Kommen wir zum Tee. Ich gebe zu, dass ich ein Anfänger in Sachen Pu Erh bin und wäre Gero nicht gewesen, dann hätte ich mich an das Thema auch nicht so schnell herangewagt, weil meine ersten Erfahrungen sehr schlecht waren. Zum Glück probiere ich von Natur aus gerne neue Tees und bin bereit trotz schlechter Erfahrungen einen neuen Anlauf zu wagen. “Zum Glück” deswegen, weil es schon einige Pu Erh gab, die wirklich fantastisch schmeckten. Über jungen Pu Erh hört man häufig viel Schlechtes. Je nach Autor ist es quasi nur Ausgangsmaterial, welches erst noch reifen muss, wie z.B. Käse, ehe es genossen werden kann. Es gibt aber auch einen anderen Ansatz, den z.B. Stéphane vertritt: Ein lagerfähiger Pu Erh müsse schon von Anfang an gut im Geschmack sein und ein schlechter Pu Erh würde auch nach vielen Jahren nicht wirklich besser werden. Folglich assoziiert er Pu Erh mit Wein, weil sich nicht jeder Wein gleich gut für eine Lagerung eignet.Ich habe bisher wenige junge Pu Erh getrunken und nicht jeder davon hat mir wirklich gelegen, aber ich kann sagen, dass der Jingmai 2010 mir wirklich geschmeckt hat! Besonders hervorgehoben gehört an dieser Stelle der Preis! 15 Euro für 400g ist ein echtes Schnäppchen!
Einen Bericht zu einem anderen Jingmai aus einer älteren Ernte von 2004 findet ihr hier. Der Tee ist nach seiner Herkunft (Jingmai-Gebirge 景迈山) benannt und es handelt sich um einen Plantagen-Tee (im Gegensatz zu wild wachsenden Bäumen). Der Produzent ist die Guan Zi Zai tea company, welche den rohen Tee (maocha) in Jingmai einkauft und dann weiterverarbeitet. Das hört sich zwar weniger romantisch an, es handelt sich aber um ein Familienunternehmen, welches aus Überzeugung Plantagentee herstellt.Solche Plantagen sehen übrigens so aus.
Die Fotos gehören William und somit auch das Copyright. Ich darf sie freundlicherweise verwenden. |
William hat einen Blog auf Englisch über diese Region verfasst und mit vielen hübschen Fotos geschmückt, die ihr euch hier und hier ansehen könnt.
Die Jingmai-Teeplantagen liegen nordwestlich der bekannten Menghai-Region und etwas weiter im Westen befindet sich bereits Myanmar. Die Bevölkerung setzt sich aus der Dai-Ethnie zusammen. Neben den Tee-Plantagen gibt es auch eine Vielzahl an wildwachsenden Bäumen, von denen einige bereits über 1000 Jahre alt sein sollen. Sie gelten auch als Zeugen für die bereits 1300 jährige Teekultur.
William hat mir netterweise ein paar Fotos zur Verfügung gestellt, die ich euch nicht vorenthalten möchte. Auf diesen Fotos sind die wilden Tee-Bäume besonders gut zu sehen.
Kommen wir zur Beschreibung des Jingmai 2010:
Der Brocken sieht fester aus als er ist |
Beim abgebrochenen Stück fällt bereits auf, dass viele Ansätze von Blättern zu erkennen sind. Sie sind unterschiedlich gefärbt und überwiegend grün in verschiedenen Abstufungen. Würde der Tee noch ein paar Jahre anständig lagern, würden sich die Blätter immer dunkler färben (zum Vergleich könnt ihr hier die Verkostung eines 2004er Jingmai nachlesen, der allerdings etwas zu fest gepresst oder zu trocken gelagert wurde).Wegen der anständigen Pressung, sieht man den Blättern noch nicht an, in welchem Zustand sie sind: Werden sie gut erhalten sein oder doch eher zerstückelt? Wir werden sehen.
Der Geruch ist im trockenen Zustand nicht so stark, aber er erinnert etwas an eine Mischung aus Zitronengras, Schuhcreme und dezentem Rauch – in dieser Konzentration sehr angenehm. Auch wenn Schuhcreme dem einen oder anderen etwas negativ vorkommen könnte.
Die Beschreibung des Geschmacks ist natürlich sehr subjektiv und es kann gut sein, dass andere Tee-Trinker die Aromen mit etwas Anderem assoziieren. Ich gebe nur die Aromen wieder, die in unserer Runde explizit genannt wurden.
Der erste Aufguss war kaum in Worte zu fassen und sehr süß, aber auch frisch.
Foto des zweiten Aufgusses |
Die ersten Aufgüsse sind in der Tassenfarbe sehr hell und erinnern an Grüntee. Kein Wunder, schließlich sind die Blätter noch vergleichsweise jung. Ab dem zweiten Aufguss gesellt sich etwas Minze und die Säure eines Apfels dazu.
Der dritte Aufguss war wohl etwas zu lang gezogen, denn die Säure war ein bisschen zu stark für meinen Geschmack. Auch die Adstringenz hat zugenommen. Das wiederholte sich auch beim vierten Mal. Der Geschmack wurde herber, aber es kamen auch Spuren von rotem Pfeffer dazu. Der Tee bekam außerdem eine ölige Konsistenz, was ich wiederum sehr angenehm fand.
Fünfter Aufguss |
Ab dem fünften Aufguss wurde der Tee süßer und süffiger. Ab dem sechsten vernahm ich herb-fruchtige Säure wie ich sie von Pampelmusen kenne. Der Tee erwies viel Ausdauer und gab bis zum 12. Aufguss kaum nach. Beim zehnten Mal notierte ich noch einen kräuterigen Geschmack und beim zwölften deutliche Fruchtnoten.
Der Blick in den Gaiwan verrät, dass viele intakte Blätter in unserem Stück enthalten waren, was wir auch schon anders erlebt haben. Häufig ist es andersherum: Kleine und zerhackte Blätter sind häufiger und intakte Blätter – wenn überhaupt – kommen nur vereinzelt vor. Darunter befanden sich solche prächtigen Exemplare:
Fazit: Ein toller junger Pu Erh, den wir sehr genossen haben. Wie der wohl bei optimaler Lagerung in ein paar Jahren schmeckt?