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Ein besonderer Shincha geht zu Ende...

Ein besonderer Shincha geht zu Ende…

Vor ein paar Monaten hat uns unsere liebe Freundin Misato aus Kyôto einen besonderen Shincha geschickt, den wir sehr genossen haben. Weil er so ungewöhnlich ist, sind wir sehr sparsam damit umgegangen und heute erfolgte der letzte Aufguss.
Was macht den Tee so besonders? Zunächst wurde er nach 88 Nächten eines traditionellen japanischen Kalenders (Lunisolarkalender) gepflückt und dieser Tag leitet den offiziellen Frühlingsanfang ein. Es handel sich außerdem um die erste Pflückung – hatsuzumi 初摘み. Auf die heutige Zählweise übertragen, entspricht das i.d.R. dem zweiten Mai. Bei einem Schaltjahr hingegen würde es dem ersten Mai entsprechen und es kann sogar vorkommen, dass dieser Zeitpunkt erst auf den dritten Mai fällt.
Die japanischen First Flushs, die an diesem Tag geerntet wurden, werden aus diesem Grund hachijû-hachiya no shincha 八十八夜の新茶 (Shincha der 88. Nacht) genannt und sollen dem Volksglauben nach besonders gesund sein und ein langes Leben verleihen. In vielen Anbaugebieten kann man zu dieser Zeit beim Pflücken helfen und es wird ein richtiges Event aus diesem Tag gemacht.
Doch damit nicht genug. Dieser Tee stammt außerdem aus einem traditionsreichen Geschäft: Ocha no kanbayashi お茶のかんばやし, welches direkt in Uji verortet ist. Und das schon seit über 400 Jahren, wenn man der Unternehmensgeschichte auf der Homepage Glauben schenken will.
Es begann natürlich alles mit den buddhistischen Mönchen, die den Tee in Japan kultivierten. Einer davon war der bekannte Mönch Myôe 明恵, der im 13. Jahrhundert Tee in Toganoo (heute Teil der Stadt Uji) anbaute und besonders gute Ergebnisse erzielte. Dieser Tee wurde dann in Tee-Wettkämpfen zum “Eich-Tee” und aufgrund seiner Qualität “honcha 本茶” – also “wahrer Tee” genannt. Bei diesen Wettkämpfen ging es darum diesen Tee von anderen Teesorten zu unterscheiden. Es ist nicht schwer vorstellbar, dass dieser Tee als bester seiner Art die Aufmerksamkeit der militärischen Machthaber, die ihren Sitz in Kyôto hatten, auf sich zog. Die Ashikaga-Shôgune und besonders Ashikaga Yoshimasa (1358-1408) bemühten sich um die Kontrolle dieses Gebiets. Letzterer begründete die “sieben berühmten Teegärten Ujis 宇治七明園” und fortan standen die Gärten unter besonderem Schutz. Gleichzeitig wurden zwei Tee-Direktoren ernannt, von denen einer Kanbayashi Kamon war, auf den sich das jetzige Geschäft beruft. Das Geschäft wurde aber erst später gegründet. Einer von Kanbayashis späten Nachfahren, soll sich dann in der Momoyama-Zeit (1573-1615) an der Stelle, wo das heutige Geschäft steht, niedergelassen und eine wichtige Rolle im Tee-Geschäft und der Stadt-Verwaltung eingenommen haben. Heute wirbt man damit, dass die Blätter für die Tees, die man verkauft, selbst ausgewählt werden. Das geschieht deshalb, weil die Blätter bei zu viel Sonnenlicht einen Schutzmechanismus in Gang setzen, der sie bitter werden lässt. Die strenge Auslese soll die Tees von Kanbayashi besonders wohlschmeckend und aromatisch machen.Zum Tee:
Das Blatt ist schön dunkelgrün und duftet bereits verführerisch nach getrockneten Algen und Spinat. Der Duft verrät außerdem, dass diese Blätter nach Umami schmecken werden:

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Kommen wir zur Zubereitung. Meine Einstellung ist, dass man für jeden Tee eine angepasste Zubereitung braucht um ihn voll zur Geltung kommen zu lassen. Standardmethoden sind als Vergleichswert sicher nicht verkehrt, aber ich lasse mich immer zuerst auf die Zubereitungsempfehlung des Herstellers ein. Wenn mir der Geschmack dann nicht zusagt, kann ich immer noch experimentieren. In diesem Fall hat der Hersteller eine sehr eigenwillige Empfehlung herausgegeben: Pro 90ml 70°C heißes Wasser und 2,5g Tee. Erster Aufguss 20 Sek., zweiten Aufguss sofort abgießen. So habe ich das auch gehandhabt und bin nicht enttäuscht worden. Allerdings habe ich für meine letzten 5g eine Gaiwan statt einer Seitengriffkanne benutzt, daher bitte nicht wundern.

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Aufgussfarbe in einem Glaskännchen: leicht trüb und dezent grün

Der erste Aufguss ergab eine sehr gelungene Mischung aus Umami und Süße, wobei letztere besonders hervorzuheben ist. Sie erinnert mich ein bisschen an die eher zarte Süße von Esspapier. Umami war für mich wohldosiert. Ich mag ja Umami gar nicht in so hohen Konzentrationen, aber hier ist das Verhältnis genau richtig und gibt dem Aufguss einen leichten Geschmack von Garnelen, der sich besonders an den Seiten der Zunge zeigt und lange erhalten bleibt. Da kriegt man ja glatt die Lust darauf in die Blätter zu beißen! Leider ist die Umami-Konzentration für Frau S. bereits zu hoch.

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Total unjapanisch: Gaiwan, Glaspitcher und kleine Seladontässchen

Der zweite Aufguss ist viel vollmundiger und die Umami-Konzentration macht den Aufguss zu einem angenehmen Garnelen-Tee. Dazu kommen eine leichte Spinatnote, getrocknete Algen und Spuren von echter Gemüsebrühe. Mir liegt der Geschmack sehr, Frau S. hingegen wegen des Umami-Geschmacks noch nicht so ganz. Ob ich wohl ihren Aufguss trinken darf? Nein, sie trinkt ihn doch lieber selbst – wegen der letzten Gelegenheit.

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Der dritte Aufguss im Gaiwan. Die hellgrünen Blätter kommen besonders gut zur Geltung.

Der dritte Aufguss durfte länger ziehen und ist deswegen auch herber. Der Umami-Geschmack hat sich verabschiedet – sehr zur Freude von Frau S., die den Tee jetzt auch richtig lecker findet. Ich fand die ersten beiden zwar besser, mag aber die für Sencha typische Herbe. Auch der Spinat- und dezente Algen-Geschmack ist noch etwas geblieben und macht sich beim Atmen in der Nase bemerkbar.

Zwischendurch das Blatt gerochen: Wie Blumen auf einer grünen Wiese.

Der vierte Aufguss schmeckt nach längerer Ziehzeit fast wie der letzte. Jetzt hat aber auch der herbe Geschmack nachgelassen und der Tee macht wohl auch keinen weiteren Aufguss mehr mit.

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Das nasse Blatt riecht jetzt wie eine frisch gemähte Wiese und leuchtet fast strahlend grün.

Das war es nun, lieber Shincha. Hoffentlich bis nächstes Jahr! Und einen großen, herzlichen Dank an Misato!