Auf den zweiten Blick ist dieser Tee dann doch etwas anders als Pu Erh. Das wird am Herstellungsverfahren schnell deutlich, denn für Pu Erh wird der Tee nach dem Pflücken in Pfannen erhitzt, damit die Blätter nicht oxidieren. Hier ist es anders, aber lest einfach weiter.
Verfolgt man die Wurzeln dieser Herstellungsmethode zurück, gelangt man zu einer chinesischen ethnischen Minderheit aus Yunnan, den Bulang. Sie haben einen sauren Tee hergestellt, der zuerst durch Pilzkulturen fermentierte, und ihn dann in ein Bambusrohr gesteckt, um ihn unter der Erde zu lagern. Dadurch wurde die anaerobe Gärung in Gang gesetzt, in diesem Fall spricht man von Milchsäuregärung. Dieses Verfahren wird auch beim Go-ishi-cha angewendet, allerdings in abweichender Form.
Für diesen Tee werden zunächst im Juli die jungen Zweige mit den Blättern abgeschnitten und gesammelt. Es findet aber keine Selektion zwischen jungen und alten Blättern statt. In einem speziellen Kessel wird das Rohmaterial für 1 bis 2 Stunden mittels heißen Wassers bedämpft.
Die Äste und Stiele entfernt man später und legt die Blätter zunächst auf Strohmatten aus, welche mit selbigen bedeckt werden. In diesem Zustand verbleiben die Blätter 7-10 Tage. Da es in dieser Zeit in Japan sehr heiß und schwül ist, sind dies optimale Bedingungen für Pilze und Fermentation.
Der ausgetretene Saft, der vom Dämpfen übrig geblieben ist, wurde aufbewahrt, damit die Blätter nun mit diesem Saft zusammen in speziellen Fässern gelagert werden können. Mittels schwerer Steine wird von oben Druck ausgeübt, damit die Blätter zusammengepresst werden. 20 Tage Lagerung in diesem Zustand führt zur Milchsäuregärung.
Als nächstes schneidet man die Blätter, die jetzt fast eine feste Masse bilden, heraus. Dabei werden sie in die Form kleiner rechteckiger Klötze gebracht. Da diese Form an Go-Spielsteine erinnert, wird der Tee Go-Stein-Tee (Go-ishi-cha 碁石茶) genannt. Bei gutem Wetter werden sie in die Sonne zum Trocknen gelegt. Es dauert aber bis zu drei Tage, bis sie vollständig trocken sind und abgepackt werden können. Bilder zum Herstellungsprozess kann man auf dieser japanischen Seite sehen.
Bergtee 山茶
Da der Tee in einer hohen Lage geerntet und produziert wird, spricht man auch vom Berg-Tee, der sich besonders gut für die Teeproduktion eignet. Dieser Tee wird in einer Höhe von 430 Metern über dem Meeresspiegel angebaut. Im Vergleich zu Indien, Ceylon, Taiwan und China mag das nicht viel sein, aber es ist genug, damit das Teefeld von Wolken bedeckt und die Länge des Tageslichts erhöht wird.
Zubereitungsweisen
Es gibt zwei Möglichkeiten, den Tee zu brühen. Die erste und einfachste ist, ein Rechteck in ein Kännchen von ca. 300-400ml zu geben, mit kochendem Wasser aufzugießen und 4-5 Minuten ziehen zu lassen. Diesen Vorgang kann man bis zu fünfmal wiederholen, ohne dass sich dabei der Geschmack wesentlich verändert.
Die zweite Methode habe ich noch nicht ausprobiert. Dafür nimmt man ein Rechteck und tut es in einen 1-2l großen Kessel. Dann füllt man Wasser hinein und erhitzt den Kessel bis er kocht. Sobald das Wasser kocht, lässt man den Tee ca. 10 Minuten bei mittlerer Hitze weiterköcheln und fertig ist der Tee. Dies lässt sich ein weiteres Mal wiederholen.
Für meinen ersten Versuch kommt nur meine Oribe-kyûsu infrage, da nur sie ein Volumen von über 300ml erreicht. Ich habe sie auf einem Keramikfestival in Tajimi erstehen können. Da sie innen glasiert ist, kann ich sie vielseitig einsetzen.
Oribe-kyûsu und zwei Yunomi aus Karatsu und Kôbe |
Duft
Die kleinen Rechtecke sollen zwischen 2-3g wiegen. Ich habe dieses kleine Stück nachgewogen und es entspricht tatsächlich dieser Angabe. Interessant finde ich, dass man die Blattstruktur der aufeinander liegenden Blätter sehr gut erkennen kann. Die Blätter sind sehr dunkel und ähneln dem Farbton eines gereiften Pu Erh. Der Duft ist sehr dominant, anfangs etwas säuerlich. Die Packung wurde ein paar Wochen lang nicht geöffnet, vielleicht haben sich die Aromen etwas angestaut.
Go-ishi-cha |
Die Aromen erinnern an getrocknete Früchte, vor allem aber an Pflaumen und Lakritz. Im Hintergrund ist eine starke Säure gepaart mit Bienenwachskerzen. Ich erinnere mich an Lakritzschnecken, die ich an einem heißen Sommertag aus der Tüte holte.
Blatt
Beim Begutachten der Blätter fällt mir zuerst die gepresste Struktur der Blätter ins Auge. Man kann die einzelnen Lagen sehr gut erkennen. Fast jede Lage besteht aus zwei Blättern, die ungewöhnlich groß sind. So große Blätter haben nicht viele Tees, aber bei Oolong kann das schon mal vorkommen.
Erster Aufguss in der Oribe-kyûsu |
Aroma und Geschmack
Nach dem ersten Brühen ändert sich der Duft. Die Blätter sind jetzt heiß und duften mehr nach Zitrone, aber auch nach etwas, was Chlor (Zitat Frau P.: “Schwimmbad!”) am nächsten kommt. Nicht ganz so angenehm, aber man soll den Tee ja schließlich trinken, ne?
Die Brühe ist nach so viel Ziehzeit dunkelgelb, ich hätte einen dunkleren Farbton erwartet. Im Geschmack befürchte ich Schlimmes, nachdem ich von Gero gehört habe, dass der Tee unglaublich sauer schmeckt. Ich habe ihm zu Weihnachten eine kleine Probe davon gegeben, ohne selbst etwas von dem Tee probiert zu haben. Aber da Gero den Tee anscheinend wie einen Pu Erh zubereitet hat und ich mich an die Empfehlung des Herstellers halte, sind die Befürchtungen unbegründet. Um Gero zu überraschen, habe ich ihm nicht verraten, um welchen Tee es sich handelt.
Beim ersten Schluck denke ich zunächst an Zitronentee. Die Säure macht den eher leichten Tee sehr erfrischend. Bei genauerem “Hinschmecken” zeigen sich noch Süßholz- bzw. Lakritzaromen. Doch da ist noch etwas, etwas, das typisch japanisch schmeckt. Es handelt sich um zwei Algenarten, die häufig verwendet werden: Konbu und Hijiki. Vielleicht ist das der Grund, weswegen man diesen Tee auch zum Kochen von Reissuppe verwendet.
Zweiter Aufguss in der Karatsu-Tasse |
Der zweite Aufguss ist etwas heller und schmeckt noch frischer, ist noch vollmundiger. Einfach lecker!
Auch beim dritten Aufguss lässt der Tee kaum nach. Angeblich würde er sogar noch zwei weitere Runden durchhalten, aber wir sind uns einig, dass wir nach 600ml pro Nase erstmal genug haben und brechen an dieser Stelle lieber ab. Geschmeckt hat er uns aber, dieser ungewöhnliche Japaner.
Schöne erhaltene Blätter |
Fazit
Es ist immer wieder schön, wenn man in der Teewelt unbekannte Schätze entdeckt. Mich hat der Tee und sein eigentümlicher Hintergrund sehr begeistern können. Frau P. und ich sind uns einig, dass wir den Tee gerne ein weiteres Mal trinken werden. Mich würde noch interessieren, wie der Go-ishi-cha schmeckt, wenn man ihn wie einen Pu Erh zubereitet. Gero hat damit schon Erfahrungen gesammelt und wird mir daher den ein oder anderen Tipp geben können. Vielen Dank an Familie Hyoma für diese edle Spende!