Sencha: yame no sato. Irgendwo auf Kyûshû im Jahr 2011 gekauft und bis heute eingefroren |
Frau S. und ich haben das Glück, einen Tag zu erwischen, der sich von der Wärme dazu eignet, nach draußen zu gehen und Tee zu trinken. So nehmen wir einen Gaskocher und verschiedene Tee-Utensilien mit und hocken uns auf eine nahe gelegene Wiese in die Nähe eines Kirschbaums. Mein etwas zu groß geratener Kupferkessel braucht eine Weile, um das Wasser zum Kochen zu bringen. In der Zwischenzeit bereite ich sorgfältig die Utensilien vor.
Der Tee ist ein Sencha der Firma Fushun’en (冨春園) mit dem Namen Yame no sato, was so viel bedeutet wie die Heimat von Yame. Das Blatt sieht anständig aus, gerollt zu langen Spitzen. Etwas Bruch ist auch dabei und die Farbe bewegt sich im dunkelgrünen Bereich. So sollte guter Sencha aussehen.
Eine etwas andere Präsentationsschale |
Der Duft
In der vorgewärmten shiboridashi ergibt sich ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Aromen. Wer schon mal asiatisches Reisgebäck mit gerösteten Algen gegessen hat, wird bei diesem Tee sofort daran denken müssen. Außerdem ist ein feiner süßer Duft zu vernehmen, der an Spinat erinnert. Nicht ungewöhnlich für einen Sencha.
Die Zubereitung
Auf der Verpackung wird empfohlen, den Tee in einem Verhältnis von 1g auf 20ml Wasser (70°C) zu dosieren und beim ersten Aufguss 90 Sekunden ziehen zu lassen. Der zweite Aufguss soll hingegen sofort nach dem aufgießen wieder abgegossen werden.
Der Geschmack
Schon während des Eingießens in die kleine Servierkanne kommt ein schöner gemüsiger Geruch emporgestiegen. Ist das nicht der Duft von in Butter geschmortem Gemüse? Es riecht jedenfalls deftig und macht sofort Appetit.
Der Tee schmeckt sehr ausgewogen und es ist keine Spur Bitterkeit enthalten. Bei dieser hohen Dosierung ist das keine Selbstverständlichkeit. Eine feine Süße dominiert, der Aufguss ist etwas “ölig”, irgendwie dichter, Umami ist natürlich auch enthalten und ich stelle fest, dass mir diese Eigenschaft jetzt richtig schmeckt. Bin ich schon bekehrt? Früher mochte ich diesen Geschmack doch nicht. Frau S. ist leider noch weit entfernt ihn zu mögen. Sie fand den Tee, den ich früher zubereitet habe und der weniger nach Umami geschmeckt hat, sehr viel besser. Wer mich kennt, der weiß, dass ich diesen Geschmack vor nicht allzu langer Zeit selbst nicht gemocht habe. Wir haben daraus ein kleines Wortspiel konstruiert. Umami heißt direkt übersetzt auch einfach Wohlgeschmack. Sagt man auf Japanisch umai, welches die Adjektivform des Nomens ist, dann meint man damit, dass etwas gut schmeckt bzw. lecker ist. Das Gegenteil davon bedeutet mazui, daher sagt Frau S. nicht Umami zu dem Geschmack, den sie nicht mag, sondern mazumi (“Schlechtgeschmack”). Naja, jedenfalls ist der Geschmack schön langanhaltend und hat auch etwas Frisches, was mich an Zitronenschale denken lässt.
Ich habe mich aus Frau S.’ Schildkrötenfigurensammlung bedient. |
Zweiter Aufguss
Dieser Aufguss ist etwas trüber geraten und schmeckt jetzt etwas frischer und hat etwas mehr Körper, wirkt insgesamt kräftiger und ist vor allem herber. Am Gaumen spüre ich etwas, was ich nur von Pu Erh kenne. Die Herbe schlägt nach kurzer Zeit in eine kernige Süße um. Der Geschmack ist jetzt grasig, dafür hat das Gemüse abgenommen.
Frau S. gehört die weiße Tasse |
Dritter Aufguss
Der dritte Aufguss schmeckt nach den beiden gehaltvollen Tassen etwas enttäuschend. Wäre dies die erste Tasse, würde ich auf einen ganz normalen Sencha tippen. Für Frau S. ist dies der erste Aufguss, der ihr richtig schmeckt. Sogar den vierten nimmt sie noch mit.
Fazit
Ohne zu überteiben, muss ich gestehen, dass dies einer der besten Sencha ist, den ich bisher probiert habe. Ein kurzer Blick ins japanische Internet verrät allerdings, dass es diesen Tee so nicht mehr zu kaufen gibt. Sehr schade! Vielleicht kann man mit dieser Zubereitungsempfehlung auch aus anderen Sencha etwas mehr herausholen. Ich werde es jedenfalls in meine Versuche einbeziehen.
Nachtrag
Die Zubereitung hat sich auch bei einem anderen Sencha bewährt. Er schmeckte zwar nicht so gut wie dieser hier, war aber trotz meiner Befürchtung, dass er zu bitter geraten würde, überraschend genießbar.