust eine umfangreiche Tee-Verkostung zu machen, es wäre sogar kontraproduktiv, da der Tee mich vermutlich noch schlechter schlafen lassen würde als ich es ohnehin schon tue. Daher beschäftige ich mich auf andere Weise mit Tee. Ich tue mich ja ohnehin schwer, mir Zeit für gute Tees zu nehmen. Einer dieser Tees ist ein Da Hong Pao, den mir ein Freund (Bernd) aus China mitgebracht hat. Davon habe ich ca. 50g. Ich habe hier so viele Teeproben, dass es nicht so schlimm ist, auf diesen Tee einen Zeit lang zu verzichten. Warum also nicht aus der Not eine Tugend machen? Es soll ja noch andere Tees als Pu Erh geben, die mit der Zeit reifen und sich geschmacklich entwickeln. Dazu gehören die dunklen “Steintees”. Ob dieser Tee tatsächlich aus Wuyi kommt und an felsigen Hängen gewachsen ist, kann ich nicht überprüfen. Der Geruch allein schmeichelt der Nase und wirkt vielversprechend. Frau S. denkt zwar an gerösteten japanischen Tee (hôjicha 焙じ茶) und ich muss ihr da auch teilweise zustimmen, doch sehr viel prägnanter finde ich dunkles Kakaopulver, frische Brotkruste und dunkle Herrenschokolade. Getrunken habe ich den Tee bisher nicht.
Den Plan, einen Tee reifen zu lassen, hatte ich schon letztes Jahr und habe mir zu Weihnachten eine Teedose gewünscht. Stéphane empfiehlt für die Lagerung solcher Tees ganz simple Blechdosen oder aber Dosen aus Porzellan. Ansonsten ist nicht viel zu beachten, denn Deutschland mit seinem milden und trockenen Klima soll sich sehr gut dazu eignen. Anders als Pu Erh mag dieser Tee keine besonders hohe Luftfeuchtigkeit und Wärme.

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Ich habe mich für eine innen glasierte Dose aus Steinzeug entschieden. Die Teedose ist von Petr Novák und sie hat es mir besonders angetan.

Sie hat eine so schöne Oberfläche mit leicht gelblichen Glasurflecken, die von einer Ascheglasur aus Heu stammen. Das erinnert mich an japanische Keramiken aus den alten Öfen, die dafür bekannt waren, dass sich während des Brennprozesses Asche auf den Keramiken absetzte und darauf schmolz. Solche Glasuren nennt man Ascheanflug-Glasuren – in Japan auch einfach “natürliche Glasuren” (shizenyû 自然釉) genannt.

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Darin muss der Tee bestenfalls bis zum Deckelansatz gefüllt sein, damit so wenig Luft wie möglich in der Dose verbleibt. Mehr muss man nicht machen, den Rest erledigt die Zeit. Und nach fünf bis zehn Jahren findet sich vielleicht eine schöne Gelegenheit, einem Gast diesen Tee anzubieten.

Hochland-Oolong aus Taiwan

“Worin liegt der Sinn von Verkostungsberichten?”, mag sich der ein oder andere fragen, wenn Blogger ihre subjektiven Eindrücke niederschreiben. Schließlich können sich Hobbytrinker nicht anmaßen, ein für alle gültiges Urteil über einen Tee zu fällen. Hinzu kommt noch, dass sich die sensorische Wahrnehmung von Mensch zu Mensch unterscheidet und somit nicht objektivierbar ist. Aus diesen Gründen habe ich das Bedürfnis mich kurz zu erklären.
Weder maße ich mir an, über die Güte eines Tees zu urteilen, noch möchte ich meine Erfahrungen als das Nonplusultra verkaufen. Verkostungsberichte sind für mich einerseits eine ganz pragmatische Lösung, um meine Erfahrungen festzuhalten und “Tee zu lernen”. Ich trinke zwar schon seit über 10 Jahren Tee, allerdings habe ich erst vor ca. 2 Jahren angefangen bewusst auf Unterschiede zu achten. Davor war Tee einfach Tee. Hier und da habe ich mal etwas Neues gekauft, mal hat es geschmeckt, mal nicht, mal habe ich mir den Namen und die Herkunft gemerkt, mal nicht, und auf diese Weise liegt der Erkenntnisgewinn natürlich bei nahezu Null. Ich möchte also zunächst meine Eindrücke sortieren und festhalten, denn meistens verinnerlicht man die Erfahrungen allein durch das Aufschreiben. Und dann kann es sein, dass es Menschen gibt, die gerne ihre Erfahrungen mit denen eines anderen abgleichen. Wenn man einen Menschen findet, der Tee ähnlich wahrnimmt wie man selbst, dann können seine Erfahrungen nützlich sein, wenn man auf der Suche nach neuen Teeerfahrungen ist. Ich lese zum Beispiel sehr gerne die Eindrücke von anderen und lasse mich von ihnen inspirieren.
Der Tee, um den es sich heute dreht, ist ein Oolong aus Taiwan, den mir eine Arbeitskollegin mitgebracht hat. Eines Tages erfuhr ich in einem Gespräch, dass ihr Freund und Lebensgefährte gerade in Taiwan war. Als er wiederkam, habe ich sie gefragt, wie es da so war, was er gemacht hat und ob er da auch Tee getrunken hat. Zum Tee meinte sie völlig entsetzt, dass er dort so viel eingekauft habe, dass sie nicht wisse, wann sie das je alles austrinken sollten. Aus diesem Grund hat sie mir eine Packung davon mitgebracht. Irgendwann danach war sie dann aber doch begeistert von dem Tee und schwärmte von den tollen Aromen und wie er ihr schmeckte. Ich habe ihr zwar angeboten, dass sie den Tee wiederhaben könne, aber sie lehnte ab.Ein kurzer Einschub, bevor es mit dem Tee weitergeht: Vor einiger Zeit ist ein Paket von Petr Novák angekommen und jetzt dürfen zwei kleine Becher aus dieser Bestellung ihr Debut feiern. Den Rest der Bestellung darf ich leider noch nicht aufmachen, da sie mein Geburtstagsgeschenk enthält. Frau S. ist da sehr streng, ich darf es erst nächste Woche auspacken.Der blaue Becher stammt aus einer Serie von mehreren Bechern, die Petr bei seinem letzten Brand hergestellt hat. Wie ich aus Gesprächen mit anderen Tee-Begeisterten entnehmen konnte, bin ich nicht der einzige, der von dieser blauen Glasur begeistert ist. Der Farbübergang der Glasur, der von oben nach unten immer heller wird, erinnert mich an die Strände Okinawas. Am Horizont ist das Wasser sehr dunkel, zur Mitte hin wird es sehr hell und mündet in ein fast türkises Blau. Der zweite Becher, aus einer anderen Serie, führt diese Metapher fort. Die leichte und hellblaue Glasur ist transparenter und lässt den sandigen, etwas rauen Tonkörper darunter gut erkennen und wirkt dadurch wie das Wasser am Strand in der Nähe des Betrachters. Der Nachteil farbiger, insbesondere dunkler Glasuren, ist, dass sie die Farbe des Tees verschleiern. Daher benutze ich solche Utensilien nur, wenn ich die Farbe des Tees schon kenne bzw. einschätzen kann. So wie dieses Mal.
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Das Blatt des Tees ist grün, vielleicht nicht so hell wie ein moderner Tie Guan Yin (TGY), andererseits wüsste ich auch nicht, ob ich den rein äußerlich auseinanderhalten könnte. Nur im Duft zeigt sich ein kleiner Unterschied. Der vorliegende Tee hat einen leichten Karamell- und Honig-Geruch, doch auch der Blüten-Duft ist vorhanden, der mich ein bisschen an Tie Guan Yin denken lässt.
Das änderte sich aber schlagartig. Im warmen Gaiwan gerät der Blüten-Duft schon in den Hintergrund und die karamellige Süße wurde dominanter. Doch nach dem ersten Spülgang habe ich nur noch eine Mischung aus Mandeln und Amaretto gerochen. Wow!

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Da an diesem Tag nicht so viel Zeit ist, eine lange Tee-Session zu veranstalten, die über 10 Aufgüsse geht, versuche ich die Ziehzeiten etwas zu verlängern, damit die einzelnen Aufgüsse etwas konzentrierter ausfallen. Im ersten Aufguss findet sich der Geruch komischerweise nicht wieder. Im Geschmack notiere ich leichte Mandel, im Abgang die Blüte des TGY, etwas Süße und in der Nase Amaretto. Insgesamt ein lebhafter, frischer Tee. Bei einem weiteren Schnuppern an den nassen Blättern rieche ich Maiglöckchen. Frau S. riecht vor allem mein Aftershave… Wie lange das Zeug doch an den Händen bleibt und sich auf andere Dinge überträgt…

Im zweiten Aufguss bekommt der Tee mehr Körper, schmeckt würziger und vollmundiger. Die Mandel schmecke ich deutlicher und auch die Süße hat zugenommen. Der zuvor beschriebene Duft des Blatts findet sich nun auch in der Tasse wieder.

Im dritten Aufguss bricht der Tee etwas ein. Die Süße nimmt ab und er ist nicht mehr so lieblich. Dafür zeigt sich ein typischer Geschmack, den wohl alle grünen Oolong gemein haben.

Nun erwarte ich ja, dass der Tee ab dem vierten Aufguss immer weiter nachlässt, aber der fünfte wird richtig fruchtig und süß. Leider kratzt der Tee auch im Hals, was ich nicht zum ersten Mal bei einem Tee bemerke. Ich wüsste ja gerne, woran das liegt. Vielleicht weiß jemand von Euch mehr dazu?

Beim sechsten Aufguss hinterlässt der Tee ein cremiges Mundgefühl und schmeckt auch etwas milchiger. Leider müssen wir nach diesem Aufguss los, obwohl der Tee noch nicht am Ende ist. Aber da ich eine 150g-Packung bekommen habe, kann ich mit diesem Tee noch viel experimentieren

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Die Blätter sind in einem sehr guten Zustand und es bereitet mir Freude sie anzusehen. Kann man daraus ableiten, dass der Tee besonders sorgsam verarbeitet wurde? Ich habe jedenfalls schon TGY gesehen, die ein deutlich strapazierteres Blatt gehabt haben.

Zwischenfazit:
Dieser Tee vereint die Eigenschaften der duftigen blumigen Oolong, wie TGY und die der etwas gerösteten Sorten. Zumindest ist das mein Eindruck und ich frage mich, ob dieser Tee eine leichte Röstung verliehen bekam. Karamell und Amaretto kenne ich sonst nur von solchen Oolong.

Nostalgie-Tee: Mingjian Oolong

Häufig hört man von aus der Mode gekommenen Tees, die es nicht mehr oder nur noch schwer zu kaufen gibt, weil sie nur noch in kleinen Mengen produziert werden. Manchmal hört man auch von Tees, die es gar nicht mehr gibt (z.B. Grusinien) oder die im Begriff sind, zu verschwinden (z.B. eine Sorte aus Kenya). Menschen, denen diese Tees ans Herz gewachsen sind, ohne es zu merken, verbinden mit diesen Tees gewisse Momente ihres Lebens. Diese Erinnerungen können lieb und teuer sein.
Mehr noch als materielle Dinge können Gerüche und Geschmäcker besonders gut mit Erinnerungen verknüpft werden, die uns ein Leben lang erhalten bleiben. Ich denke, dass gerade eine Erinnerung, die mit einem Geruch oder Geschmack verknüpft ist, besonders intensiv im Gedächtnis bleibt. Und wenn man einen bestimmten Duft in die Nase kriegt, dann kann es sein, dass diese Erinnerung durch die Verknüpfung wie von selbst aktiviert wird.
Ein paar Beispiele: Im Winter gibt es einen typischen Duft, der mich immer ans Ski-Fahren erinnert, weil ich diesen Duft im Ski-Urlaub jeden Tag wahrgenommen habe. Es gibt Tage im Winter, an denen ich herausgehe, diesen Duft rieche und sofort an die Ski-Reise denken muss. Lebensmittel, die einem sehr schmeckten, scheinen darüber hinaus besonders gut in Erinnerung zu bleiben. Mein Vater schwärmt noch heute vom frisch gebackenen Brot aus dem Steinofen, welches er in Polen bei seinem Onkel im Dorf gegessen hat. Er erzählte mir auch von einem Oolong namens Madras, an dessen Duft er sich noch so gut erinnert, als wäre es gestern gewesen. Wenn man diesen Tee in der Küche zubereitete, dann duftete die ganze, zugegebenermaßen nicht all zu große, Wohnung danach. Diesen Oolong gab es nur eine Zeit lang zu kaufen. Wie wäre es wohl, wenn er diesen Tee heute noch einmal trinken könnte? Würde er sich für einen Augenblick in die Vergangenheit zurückversetzt fühlen?
Ich war am Mittwoch mit Frau S. in einem japanischen Lokal, welches eine Mischung aus einer Kneipe und einem Restaurant ist. Es ist typisch japanisch eingerichtet, das Personal besteht gänzlich aus Japanern und es gibt authentisches japanisches Essen, wie man es auch in Japan kriegt. Damit meine ich nicht Sushi, sondern z.B. Hähnchen-Spieße, Kürbiskroketten, mit Sesam gewürzte Hähnchenflügel und mit Salz bestreuten, gegrillten Fisch. Dazu gab es japanischen Reiswein und das Zusammenspiel aus Atmosphäre, Duft und Geschmack versetzte uns für zwei Stunden nach Japan. Sensorische Eigenschaften von Lebensmitteln können, so die These, Erinnerungen und Gefühle “triggern”.Diese nostalgische Stimmung bzw. Erinnerung hat sicher jeder schon mal erlebt. Dies ist der Hintergund für den Tee, den ich vorstellen möchte bzw. wie er bereits vom Hamburger Teespeicher wie folgt vorgestellt wurde:

Früher war zwar nicht alles besser, aber ohne technische Hilfsmittel hergestellte Tees schmecken doch anders als die modernen Gegenstücke, die unter genormten Bedingungen wachsen und bei denen man zur Not mit Klimaanlagen in den auch sonst technisch stark unterstützten Herstellungsprozess eingreifen kann. Im Grunde war früher mehr Sorgfalt und Aufwand nötig. Auf genau diese alte Weise wurde unser Nostalgie-Oolong angebaut und verarbeitet. Wir selbst haben zwar vor 100 Jahren noch keinen Tee getrunken, aber der Teebauer, der noch seines Vaters Tee kennt, meinte, dass er so wie früher schmecke (Quelle).

Wenn es um Tee geht, dann sind wir immer abhängig von der gegenwärtigen Produktion. Es kann uns also auch eines Tages passieren, dass wir einen lieb gewonnenen Tee nicht mehr kaufen können, weil der Trend in eine andere Richtung geht oder die Produktion aus wirtschaftlichen oder ökologischen Gründen eingestellt wird. Wer weiß schon, was das Trend-Getränk von morgen ist und wie lange wir den Tee von heute wie selbstverständlich genießen können?
Ich habe auch einen “Nostalgie-Tee”. Als ich in Japan war, habe ich einen Grüntee gekauft ohne dabei auf die Packung zu achten. Den Tee habe ich umgefüllt in eine Holzdose, die diesen starken Duft lange Zeit speichern konnte. Die Verpackung ging sofort in den Müll. Es muss einer aus der Shincha-Ernte gewesen sein, mit einem dunklen und nadeligen Blatt. Das besondere an ihm war der besagte Duft, der sich auch im Geschmack widerspiegelte. Ich habe keine Ahnung, wie der Tee hieß und aus welcher Region er kam, weil ich ihn in Fukui gekauft habe, wo kein hochwertiger Tee hergestellt wird. Damals habe ich auch überhaupt nicht auf die Sorte geachtet. Drei Jahre später habe ich verschiedenste japanische Grüntees getrunken, doch diesen einen Tee leider nicht wiederfinden können. Werde ich den Tee je wieder trinken können?
So ähnlich muss es wohl dem oben zitierten Teebauern gegangen sein. Er hat aber das Glück, den Tee, den er so sehr schätzt, selbst produzieren zu können. Welch ein Glück!
Da ich diesen Tee zum ersten Mal probiere, entscheide ich mich für die Mini-Gaiwan, die ich von Stéphane erworben habe. Da man nur 60ml Tee pro Aufguss zubereiten kann, braucht man nur wenige Blätter. Das hat den Vorteil, dass man etwas experimentieren kann, ohne dabei zu viele Blätter zu verschwenden. Nachdem man den Tee kennengelernt hat, kann man die Dosierung beim nächsten Versuch anpassen.

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Bei dem Tee vom Hamburger Teespeicher handelt es sich um einen Oolong, der im Nachhinein geröstet wurde. Man sieht das an den dunklen zusammengerollten Blättern, aus denen leichte Röstnoten, wie man sie von Hôjicha kennt, strömen. Die kleinen Kügelchen sind tatsächlich sehr klein. Das wird im Vergleich zu einem Tie Guan Yin sehr deutlich. Eventuell ist der Tee auch stärker oxidiert, aber es ist schwierig das endgültig festzustellen.

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Bei den Kügelchen und dem süßen Duft muss ich spontan an Karamell denken
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Links der geröstete Oolong und rechts ein Tie Guan Yin

Das trockene Blatt riecht sehr süß und erinnert zunächst an Karamell mit leichten Noten von Zimt und getrockneten Pflaumen. Dieser Duft wird im vorgewärmten Gaiwan noch intensiver. Der erste Aufguss ist ja eigentlich ein Spülgang, aber ich bin dazu übergegangen diesen ersten Aufguss länger ziehen zu lassen und ihn zu trinken. Vor dem ersten Nippen rieche ich aber immer zuerst das nasse Blatt, weil der Duft dann besonders intensiv ist. Frau S. denkt sofort an antike Hölzer, ich bleibe bei meinem ersten Eindruck, nur sind die Aromen viel intensiver.

Der erste Aufguss ist leider sowohl in der Farbe als auch im Geschmack noch sehr blass. Der Tee schmeckt etwas süß und malzig, kann mich so noch nicht begeistern. Aber es ist ja auch der eigentliche “Spülgang”.

Der zweite Aufguss schmeckt dafür umso besser. Im Vergleich zu vorher eine wahre Geschmacksexplosion. Der Tee ist süß und er bleibt es auch bis zuletzt. Das hat mich am meisten überrascht, weil ich die Süße bei vielen Tees zwar zwischendurch immer wieder mal geschmeckt habe, aber nie vom ersten bis zum letzten Aufguss. Im Geschmack war es eine Mischung aus Cocktail-Kirsche und Amaretto. Sehr lecker! Der Geruch war noch komplexer: Notiert habe ich eine Mischung aus Cocktail-Kirsche, Mon Chéri, dunkler Schokolade, Lebkuchen und Zimt.

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Ab dem zweiten Aufguss bekam der Tee eine tolle orange Farbe

Beim dritten Aufguss kam etwas Vanille und Mandel hinzu. Der Tee wirkte insgesamt runder. Ab dem Vierten trat die Röst-Note mehr in den Vordergrund und es bildete sich ein süßer Film auf der Zunge. Das kannte ich bisher auch nicht bzw. habe es noch nie auf diese Weise wahrgenommen. Der Tee gewann an Körper und schmeckte wieder etwas malziger.

Danach wurde der Tee dominanter und etwas kräftiger. Ab dem sechsten Aufguss kamen Noten von unreifen Bananen hinzu. Frau S. vernahm besonders getrocknete Datteln. Ab dem siebten schmeckten wir sogar gebrannte Mandeln, gepaart mit einer Likör-ähnlichen Süße und Karamell. Bis zum 13. Aufguss wechselten sich die Aromen von Aufguss zu Aufguss mehr oder weniger ab. Ein sehr vielseitiger Tee, der sogar mehr Aufgüsse vertragen hätte, aber uns fehlte zum Schluss die Zeit, um die immer längeren Ziehzeiten einhalten zu können.

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Die Blätter sind sehr dunkel. Ich frage mich, ob das eher durch die Oxidation oder Röstung kommt
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Die Blätter sind sehr krumpelig und die Falten lassen sich nicht glätten. Kommt das vielleicht auch durch die Röstung?

Fazit:
Insgesamt verbrachten wir mit dem Tee 1,5 Stunden und waren sehr zufrieden. Da uns so ein Tee zum ersten Mal begegnete, löste der Duft und Geschmack keine nennenswerten Erinnerungen aus. Aber es ist ja auch der Nostalgie-Tee eines anderen. Für Tee-Liebhaber, die auf der Suche nach klassischen Oolong sind, ist dieser Tee sicher einen Versuch wert. Für mich war das ein sehr schöner Tee, der ein gutes Beispiel dafür ist, weswegen ich nach über einem Jahr zu den gerösteten Oolong tendiere. Sie sind im Vergleich zu den grünen Tie Guan Yin im Geschmack komplexer und abwechslungsreicher. Schade nur, dass sie in Deutschland so selten sind. Ich bedanke mich für die Probe und für diese Erfahrung, Herr & Frau Schmidt! Wer sich für diesen Tee interessiert, findet ihn hier. Das Foto beim Hamburger Teespeicher wird übrigens bald aktualisiert, falls sich jemand fragt, weswegen mein Foto des Tees und das im Shop so unterschiedlich aussehen.

Die Lehren aus dem Assam-Entzug und ein Irish Breakfast Tea

Mitte Dezember habe ich wieder angefangen, Assam zu trinken, doch wegen Weihnachten und Neujahr komme ich erst jetzt dazu, darüber zu schreiben. Dieser Blog basiert auf einem früheren Eintrag, in dem ich beschrieben habe, wie ich mich wegen des täglichen Konsums an den Geschmack von Assamtees so weit gewöhnte, dass ich seine charakteristischen Geschmackseigenschaften eines Tages nicht mehr wahrnahm.
Für alle, die sich an den Geschmack eines Tees so gewöhnt haben wie ich, kann ich zumindest Entwarnung geben. Man kann nach mehrwöchiger (bei mir waren es 4-5 Wochen) Abstinenz seinen Lieblingstee wieder voll und ganz schmecken.
Trotzdem habe ich mir einige Gedanken zu diesem Thema gemacht und meine Auswahl an Frühstückstees hinterfragt. Vor dem Assam-Entzug habe ich fünf offene Tees gehabt, die einen deutlichen Assam-Anteil hatten. Selbst wenn man jeden Tag unterschiedliche Tees zum Frühstück trinkt (ich hatte dazu noch drei andere), ist die Wahrscheinlichkeit natürlich recht hoch, einen Tee zu trinken, der Assam enthält. Aus diesem Grund habe ich Tees gekauft, welche die Assam-Tees ersetzen sollen. Der erste Tee, der seinen Job wirklich gut am Morgen verrichtet, ist der Darjeeling SF Steinthal Broken Bio, der mich bei meinen Proben begeistern konnte. Ein weiterer vielversprechender Tee ist der Keemun Mao Feng Bio.
Um eine Gewöhnung zu vermeiden, gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten. Entweder man trinkt seinen Lieblingstee nur eine kurze Zeit, verbraucht z.B. 100g in 4-5 Wochen und schwenkt dann auf einen anderen Tee um. Danach kann man unbesorgt wieder zu seinem Favoriten zurückkehren. Ich habe mich allerdings für die zweite Möglichkeit entschieden: Ich stelle eine Auswahl an 6 Tees zusammen, die ich gerne zum Frühstück abwechselnd trinke und kann meinen Favoriten mindestens einmal die Woche trinken, ohne Gefahr zu laufen, mich an den Tee zu gewöhnen. So weit die Theorie. Während Methode 1 erfolgreich geprobt wurde, muss sich Methode 2 noch bewähren.Ein Assam-haltiger Tee, den ich seit Japan sehr zu schätzen weiß, ist der Irish Breakfast Tea. Japan ist nicht gerade für seine tolle Schwarztee-Auswahl bekannt und als ich in einer kleinen Stadt namens Fukui studierte, gab es nur Lipton-Schwarztee im Supermarkt, den ich natürlich kaufte. Was blieb mir sonst übrig? Ich brauche nun mal meinen täglichen Schwarztee am Morgen. Ich muss wohl niemandem erklären, dass für einen passionierten Teetrinker Lipton-Tee allemal eine Notlösung darstellt. Zum Glück gibt es in japanischen Kaufhäusern eine Delikatessenabteilung, die sich meistens im Untergeschoss befindet und ausländische Artikel anbietet. Dort habe ich ab und zu einen English Breakfast Tea von Twinings gekauft, obwohl dieser über 10 Euro pro Packung gekostet hat. Kein gutes Preisleistungsverhältnis, aber was soll man machen? So habe ich das erste Mal die Firma Twinings kennengelernt, was wichtig für die Entdeckung des Irish Breakfast Teas war. Ausgerechnet in einem Kaffeeladen sollte ich beim Bezahlen auf diesen aufmerksam werden. Da ich immer gerne neue Sachen probiere, habe ich zugegriffen und wurde nicht enttäuscht. Dies war der mit Abstand beste Schwarztee, den ich in Japan getrunken habe. Als die Dose leer war, wollte ich Nachschub kaufen, doch diesen Tee gab es seitdem nicht mehr zu kaufen, selbst auf konkrete Nachfrage und die Bitte um Nachbestellung nicht. Als meine Schwester letztes Jahr nach Irland flog, fiel mir in letzter Minute ein, dass ich diesen Schwarztee doch so gerne mochte und bat sie, mir einen mitzubringen. Sie ist tatsächlich fündig geworden, allerdings hat sie einen Tee von einer anderen Firma gekauft, was aber nichts ausmacht, da der Tee sehr ähnlich schmeckt.
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Wie beschreibt man den Tee am einfachsten? Ich würde sagen, dass er sehr viel gemein mit unseren Ostfriesenmischungen hat, da er sehr kräftig, etwas malzig und aromatisch ausfällt. Besonders gefällt mir die anregende Adstringenz und Schwere, die in Verbindung mit etwas Zucker ein unheimlich leckeres Getränk zum Frühstück ergibt. Dadurch, dass der Tee so kräftig schmeckt, fühlt man sich schon während des Frühstücks angeregt.

Das Interessante an Irish Breakfast Teas ist, dass die Hauptbestandteile je nach Quelle variieren. Die einen schreiben Assam einen hohen Anteil zu, andere sprechen eher von Ceylon und/oder von afrikanischen Sorten. Da die Produzenten der Tees, die ich hier liegen habe, keine Angaben zu ihren Blends machen, kann ich zur Klärung dieser Frage nichts beisteuern.* Die Iren gelten ja heutzutage als starke Tee-Konsumenten, aber auch in Irland war der Tee – wie beim größeren Nachbarn England – einst (19. Jahrhundert) ein Getränk der Reichen und Privilegierten und das ärmere Bürgertum ahmte den Konsum in bescheidenerem Umfang und Qualität nach. Im 20. Jahrhundert war Tee bereits in der Bevölkerung etabliert, aber den Tee-Import wickelte man noch über England ab und richtete sich nach dem englischen Geschmack. Nach dem 2. Weltkrieg machte man sich unabhängig und wickelte den Tee nun selbständig ab. Das führte auch zu einem anderen Geschmacksprofil. Seit dieser Zeit änderten sich die Zusammensetzungen der Blends mit der Zeit, weil sie abhängig von den Importmöglichkeiten der Iren waren. Anfangs waren es hauptsächlich Assam-Mischungen, später kamen Ceylon und kenyanische Tees dazu. Divergieren deswegen die heutigen Angaben?
Wie auch immer, ein typisches Merkmal eines Irish Breakfast Teas ist seine Stärke. In Irland gibt es deswegen zwei Redewendungen, die dieses Merkmal humorvoll hervorheben:
1. Der Tee ist so stark, dass man einen Löffel aufrecht darin stehen lassen kann.
2. Der Tee soll so stark sein, dass eine Maus drüberlaufen kann.

Fazit: Für mich das perfekte Anforderungsprofil für einen Frühstückstee und eine würdige Bereicherung meiner Auswahl. Schade, dass dieser Tee in Deutschland so schwer zu besorgen ist, aber vielleicht ändert sich das ja noch.

*Twinings gibt eine Mischung aus Ceylon und afrikanischen Teesorten an.

Geburtstagstee für Frau S.: Ein grüner Oolong aus Japan

Eine der (zweifelhaften?) Freuden, die sich ergeben, wenn man mit einem Tee-Liebhaber zusammen lebt, ist, dass man zu besonderen Anlässen besondere Tees trinken darf. Wie andere Menschen kostbare Momente mit dem richtigen Wein oder Essen krönen, mache ich das gerne mit Tee. Daher durfte Frau S. heute einen Tee aussuchen und wer sie kennt, der weiß, dass ihre Wahl nicht auf Pu Erh gefallen ist. Nach reichlicher Überlegung fiel die Wahl auch aus pragmatischen Gründen auf einen Oolong. Der Tee musste den besonderen Anforderungen des Tages entsprechen und das bedeutet, dass bei zahlreichen Anrufen keine lange und konzentrierte Tee-Session möglich sein würde. Daher fiel die Wahl auf einen grünen Oolong. Da wir Tie Guan Yin schon sehr gut kennen und dieser Tee nichts Außergewöhnliches gewesen wäre, entschieden wir uns für einen ungewöhnlichen Japaner: Ein grüner Oolong aus der Präfektur Miyazaki (Gokase) mit dem Namen Meiryoku.

Tee-Anbaugebiete auf einer größeren Karte anzeigen
Diesen Tee habe ich vor einem Jahr von meiner lieben Schwester zum Geburtstag bekommen und erst jetzt probiert. Also mein Geburtstagstee zum Geburtstag meiner Liebsten. Passt, oder? Alle, die mir in der Vergangenheit Teeproben geschickt haben und sich wundern, warum ich sie noch nicht probiert habe, dürften jetzt verstehen, dass es bei mir durchaus länger dauern kann, einen besonderen Tee zu trinken.
Ein weiteres Geschenk durfte heute sein Debüt feiern. Es ist eine Shiboridashi 絞り出し, die ich zu Weihnachten bekommen habe. Eine Shiboridashi ähnelt einer chinesischen Deckeltasse (Gaiwan), aber sie ist viel flacher und breiter und eignet sich gut für Gyokuro. Diese Shiboridashi stammt von Petr Nováks, einem tschechischen Töpfer, der sich auf Tee-Keramik spezialisiert hat. Petr ist auch ein Tee-Liebhaber, schreibt einen eigenen Blog und stellt Keramiken her, die einigen bekannten japanischen Stilen nachempfunden sind. Wer sich für Tee-Keramik und Petrs Arbeiten interessiert, der darf sich auf einen meiner nächsten Blogs freuen, in dem ich ihn und einige seine Werke genauer vorstellen werde.

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Die gelben Flecken auf dem Gefäß sehen nach geschmolzener Holzasche aus

Die Shiboridashi ist außen sehr rau und trägt unterschiedliche Farben und Texturen, welche durch differierende Brennkonditionen entstanden. Der Ton ist grob, etwas sandig, und es ist ein Vergnügen das Gefäß in den Händen zu rotieren. Innen ist sie glasiert, daher kann man sie für verschiedene Tees benutzen ohne dabei befürchten zu müssen, dass der Geschmack vom Vorgänger in die Tasse gerät. Spontan muss ich bei dieser Keramik an Bizen-yaki (Bizen-Keramik 備前焼) denken, daher werde ich mal einen Blog schreiben, in dem ich beide nebeneinander stelle.

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Hier sieht man die unterschiedlichen Farben der Oberfläche
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Innen ist die Shiboridashi glasiert

Als Präsentationsschale durfte eine Muschel aus Kolberg (Polen) herhalten, die ich nach Weihnachten vor Ort kaufen konnte. In Japan gab es im 16. Jahrhundert die Gewohnheit, “gefundene” Objekte, die sich für Tee eigneten ausfindig zu machen und umzufunktionieren. So wurden z.B. koreanische Reisschalen zu Teeschalen. Im zunehmend standardisierten Teeweg wurde diese Kreativität schon bald geopfert, um sich am großen Vorbild Sen no Rikyûs (1522-1591) zu orientieren. Ein Teemeister, der sehr konsequent auf kreative Elemente gesetzt hat, war Furuta Oribe (1544-1615), der Riykûs Schüler war, sich aber später seinem eigenen Stil widmete und viele Anhänger hatte. Am japanischen Tee hat mich diese Kreativität schon immer fasziniert. Ich denke, dass diese Offenheit dazu führte, dass sich alternative Ästhetikvorstellungen etablieren konnten und nehme mir daran ein Vorbild. Wenn ich etwas finde, dass ich für Tee gebrauchen kann, unabhängig davon, ob es zu diesem Zweck gemacht wurde, dann kaufe ich es oder funktioniere etwas bereits Vorhandenes um.

Der Tee wirkt auf den ersten Blick unspektakulär. Anstelle eines satten Grüns wirken die Blätter wie ausgeblichen. Ich gebe zu, dass der rein optisch nicht zu überzeugen weiß. Die Form der Blätter ist so wie Oolong wohl mal war: Geschwungene, wellenmäßige Formen, die an einen Drachen erinnern.

Der Duft ist schon überraschend würzig und lässt mich spontan an eine Mischung aus Honig und Lebkuchen denken. Oder doch Honigkuchen? In der warmen Shiboridashi ändert sich der Duft in Richtung Schwarztee, vielleicht Assam.

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Links oben eine Raku-chawan, die ich zum kensui 建水 umfunktioniert habe. Unten links ein Seladon-Schälchen

Einen “Spülgang” spare ich mir, stattdessen lasse ich den Tee 30 Sekunden ziehen. Beim Eingießen in die kleinen Seladon-Schälchen steigt ein bekannter aber total unerwarteter Duft auf: Es riecht nach Tie Guan Yin! Das ist schon eine kleine Sensation, da der Tee von Anfang an ganz anders gerochen hat und ich das überhaupt nicht erwartet hätte. Aber in der Tasse habe ich den typischen Orchideen-artigen (zumindest wird er von allen so beschrieben, ich habe noch nie an einer duftenden Orchidee gerochen) Duft. Auch die nassen Blätter geben jetzt diesen Geruch ab. Sehr vielseitig, dieser Japaner.

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Der Aufguss ist eher gelb als grün

Der erste Aufguss schmeckte so wie es der Geruch schon angedeutet hat. Ein dezenter und blumiger Geschmack, geprägt von Süße mit dem Orchideen-Duft in der Nase. Ein Tee nach Frau S.’ Geschmack.

Beim zweiten Aufguss wird der Tee etwas gehaltvoller mit malzigen Noten und Spuren von Honig. Die Ähnlichkeit zu Tie Guan Yin dominiert aber nach wie vor.

Ab dem dritten Aufguss geht der Duft etwas zurück, im Geschmack bleibt der Tee mehr oder weniger konstant und überrascht mich besonders beim sechsten Mal. Da habe ich den Aufguss versehentlich vergessen, weil wir gerade durch ein Skype-Gespräch mit Japan unterbrochen wurden. Der Tee hat es uns verziehen und schmeckte sehr frisch und spritzig. Da müssen sich wohl einige Säuren mehr aus den Blättern gelöst haben.

Den Tee haben wir noch bis zum achten Aufguss weiter getrunken und waren sehr zufrieden. Nach dem achten Aufguss hätte man vielleicht noch zwei experimentelle hinterherschieben können, aber wir waren zufrieden und haben den Tee wieder Tee sein lassen.

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Die Blätter sehen im Shiboridashi schön saftig aus und haben sich voll entfaltet. Man sieht, dass die Blätter (wie bei Oolong üblich) ganz erhalten geblieben sind. Das spricht für handgepflückte, was in Japan eigentlich nicht üblich ist. An einigen Exemplaren kann man die mehr oder weniger fortgeschrittene Oxidation erkennen.

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Fazit: Ein Tee, der sich hinter chinesischen Originalen nicht verstecken muss, auch wenn er für hochwertige Tie Guan Yin keine Konkurrenz darstellt. Dafür geht der Geschmack dann doch in eine andere Richtung, obwohl Parallelen vorhanden sind. Wer grüne Oolong und Tie Guan Yin mag, der sollte einen Japaner ruhig mal probieren. Leider ist dieser Tee momentan nicht mehr erhältlich. Dafür gibt es andere grünliche Oolong, ebenfalls aus Miyazaki, die vielleicht ähnlich verarbeitet wurden. Versuch macht klug 🙂

Letzer Tee des Jahres: Darjeeling First Flush Risheehat

Lange habe ich hin und her überlegt, welchen Tee ich am letzten Tag des Jahres trinken soll, doch dann habe ich ganz pragmatisch entschieden. Hintergrund ist, dass ich diesen Tag bei meinen zukünftigen Schwiegereltern verbringe und ich Tee-Utensilien und Tee erst mitschleppen muss. Ursprünglich wollte ich einen Pu Erh von William trinken, aber dafür hätte ich neben den Utensilien noch einen Wasserkocher mitnehmen müssen. Die Vorstellung bei meinen zukünftigen Schwiegereltern einen in ihren Augen unnötig großen Aufwand nur für Tee zu veranstalten, der bei 15 Aufgüssen plus Spülen dann doch größer ausfällt, hat mich zum Darjeeling getrieben, den ich in einer kleinen Kyûsu (急須 Seitengriffkanne) zubereitet habe. Sie müssen meine “Nerdigkeit” ja nicht gleich in vollem Ausmaß erleben.

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Die zweckentfremdete kyûsu

Die Kyûsu ist Steinzeug aus gröberem Ton und fühlt sich wunderbar rau an, obwohl sie mit einer leichten transparenten Glasur überzogen ist. Gefunden habe ich dieses Stück zufällig in Imari, eine Stadt im Süden Japans, die vor allem für Porzellan bekannt ist. Da stand sie in einem Geschäft (etwas deplatziert) und auf meine Frage, wie viel sie denn kosten solle, kam die überraschende Antwort: 1000 Yen (ca. 10 Euro). Dafür, dass die Kyûsu handgetöpfert ist und schöne Spuren von diesem Prozess aufzeigt, ist das ein sehr niedriger Preis. Am Boden der Kanne befinden sich aber kleine Unregelmäßigkeiten, die wahrscheinlich der Grund für dieses Sonderangebot sind. Da das Sieb nur aus ein paar recht großen Löchern besteht, benutze ich diese Kanne nicht für japanische feine Sencha, sondern für etwas bessere Schwarztees, die keinen besonders dunklen Aufguss ergeben.
Gute Tees für die Kanne sind z.B. die First Flushs aus Darjeeling, in diesem Fall ein besonders junger (DJ 3, also dritte Pflückung der ersten Ernte des Jahres!) Risheehat, den ich als Probe im Hamburger Teespeicher gekauft habe.

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Sehr gut erhaltene ganze Blätter. Die Schale ist geborgt.

Dieser Tee besteht aus vielen intakten Blättern, die schon im trockenen Zustand verraten, dass sie sorgfältig verarbeitet wurden. Da kommt Vorfreude auf, die Blätter im nassen Zustand zu genießen.
Zum ersten Teegenuss gehören auch die richtigen Tassen, in denen die Farbe des Tees zur Geltung kommt. Eigentlich bevorzuge ich sonst für Tees, die ich schon kenne, Keramiken in verschiedenen Farbtönen. Zum Glück hat man Freunde, die einem etwas mitbringen. Diesen Sommer kam Yûsuke aus Japan und brachte neben einem japanischen Reiswein auch zwei Becher mit.

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Das Setting ist fertig

Diese Becher sind auch aus Steinzeug, tragen aber eine hübsche weiße Glasur, die zum Lippenrand hin den Tonkörper nicht mehr vollständig zu bedecken vermag. Ich weiß nicht, wofür sie ursprünglich gefertigt wurden, aber sie geben prima Becher für Tee ab.

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Der Bereich um den Fußring ist (typisch japanisch) unglasiert, zeigt einen rötlichen Scherben und die Signatur des für mich leider unbekannten Töpfers. Der grobe rötliche Ton weist auf einen hohen Eisengehalt hin. Es ist immer wieder eine Freude mit dem Finger über den Scherben zu streichen und seine Eigenheiten haptisch zu erfassen. Jeder Ton ist anders und verrät etwas über seine Herkunft und den Geschmack des Töpfers! Daher nennt man das Betrachten des Tons in Japan auch tsuchi no aji  土の味 – den Geschmack (auch Gefühl) des Tons. Vielen Dank, lieber Yûsuke, für diese schönen Becher!

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Schöne grobkörnige Tonerde, die noch die Spuren der Herstellung erkennen lässt

Kommen wir nun zum Tee, schließlich geht es ja um den letzten Tee des Jahres. Die Blätter riechen wie ein guter Darjeeling First Flush zu riechen hat: Blumig, süßlich wie Maiglöckchen, dazu noch etwas Minze und Kamille. Aufgegossen ist der Geruch der Blätter noch süßer und etwas herb.

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Auch die Untersetzer haben wir von Yûsuke. Sie passen sehr gut zu den Bechern.
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Die Farbe des Tees ist nach zwei Minuten dunkelgelb, was bei den überwiegend hellen Blättern kaum verwundert. Der Aufguss riecht in der Tasse überraschend schwach. Im Geschmack zeigt sich der Tee mild und erinnert zuerst wenig an Darjeeling First Flush. Besonders fällt die Süße auf. Weitere wahrnehmbare Aromen sind blumige Düfte und Zitronengrass. Im Mund ist der Tee sehr weich und mild. Frau S. gefällt der so sehr gut.  Mir ist er nach etwas mehr als zwei Minuten Ziehzeit etwas zu lasch. Ein weiterer Aufguss folgte mit 4 Minuten und siehe da: Schon im Becher zeigt sich ein intensiverer Duft. Das ist Darjeeling! Der riecht jetzt viel ätherischer und kräftiger. Im Geschmack ist die Süße fast genau so stark und er zeigt sich vollmundiger und aromatischer. Frau S. mag den Tee auch, aber im Hals ist er ihr ein bisschen zu kratzig.
Sehr interessant finde ich die Diskrepanz der ersten beiden Aufgüsse. “Schwarzen” Tee gießt man ja häufig nur einmal auf, ich aber tendiere bei den guten Qualitäten immer zu einem zweiten Aufguss und fahre in der Regel sehr gut damit. Bei diesem Tee müsste man eigentlich die erste Ziehzeit auf ca. 3 Minuten verlängern, aber ob dann noch genug Kraft für einen weiteren Tee in den Blättern übrig bleibt? Das wird das Jahr 2013 zeigen.

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Links ein paar trockene Blätter, rechts die nassen

Der erste Eindruck der Blätter täuschte nicht. Die jungen Blätter sind in einem äußerst guten Zustand und überwiegend grün, weil sie wenig Chlorophyll enthalten. Dieses Chlorophyll ist bei der Oxidation für die dunkle Färbung verantwortlich. Spätere Pflückungen müssten daher immer dunkler werden.* Ein schöner Tee für den Jahresausklang! Die zukünftigen Schwiegereltern sind sogleich auf den Duft aufmerksam und dadurch auf den Tee neugierig geworden. Daher bereite ich Ihnen heute den Tee noch einmal zu.
Fazit: Dieser Darjeeling ist nicht ganz so rustikal wie andere First Flushs und ist viel delikater und zarter. Dadurch kommen die feinen Aromen meiner Meinung nach besser zur Geltung und werden z.B. nicht von Adstringenz überlagert. Ein sehr schöner Tee mit einem meiner Meinung nach fairen Preis, wenn ich bedenke, was andere First Flushs sonst zu bieten haben. Andererseits ist es eher ein Tee für den besonderen Moment, da man sich für ihn die nötige Zeit nehmen sollte.

Allen Lesern ein frohes, neues, gesundes und gesegnetes Jahr 2013!

*Im Teetalk-Forum hat sich eine interessante Diskussion zu diesem Thema ergeben. Tatsächlich gibt es verschiedene Meinungen über die Ursache der grünen Blätter. Bis eine endgültige Klärung aussteht, wird an dieser Stelle nur auf den entsprechenden Thread verwiesen.

Nachtrag: Der Tee kam gut an. Der erste Aufguss schmeckt nach drei Minuten sehr viel intensiver. Der zweite Aufguss mit ca. 4,5 Minuten ist nicht mehr so kräftig wie bei der ersten Zubereitung, aber er hat ein Merkmal, welches ich beim ersten vermisst habe und den ich sonst in jedem Flugtee herausschmecke. Ich weiß nicht genau, wie ich diesen Geschmack oder das Aroma am besten beschreiben sollte, aber es hat etwas von ätherischen Ölen und Salatgurke(?). Auf jeden Fall ist dieser Aufguss noch immer lohnend, auch wenn er etwas kratziger im Rachen ausfällt.