Über die Verarbeitung des Gelben Tees findet man viele widersprüchliche Informationen im Internet. Und weil es auch verschiedene Gelbe Tees gibt, die sich sowohl in Aussehen als auch in Geschmack und Duft unterscheiden, tendiere ich zu der Meinung, dass es tatsächlich mehrere Verarbeitungsarten gibt, mittels denen man einen Gelben Tee herstellen kann. Streng genommen sind es dann aber verschiedene Kategorien, wie es sie auch bei Grünem Tee gibt (Rösten vs. Dämpfen).
Eine Methode enthält, dass die Blätter (in dem Fall Knospen wie die Silbernadeln) ruhen gelassen werden, wodurch sie ein bisschen oxidieren. Aus diesem Grund verlieren sie ihr frisches Grün und werden gelb. Danach werden sie wie Weißer Tee sofort getrocknet.
Einer anderen Methode zufolge kommt die gelbe Farbe durch das schonende Rösten in Pfannen zustande. Das Rösten wird in China klassischerweise bei der Grünteeherstellung angewandt, um die Oxidationsenzyme zu deaktivieren. Nach welcher Methode dieser Tee verarbeitet wurde, weiß ich leider nicht, aber am Ende kann man vielleicht anhand der Blätter Rückschlüsse ziehen.
Diesen Tee habe ich von einem Tee-Enthusiasten erhalten, der gleichzeitig Tea-Taster einer großen deutschen Tee-Fachgeschäft-Kette ist. Wann und unter welchem Namen der Tee eingeführt wird, ist noch unklar und wird hier ergänzt, sobald es feststeht.
Update 07.12.2014: Der Tee ist unter dem Namen China Wuliang Golden Dragon bei TeeGschwendner zu haben.
Aussehen
Das obige Foto macht deutlich, weswegen ich mich mit der Kategorie “Gelber Tee” so schwer tue. Würde man diese Blätter neben einen Yunnan Schwarztee oder diesen
Golden Needle legen, müsste man, wenn man denn vom Aussehen der Blätter auf die Kategorie schließen wollte, gerade die letzteren als Gelbe bezeichnen, denn der vorliegende Tee sieht vom Blatt her eher aus wie ein tippy Schwarztee.
Duft
Die Blätter haben eine feine Würze, riechen “dunkel” – etwas nach Schokolade mit hohem Kakao-Anteil. Frau P. und ich können uns nicht darauf einigen, was dominiert: Kuchenkruste oder Brotkruste, die vor dem Backen mit Butter bestrichen wurde. Da der Tee zusätzlich sehr süß duftet, tendiere ich zur Kuchenkruste, da ist aber i.d.R. auch Butter mit drin. Der Kniff, zuerst auf die Blätter auszuatmen, bevor man ihren Duft einatmet, wirkt bei diesem Tee besonders gut. Es kommt eine feine Erdbeermarmeladen-Note zum Vorschein, die einem sonst entgehen würde.
Im warmen Gaiwan wird die Brotkruste intensiver, zum Vorschein kommt für mich eine deutliche Honignote, Frau P. hingegen riecht deutlich Artischocken. Zu schade, dass ich zu selten Artischocken in meinem Leben gegessen habe, um mich jetzt an sie zu erinnern.
Geschmack
Ich entscheide mich für eine intuitive Zubereitungsart im Gaiwan. Der Spender empfahl eine Temperatur von 90°C, daher halte ich mich an diese Vorgabe und lasse, weil ich anständig dosiert habe, nur 60 Sekunden ziehen. Es erschließt sich ein schöner und komplexer Geschmack. Frau P. schmeckt sehr deutlich Artischocken und Erdbeermarmelade, ich denke mehr an die Erdbeermarmelade, meine außerdem noch etwas Malz und Schwarztee-Geschmack wahrzunehmen.
Danach wird der Tee süßer, neben Malz und Artischocken kommt Honig als weitere Komponente hinzu. Klasse! Danach begehe ich einen Fauxpas, lasse den Tee zu lange ziehen, er wird dadurch zu kräftig. Das war leider nichts, klarer Fall von Anwenderfehler.
Doch der Tee verzeiht es mir, zeigt sich im nächsten Aufguss sogleich von seiner süßen Seite. In einer Blindverkostung würde ich jetzt auf einen Yunnan-Schwarztee tippen, zu deutlich sind die typischen Honig-Aromen. Beim fünften Aufguss denkt Frau P. an Oolong. Mich überrascht die Würze und Kraft. Der letzte Aufguss hinterlässt einen ungewöhlichen Eindruck aus Gebäck und Pommes Frites. Das mag sich komisch anhören, schmeckt aber wirklich lecker.
Es gab noch einen dritten Genießer in dieser Runde. Er fragte sich während der gesamten Zeit, wovon wir beide eigentlich reden und konnte die Eindrücke überhaupt nicht nachvollziehen 😉
Rückschlüsse
Betrachtet man die aufgebrühten Blätter, fallen einem die braunen Oxidationsspuren gleich auf. Man kennt sie von Oolong und modernen “Schwarztees” wie Darjeeling. Ich lehne mich vermutlich nicht allzu weit aus dem Fenster, wenn ich behaupte, dass dieser Tee eher nach der kurzen Oxidationsmethode hergestellt wurde.
Edit 14.04.2014: Der Rückschluss ist wohl falsch. Ich habe mich nochmals vergewissert und mir wurde bestätigt, dass es sich bei diesem Tee um einen Gelben der ersten Machart handelt. Die Verfärbungen und das dunkle Blatt sollen durch einen schonenden Backprozess entstanden sein. Man lernt also nie aus!
Dieser Gelbe Tee hat auf ganzer Linie überzeugt und ich bin froh, dass ich schon vor der offiziellen Aufnahme einen Blick auf diesen Tee werfen durfte. Extrapunkte erhält er für seine Komplexität in Geschmack und Duft. Wenn ich den dritten Aufguss nicht vermasselt hätte, dann wären locker sieben bis acht Aufgüsse möglich gewesen, was ich sehr ordentlich finde. Gerne wieder!