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Was diesen Wettkampftee so besonders macht: handgerollter Sencha!

Was diesen Wettkampftee so besonders macht: handgerollter Sencha!

Als ich vor einiger Zeit im Hamburger Teespeicher Henning Schmidt besuchte, ging es natürlich um japanischen Tee. Er hielt eine Überraschung bereit. Über irgendwelche Kanäle schaffte er es, Wettkampftees zu organisieren, die wir an diesem Tag verkosten sollten. Es handelte sich um einen Tamaryokucha (Platz 58), einen Gyokuro (Platz 54), einen Sencha aus Kirishima (Platz 3) und einen handgerollten (!) Sencha vom Strauch Yabukita (Platz 53).Diese Wettkampftees sind in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Sie werden nur in sehr geringer Menge produziert. Ein Teil geht natürlich an die Jury, was dann noch übrig bleibt, geht in den Verkauf und erzielt Höchstpreise.Man fragt besser nicht nach, wie diese Wettkampftees hergestellt wurden. Sie haben mit den Alltagsvarianten nur wenig gemein. Bestimmte Sträucher werden speziell gedüngt, um einen bestimmten Geschmack zu intensivieren. Der Teebauer gibt sich bei dieser kleinen Charge viel mehr Mühe, um diesen prestigeträchtigen Preis (Tennô-hai, 天皇杯) zu gewinnen.

Wir haben uns also diese vier Tees angeschaut. Es sind echte Liebhabertees, denn sie haben einen individuellen Charakter. Um dies zu verdeutlichen, stelle ich den handgerollten Sencha vor, den ich zuhause nochmal verkostet habe, da mir Henning Schmidt netterweise ein Sample mitgegeben hat.

Dieser Sencha belegte zwar “nur” den 53. Platz, mir hat das Blatt aber so imponiert, dass ich diesen Tee unbedingt ein zweites Mal probieren wollte. Das hat sicherlich mit einem Trauma zu tun, welches Gero unwissentlich ausgelöst hat. Wir waren letztes Jahr in zwei verschiedenen Gruppen in Japan unterwegs. Meine Gruppe war zuerst in Kagoshima angelangt. Dort waren wir bei einem Teebauern, der den oben genannten Preis ebenfalls schon mehrere Male gewonnen hat. Entsprechend ehrfürchtig begegnete ich ihm und sog alles auf, was er erzählte. Die andere Gruppe, in der Gero war, besuchte ihn etwa eine Woche später. Sie kamen irgendwie auf das Thema “Handgerollter Tee”, er zeigte und schenkte ihnen den verbliebenen Rest. Es war natürlich so wenig, dass man diese Restmenge nicht noch weiter teilen konnte. Aber ich durfte mir diese langen Nadeln ansehen und musste meinen Neid unterdrücken. Zu gerne hätte ich ebenfalls etwas von diesem Tee verkostet. Geros Verkostungsbericht und seine Version der Geschichte kann ich sehr empfehlen.

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Handgerollter Sencha (temomi sencha)

Zubereitung
Henning und ich haben den Tee nicht ganz so stark dosiert. Es kamen sehr zarte Aromen hervor, wie z.B. Erdbeere und Weinbergpfirsiche. Ich habe genau 5g bekommen. Daher alles oder nichts. Dazu kommen ca. 130ml Wasser, ca. 70°C. Ich beginne mit einer Ziehzeit von 90 Sekunden. Die folgenden Aufgüsse betragen geschätzt: 10/30/30/40/80

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Die Blätter gehen bei maschineller Produktion häufig kaputt, hier das genaue Gegenteil

Blatt
Das obige Bild sagt mehr als tausend Worte.

Duft
Einzigartig. Ich habe Schwierigkeiten, den Duft einzuordnen. Meine Frau sagt Anis, dem kann ich zustimmen. Die Blätter riechen süß, frisch, leicht grasig (aber nur die frische Komponente davon). Nach einer Weile komme ich dann doch noch drauf, es ist Waldmeister.

In der warmen Kanne kommt ein vertrauter Geruch hervor. Natürlich sind die Aromen jetzt intensiver. Meine Frau wird jetzt ganz poetisch und spricht von einem japanischen Garten mit Moos nach einem warmen Regen. Ich bin zwar auch in Japan, aber beim oben genannten Teebauern. Nachdem die Blätter geerntet werden, kommen sie per Kühlcontainer in die Manufaktur. Sie werden dort weitergekühlt, bis sie verarbeitet werden. Und diese Blätter strömen einen sehr intensiven süßen Duft aus, der nur schwer zu beschreiben ist. Und genau so riecht dieser Sencha!

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Erste Kostprobe des grünen Likörs


Geschmack
Es ist unnötig zu erwähnen, dass dieser Wettkampftee aus der ersten Ernte stammt. Der erste Schluck ist wunderbar vollmundig mit viel Umami gepaart mit Bergpfirsichen und eingekochtem Gemüse. Noch ist er dezent-süß, im Mund fühlt er sich ölig an. Im Abgang hallt der Eindruck der frisch gepflückten Blätter nach…

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Die Tassenfarbe war zwischen Gelb und Grün 

Die folgenden Aufgüsse bleiben facettenreich. Schon der zweite Aufguss ist mineralisch mit einer leichten Sellerie-Note. Die Umami-Note nimmt etwas ab, dafür wird er süßer. Alle darauffolgenden Aufgüsse schmecken so lecker, wie die frischen Blätter riechen. Er wird süffiger. Es kommen Nuancen von unreifen Bananen und Erdbeeren hinzu. Doch am intensivsten bleiben eben die frischgepflückten Blätter.

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Hier sieht man die vielen intakten Blätter – für japanischen Tee eher unüblich

Fazit
Vielleicht habe ich einen neuen Lieblingstee gefunden. Dieser handgerollte Sencha ist überhaupt mit dem handgerollten Tee zu vergleichen, den ich in Uji gekauft habe. Wenn es einen Tee gibt, der den natürlichen Geruch bzw. Geschmack der frischen Blätter konserviert, dann ist es dieser hier. Und es stellen sich viele Fragen. Wieso geht dieses Aroma bei den anderen Tees verloren bzw. lässt sich nur noch erahnen? Kann man davon mehr bekommen? Wenn jemand weiß, was ich mit diesem Aroma meine und eine Bezugsquelle kennt, dann bitte ich um eine Nachricht. Dieser Tee macht zumindest für mich Zeitreisen möglich! Vielen Dank, lieber Henning, dass Du mir diese Erfahrung ermöglicht hast!

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Der Ursprung von Raku aus Sicht der westlichen Wissenschaft

Der Ursprung von Raku aus Sicht der westlichen Wissenschaft

Willkommen zum vorerst letzten Teil der Artikelserie “Historisches Raku”. In den Blogartikeln zuvor habe ich mich bereits mit den Eigenheiten, der Herstellung und der Geschichte aus japanischer Sicht auseinandergesetzt. Solltest du diese Artikel noch nicht gelesen haben, könnte es nützlich sein, zunächst mit diesen anzufangen.Bevor ich die wissenschaftliche Perspektive aufgreife, ist es nötig, einen Blick auf die japanische Geschichtsschreibung zu werfen.

Wer schreibt die Teegeschichte in Japan?
Die japanische Teegeschichte speist sich aus vielen Erzählungen, Geheimschriften, Mythen und Manuskripten. Bis ins 17. Jahrhundert war die Teekultur dynamisch und keinesfalls so linear, wie sie heute dargestellt wird. Erst mit der Anerkennung der Autorität der Sen-Schulen im späteren Verlauf der Geschichte, wurde die Teegeschichte so geschrieben, wie wir sie heute kennen. Sie ist linear und endet quasi bei Sen no Rikyû, dem großen Teemeister Japans, der heute als Begründer des japanischen Tee-Wegs gilt. Die Sen-Schulen, gegründet durch die Enkel Rikyûs, reichen seine Lehren weiter und haben die Deutungshoheit, weil sie die mächtigste Institution auf diesem Gebiet sind und sich viele Quellen in ihrem Besitz befinden. Die Historiker, die sich mit der Teegeschichte auseinandersetzen, arbeiten häufig mit den Sen-Schulen zusammen und lassen sich von Ihnen beraten. Nicht zuletzt Sen Shôshitsu selbst schreibt regelmäßig Bücher und Artikel zu diesem Thema,

Problematische Quellen
Rikyû war sicherlich ein großer Teemeister und er hatte viele Schüler und einflussreiche Begegnungen. Weil er zu Lebzeiten eine sehr hohe Autorität genoss, gibt es zwar viele Berichte und Schriften, die auf ihn Bezug nehmen, aber keine einzige Teeschrift von ihm selbst verfasst, in der er seinen Teeweg erklärt. Da solche Originalquellen fehlen, müssen sich die Sen-Schulen aber auch die Wissenschaft mit Quellen aus zweiter oder gar dritter Hand begnügen. Und hier fängt das Problem schon an. Welcher Quelle kann ich vertrauen? Die Wissenschaft hat im Westen lange Zeit nur das nachgeplappert, was japanische Autoren zu diesem Thema zu sagen hatten. Und das ist im Großen und Ganzen der Standpunkt der Sen-Schulen.

Der Paradigmenwechsel
Erst Morgan Pitelka (2005) untersuchte mit seinem Werk „Handmade Culture“ die Entstehungsgeschichte des Hauses Raku, die angeblichen Zusammenhänge von Sen no Rikyû und die zahlreichen Mythen und legte die Schwächen dieser Behauptungen offen. Ferner konnte er zeigen, dass es neben Chôjirô noch andere Töpfer gab, die ganz ähnliche Keramiken herstellten, die erst durch Funde in den letzten beiden Jahrzehnten von der Forschung berücksichtigt werden konnten. Ich folge seiner Argumentation und gebe kurz die wesentlichen Argumente wieder.

Es gibt keine stichfesten Quellen
Im letzten Artikel habe ich bereits den japanischen Standpunkt wiedergegeben, nach dem Rikyû Chôjirô beauftragt habe, die ersten Teeschalen herzustellen. Wenn das wirklich der Fall gewesen sein sollte, würde es Rikyû zum geistigen Vater dieser Keramikgattung machen. Doch obwohl diese Verbindung zwischen Rikyû und Chôjirô in Japan als unumstößlich gilt, gibt es keine einzige zeitgenössische Quelle, nicht mal einen Brief, der einen Zusammenhang zwischen Rikyû und Chôjirô herstellt. Raku-Keramik gibt es vermutlich schon seit den 1570ern, Rikyû ist erst 1591 gestorben. Es ist schwer vorstellbar, dass in dieser langen Zeit keine Geheimschrift, kein Teeprotokoll und kein Brief die Urheberschaft von Rikyû erwähnt.
Das Nanbôroku z.B., auf welches sich gerne berufen wird, enthält ein Tee-Protokoll, in dem Rikyû ein Frischwassergefäß und eine Räucherwerkdose von Chôjirô benutzt habe. Dieses Teeprotokoll ist allerdings nur in dem Nanbôroku enthalten, welches erst 100 Jahre nach dem Tod Rikyûs “entdeckt” wurde.

Es gibt zu viele Raku-Teeschalen
Das Zentrum der japanischen Teekultur war zweifellos Kyôto und die damalige Hafenstadt Sakai, die heute ein Teil von Ôsaka ist und nicht weit entfernt von Kyôto liegt. In beiden Städten wird viel gebaut und immer wieder werden bei Bauarbeiten verschiedene Dinge ausgehoben, die in frühere Epochen fallen. Heute weiß man, dass es nicht nur den einen Raku-Betrieb gegeben haben kann. Die gefundenen Teeschalen sind einfach zu zahlreich, um nur von einem Betrieb hergestellt worden sein zu können. Dafür ist Raku zeitlich zu aufwendig und der Ofen viel zu klein. Eine Massenproduktion ist unmöglich.

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Dies ist eine Nachbildung einer historischen Raku-Teeschale

Die Raku-Teeschalen fallen zu unterschiedlich aus
Zwar sagt man heute, dass Raku-Teeschalen nicht auf der Töpferscheibe geformt wurden, doch archäologische Funde belegen, dass einige durchaus auf diese Weise entstanden sind. Und obwohl die Raku-Familie felsenfest behauptet, dass ihre Teeschalen schon immer nur freihändig hergestellt wurden, sieht Pitelka, der ebenfalls ein erfahrener Töpfer ist, zumindest bei einigen frühen Stücken, die Chôjirô zugeschrieben werden, Merkmale eines Töpferscheibeneinsatzes.
Heute versucht die Raku-Familie immer noch, aus dem alten Fundus eine “Handschrift” Chôjirôs zu rekonstruieren. Pitelka ist da weitaus kritischer und sieht in der Vielfalt einen deutlichen Hinweis darauf, dass nicht alle Teeschalen von einer einzigen Person stammen können.

Die Sache mit den Tee-Protokollen
Im letzten Blog habe ich erwähnt, dass es auch authentische Tee-Protokolle gab. In zwei Protokollen hat Rikyû eine schwarze Teeschale eingesetzt. Als man Jahrhunderte später anfing, die Teegeschichte zu schreiben, hat sich die Raku-Familie als einzige mit dieser Art der Teeschalen durchgesetzt und andere Betriebe haben aufgehört zu produzieren und sind in Vergessenheit geraten. Rückwirkend hat man daher angenommen, dass als schwarze Teeschalen nur die von Chôjirô aus dieser Zeit gemeint sein können. Es gab zwar noch die schwarzen Teeschalen aus Mino, die damals Seto genannt wurden (heute Seto-guro), aber da Seto in Teeprotokollen üblicherweise namentlich benannt wurde (die Teemeister wussten den Ursprung häufig zu unterscheiden), ging man davon aus, dass mit diesen Teeschalen Raku gemeint sei und übersah dabei aus Unwissenheit, dass es noch andere Töpfer gab, die diese Art von Teeschalen herstellten.

Doch so einfach ist das nicht. An dieser Stelle taucht nämlich der Begriff imayaki auf. Das bedeutet so viel wie “zeitgenössische Keramik”. Die aufkeimende Tee-Kultur hatte eine starke Nachfrage nach Tee-Utensilien ausgelöst und in vielen verschiedenen Töpferorten wurden Teeschalen gebrannt, die alle in diese Kategorie fielen. Nur weil die Teeschale schwarz war, heißt es also noch lange nicht, dass sie auch von Chôjirô getöpfert wurde. Die Schale kann genauso gut von einem anderen Töpfer aus Sakai gemacht worden sein oder auch aus Mino stammen.

Ein weiteres Protokoll erwähnt eine Teeschale mit dem Namen Kimamori (Hüter des Baums). Interessanterweise befindet sich eine Raku-Schale mit diesem Namen noch heute in Familienbesitz der Raku-Familie. Der Nachweis ist die dazugehörige Holzschachtel, die diesen Namen trägt. Die Handschrift soll die von Rikyû sein. Das Problem dabei ist nur, dass man nicht prüfen kann, seit wann diese Schachtel existiert, ob die Handschrift echt ist und ob Kimamori nicht vielleicht ursprünglich eine ganz andere Teeschale war, als die, die bis heute tradiert wird. Zudem wurde erst Jahrzehnte später durch den Enkelsohn Rikyûs die Handschrift als echt befunden.

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Die Holzschachtel (tomobako) gehört zu der oben gezeigten Teeschale

Holzschachteln liefern keine Beweise
Es gibt weitere Utensilien, deren Name, Hersteller und Vorbesitzer auf den dazugehörigen Holzschachteln dokumentiert wurden. Vor allem nach dem Tod Rikyûs tauchten viele Utensilien auf, von denen die Besitzer behaupteten, dass sie einst Rikyû gehörten. Dieser Boom hatte einen materiellen Grund, denn Rikyûs Utensilien waren sehr gefragt. Das positive Urteil eines bedeutenden Teemeisters hatte einen sehr großen Einfluss auf den Wert eines Utensils. Diese Tatsache ist sehr gut dokumentiert. Nach dem Tod von Rikyû behaupteten viele Teepraktizierende, dass ihre Utensilien einst Rikyû gehörten. Nachprüfen lies sich die Behauptung nicht mehr so leicht und die beschrifteten Holzschachteln halfen dabei, die Behauptung zu untermauern.

Fazit
Dank Morgan Pitelkas kritischer Herangehensweise ist man zu neuen Erkenntnissen gelangt. Wer sich ernster mit dieser Thematik auseinandersetzen möchte, sollte unbedingt seine beiden Bücher lesen (Quellenangaben findet ihr oben unter Buchempfehlungen). Geht es nach ihm, ist Raku eine Reaktion auf die gestiegene Nachfrage nach unterschiedlichen Tee-Utensilien.

Interessanterweise hat Pitelkas Ansatz kein nennenswertes Echo in Japan verursacht. Es mag daran liegen, dass sowohl die Sen-Schulen als auch die Raku-Familie von der Legende zu sehr profitieren, als dass sie ernsthaftes Interesse daran hätten, diese zu hinterfragen. Denn Raku ist die einzige Keramikgattung, die sich in Japan auf einen namhaften Teemeister berufen kann (bei Oribe ist das anders!). Davon profitiert die Familie noch heute durch eine enge Verzweigung mit den Sen-Schulen. Und die Sen-Schulen malen ein glorreiches Bild ihres Urahnen, dessen Genialität sich in den selbst entworfenen Raku-Schalen widerspiegelt. So bleibt in Japan vorerst alles beim Alten und wir dürfen selbst entscheiden, welcher Version der Geschichte wir lieber vertrauen mögen.

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Was ist historisches Raku aus japanischer Sicht?

Was ist historisches Raku aus japanischer Sicht?

Heute widme ich mich wieder dem Thema Raku. Die Frage nach der Herkunft von Raku ist spannend und es gib in Japan verschiedene Versionen der Entstehungsgeschichte. Ich halte mich an die in Japan übliche Version. Neueinsteigern möchte ich die beiden vorausgegangenen Artikel ans Herz legen:

Wenn man Artikel oder gar Bücher über den japanischen Teeweg (chadô 茶道) liest, dann stößt man unweigerlich auf den mutmaßlichen Begründer bzw. Vollender des Teewegs, Sen no Rikyû (1522–1592). Rikyû, der aus Sakai stammte, gilt heute als bedeutendster Teemeister in der japanischen Geschichte. Es ist kein Zufall, dass Rikyûs Stellung hervorgehoben wird, denn die bedeutenden Teeschulen Japans, die sogenannten “Drei Sen-Schulen” (san-senke) berufen sich auf seine Lehren und beziehen daraus ihre Legitimität und Authentizität.

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Wer war eigentlich Sen no Rikyû?
Rikyû ging aus einer wohlhabenden Familie hervor, die im Fischgroßhandel tätig war. Er hinterließ keine Tagebücher oder schriftlichen Anweisungen über seinen Teestil. Von Rikyû ist aber bekannt, dass er sowohl den shoin-Tee* der Aristokratie und des Kriegeradels als auch den sôan-Tee* praktizierte, der zu dieser Zeit bereits als wabi-Tee* bezeichnet wurde. Drei Teeschulen berufen sich auf Rikyû, wurden aber erst von späten Nachfahren im 17. Jahrhundert gegründet. Zu ihnen gehören die Urasenke, die den rustikalen wabi-Tee, die Omotesenke, die den shoin-Tee tradieren, und die Mushakôjisenke. Rikyû, der u.a. unter Takeno Jôô Tee lernte, erreichte als Teemeister eine besondere Bedeutung unter den Regenten Oda Nobunaga (1534–1582) und Toyotomi Hideyoshi (1537–1598). Seine Aktivitäten und Geräte-Expertise sind teilweise in den Teetagebüchern und Aufzeichnungen seiner Anhänger dokumentiert. Eine wichtige Quelle für das Verständnis von Tee-Konventionen ist das Yamanoue Sôji-ki, dessen Verfasser Yamanoue Sôji selbst Schüler von Rikyû war und als ein großer Verfechter seiner Lehren gilt. In Anlehnung an Jôô und Rikyû werden darin Regeln für Teemeister formuliert und Rikyûs Radikalisierung des wabi-Tees am Beispiel eines sehr kleinen Anderthalb-Tatami-Teeraums beschrieben. Trotz dieser Quellen ist die Quellenlage problematisch, da die Korrektheit der Überlieferungen nie garantiert werden kann. Aus diesem Grund sind auch spätere Aufzeichnungen und Anekdoten, in denen Rikyû zitiert wird, stets als kritisch zu bewerten.

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Ihôan – japanisches Teehaus in Kyôto auf dem Gelände des Kôdai-ji

*Der shoin-Tee bezeichnet den “Tee im Studierzimmer”. Bei diesem Stil wurden ausschließlich kostbare Utensilien aus China verwendet. Der sôan-Tee hingegen wurde in einem schlichten Teehaus abgehalten. Das Teehaus wird einer idealisierten Einsiedlerklause nachempfunden. In diesem Modus wurden neben chinesischen auch japanische und koreanische Utensilien verwendet.

Schöpfungsmythos der Raku-Keramik
In der japanischen Literatur und chadô-Forschung besteht bis in die jüngste Zeit weitreichende Einigkeit darüber, dass Chôjirô, eigentlich ein Dachziegelbrenner chinesischer Abstammung, diese Keramik nicht allein, sondern unter Anleitung des großen Teemeisters der japanischen Tee-Geschichte, Sen no Rikyû, angefertigt hat. Gestützt wird diese Ansicht durch das eigene Verständnis der Raku-Töpfer über ihre tradierte Herkunft und die Einigkeit über die Entstehung der Raku-Keramik mit den Drei Sen-Schulen. Es gibt zahlreiche Publikationen, in denen diese Verbindung zwischen Rikyû und Chôjirô immer wieder behauptet wird und so verwundert es nicht, dass diese Entstehungslegende in westliche Literatur Einzug gehalten hat.

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Rotes Raku

Der japanischen Tee-Geschichte folgend soll Rikyû auf der Suche nach einer schlichten dekorlosen Teeschale auf den Dachziegeltöpfer Chôjirô, der am Bau des Schlosses Jurakudai mitarbeitete, gestoßen sein und sein Talent erkannt haben. Er beauftragte Chôjirô mit der Herstellung von roten und schwarzen Teeschalen, die später der Mittelpunkt der Raku-Tradition werden sollten. Darüber hinaus soll Chôjirô von Toyotomi Hideyoshi eine Auszeichnung mit der Aufschrift tenka ichi (der Weltbeste) für die hervorragende Qualität seiner Teeschalen erhalten haben, obwohl auch Versionen dieser Geschichte existieren, nach denen Hideyoshi Chôjirôs schlichte Teeschalen wenig schätzte. Für all diese Anekdoten gibt es keine historischen Belege. Heute geht auch Raku Kichizaemon XV. davon aus, dass das Raku-Siegel, welches als Signatur auf die Teeschalen gedrückt wird, nicht von Hideyoshi verliehen wurde, sondern das Siegel dazu benutzt wurde, um die hauseigenen Teeschalen von denen der Mitbewerber besser unterscheidbar zu machen.

Historische Quellen, die eine Brücke von Chôjirô bis Rikyû darstellen, sind die Teeschrift Nanbôroku und das sogenannte chakaiki. Als chakaiki werden Teeprotokolle bezeichnet, in denen verschiedene Angaben zu einer Tee-Zusammenkunft dokumentiert sind. Dazu gehören die Gäste, die dargereichten Speisen, konkrete Abläufe und verwendete Tee-Utensilien.

Im Falle des Nanbôroku handelt es sich vermutlich um eine Aufzeichnung eines Zen-Mönches namens Nanbô Sôkei (Lebensdaten unbekannt) aus dem Nanshûji. Diese gilt innerhalb des Tee-Kanons als eine der umstrittensten Schriften. In dieser Schrift sind zwei Tee-Protokolle von Rikyû enthalten, wovon eines ein Frischwassergefäß und ein weiteres eine Räucherwerkdose von Chôjirô erwähnt. Die Glaubwürdigkeit dieses Dokuments steht in einem zweifelhaftem Licht, weil es erst 1690 – ca. 100 Jahre nach Rikyûs Tod – “entdeckt” wurde und einige darin enthaltene Informationen stehen im Widerspruch zu Informationen aus vertraulicheren Quellen.

Aber auch außerhalb vom Nanbôroku lassen sich aus japanischer Sicht Hinweise für Rikyû als Urheber der Raku-Keramik finden. Es gibt drei überlieferte Tee-Protokolle, deren Echtheit unbestritten ist. In zwei Protokollen mit Rikyû als Gastgeber wurde jeweils eine schwarze Teeschale vermerkt. Da es damals nur wenige schwarze Teeschalen gab und für die bereits Bekannten Namen existierten, geht man bis heute davon aus, dass mit dieser Bezeichnung nur Raku gemeint sein kann. Das dritte Protokoll erwähnt eine Teeschale mit dem Namen Kimamori. Diese Teeschale sei von Rikyû an seine Nachkommen weitergegeben worden und soll heute ein wichtiger Schatz der Familie sein.

Ein weiterer Hinweis ist die sôeki-gata chawan (Teeschale in Sôeki-Form).* Diese taucht im Jahre 1586 in einem Protokoll von Matsuya Hisamasa (?–1598) bei einer Tee-Veranstaltung eines Beamten aus Nara auf. Der Begriff deutet eine Verbindung zu Rikyû zwar an, kann aber nicht eindeutig interpretiert werden. Tee-Forscher gingen seit Langem davon aus, dass es sich bei dieser Form um eine von Chôjirôs Schalen handeln müsse und diese Rikyûs Geschmack entsprochen haben soll.

*Sôeki ist der damalige Name von Sen no Rikyû.

Neben diesen Hinweisen gibt es sogenannte hakogaki (Inschriften von Holzschachteln), die belegen sollen, dass Rikyû eine Vielzahl dieser Schalen besessen hat. In Holzschachteln wurden wertvolle Tee-Utensilien zum Schutz aufgehoben. Diese Aufbewahrungsart setzte im 16. Jahrhundert ein und im 17. Jahrhundert wurde es üblich, die Geschichte der darin aufbewahrten Objekte zu dokumentieren. Es gibt eine Reihe von Objekten, die auf diese Weise Rikyû als Besitzer bzw. Chôjirô als Hersteller zugeschrieben werden.

Fazit
Nimmt man all diese Hinweise zusammen, scheint es eine Verbindung zwischen Rikyû und Chôjirô gegeben zu haben, auch wenn nicht sicher ist, wie genau diese ausgesehen hat. War Rikyû einfach nur Kunde von Chôjirô oder hat er ihn tatsächlich beauftragt? War Chôjirô tatsächlich der einzige Töpfer, der solche Teeschalen brannte? Auf diese Fragen werde ich im nächsten Teil Antworten aus Sicht der Wissenschaft geben.

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Zehn gute Gründe, weswegen Tee auch für dich ein lebensbereicherndesGetränk sein kann

Wie man Matcha “richtig” zubereitet

Im letzten Post habe ich erklärt, was echten Matcha auszeichnet. Es kamen nun Fragen zur richtigen Zubereitung auf, die ich in diesem Posting kurz beantworten möchte. Bitte beachtet, dass es sich hier nicht um eine elitäre Sichtweise handelt, jede/r kann seinen Matcha zubereiten, wie er es/sie es für richtig hält!

Da es bereits auf Youtube eine gute Erklärung gibt, möchte ich gerne auf diese verweisen. Der Teefreund Satori Nihon lernt in der Urasenke-Teeschule und erklärt kurz und bündig worauf es bei der Matcha-Zubereitung ankommt. Da er ebenfalls einen eigenen Blog betreibt, freut er sich sicher, wenn Ihr mal vorbeischaut.  Dennoch möchte ich an dieser Stelle diesen sehr gelungenen Beitrag ergänzen. Es geht um die angesprochene Schaumbildung. Wer Kaffee trinkt, kennt die schöne Crème, die sich auf der Oberfläche bildet. Diese Konsistenz kann man auch bei Matcha erreichen. Allerdings ist dafür ein hochwertiger Matcha nötig. Mit hochwertig meine ich, dass er mindestens Trinkqualität haben sollte.

Hochwertiger Matcha zeichnet sich nämlich auch durch seine Feinheit aus. Junge frische Blätter sind weich und ergeben ein besonders mildes Aroma. Man kann sie auch viel feiner vermahlen, weil die Blätter nach der Trocknung diese Beschaffenheit beibehalten. Ältere Blätter werden dicker, ledriger und fleischiger. Ihr Catechin-Gehalt nimmt zu, sie sind im Geschmack daher kräftiger und lassen sich nicht mehr so hoch dosieren.

Aus diesem Grund gibt es neben der Farbe auch die Pulvergröße als Qualitätskriterium. Wenn man auf einem weißen Blatt Papier mit einem Häufchen Matcha eine Linie zieht, kann man haptisch erkennen, wie fein das Pulver ist.

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Die feinen Unterschiede der Matcha-Qualitäten

Wer Probleme hat, den Matcha schön schaumig zu bekommen und stattdessen einen Schaum erreicht, der eher an Spülmittel erinnert, hat vielleicht nicht die richtige Qualität (z.B. Kochqualität, Sencha- oder gar Bancha-Pulver).

Auch mit der richtigen Qualität ist es nicht immer einfach, eine gute Crème hinzubekommen. Wenn man zu wenig Matcha nimmt (z.B. nur ein leicht gehäufter Bambuslöffel), dann ist es weitaus schwieriger, einen vernünftigen Schaum zu erzielen. Je höher man dosiert, desto einfacher ist es, den Schaum zu erzeugen und desto dicker wird die Crème.

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Matcha - alles nur heiße Luft?

Matcha – alles nur heiße Luft?

Matcha ist momentan vor allem in der veganen Szene im Trend und immer mehr Menschen interessieren sich für diesen sehr besonderen und teuren Tee. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine erste Dose Matcha, die ich vor Jahren in einem TeeGschwendner-Geschäft gekauft habe.

Ich hatte gerade angefangen Japanologie zu studieren und ich wurde neugierig. Auf der Dose war kein Preis ausgewiesen und ich dachte mir, dass so eine kleine Dose ja nicht so teuer sein könne. Beim Bezahlen habe ich dann schlucken müssen… Und so toll war diese erste Trinkerfahrung zuhause auch nicht. Den Besen habe ich mir nicht mehr leisten können, es geht auch ohne, dachte ich mir. Statt einer Matcha-Schale benutzte ich einen einfachen Becher und versuchte, den Tee mit einem Schneebesen schaumig zu schlagen. Gesiebt habe ich den Tee auch nicht, natürlich führte das zu Klümpchen. Mit der Zeit wurde die Farbe des Pulvers immer dunkler, verklumpte und schließlich habe ich diesen Matcha dann entsorgt, ohne mehr als drei Tassen aufgegossen zu haben. Also eigentlich alles falsch gemacht. An der Qualität lag es sicherlich nicht, denn es war der Matcha Yume, den ich heute jedem als Einstiegsmatcha empfehlen würde.

Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es “da draußen” ähnliche negative Ersterfahrungen mit Matcha gibt. Die richtige Zubereitung ist nur ein Geheimnis für den wahren Genuss. Ein weiteres ist das der richtigen Qualität.

Was ist Matcha?
Eine einfache Frage ohne einfache Antwort. Heute ist das Angebot an Matcha-Sorten vielfältig. Man kann Matcha überall kaufen, vom Asia-Markt für unter 10 Euro die Dose bis hin zu über 50 Euro in ausgewählten Teefachgeschäften. Doch ist auch überall Matcha drin, wo Matcha draufsteht?

Eine Frage der Definition
Matcha (抹茶) bedeutet wörtlich “pulverisierter Tee”. Also eigentlich ganz einfach, oder? Daraus könnte man ableiten, dass jeder Tee, den man zu Pulver verarbeitet, Matcha genannt werden kann. Das stimmt leider nur in der Theorie, denn in Japan verbindet man damit eine besonders hohe Qualität des Tees, die nur mit großem Aufwand erreicht werden kann. Denn Matcha ist eben nicht nur vermahlener Grüner Tee. Sonst könnte man ja auch pulverisierten Schwarztee als “schwarzen Matcha” verkaufen.

Matcha aus japanischer Sicht
Alles fängt beim Rohstoff an. Vier Wochen vor der Ernte verschwinden die Plantagen, aus denen Tencha gewonnen wird, komplett in dunklen Zelten. Das führt dazu, dass nur noch 10% des Sonnenlichts die Pflanze erreicht. Dieser organisatorische Aufwand ist teuer und führt dazu, dass die Pflanze unter Stress leidet. Der Teebauer muss also eventuell die Beschattung abbrechen und trägt das Risiko einer mangelhaften Ernte. Der Aufwand lohnt sich, denn der Tee bildet weniger Bitterstoffe, dafür aber mehr Aminosäuren, wodurch er frisch, mild und süßlich schmeckt.
Vor allem nach der Ernte unterscheidet sich der Verarbeitungsprozess wesentlich von den verwandten “Schattentees” wie Gyokuro und Kabusecha. Letztere werden wie Sencha bedämpft und danach gerollt, Tencha hingegen wird nur kurz bedämpft und anschließend mit heißer Luft getrocknet und gebacken. Dieser Unterschied in der Verarbeitung führt dazu, dass nur wenige hundert Teebauern (man spricht von etwa 300) in der Lage sind, Tencha herzustellen. Die große Masse kann diesen Rohstoff nicht liefern, weil sie dazu technisch nicht in der Lage sind.

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Hinten sieht man Teeplantagen, in denen Tencha angebaut wird
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Hier ein “Zelt” aus der Nähe
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Es wird noch mit der Hand geerntet

Dieser enorme Aufwand in einem Industrieland wie Japan führt dazu, dass dieser Spitzentee seinen Preis hat. Daher sind Preise für Matcha in Trinkqualität um die 10 Euro unseriös.

Die Farbe macht den Unterschied
Einen guten Matcha erkennt man sofort an der Intensität der grünen Farbe. Das hängt damit zusammen, dass nur die besten Blätter (erste Ernte, volle Beschattung über 4 Wochen) so viel Chlorophyll und Aminosäuren anreichern, dass sie für die Spitzenqualität infrage kommen. Je mehr die Farbe in olivgrün oder gar gelb geht, desto schlechter die Qualität und somit auch der Geschmack. Bei solchen Qualitäten stellt sich zudem die Frage, ob überhaupt Tencha vermahlen wurde oder nicht etwa Sencha oder Bancha.

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Gute und Spitzenqualitäten im Vergleich
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Kochqualitäten sind gelblicher, Trinkqualitäten grüner und leuchtender
Geschmackssache
Guter Matcha schmeckt mild, hat eine süßliche Note und verströmt beim Öffnen der Dose ein nussiges Aroma. Spitzenqualitäten kann man höher dosieren, wodurch sich eine Umami-Note zeigt, ohne dass der Tee bitter wird. Schlechte Qualitäten schmecken bitter, fischig und säuerlich. Man kann sie folglich auch nicht höher dosieren, weil sie sonst “überkippen” und ungenießbar werden (sind sie eigentlich eh schon).

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Zwei kleine Bambuslöffel reichen schon für eine Portion
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Nährstoffe und Antioxidantien
Wie Grüner Tee zuvor genießt auch Matcha einen guten Ruf wegen seines hohen Gehalts an Antioxidantien. Dazu gehört vor allem die Gruppe der Catechine und das EGCG. Catechine werden als Abwehrreaktion der Pflanze gegen das Sonnenlicht im Blatt angereichert. Das hat den Vorteil, dass schon einfache Grüne Tees viel Catechin aufweisen, davon aber nur ein geringer Prozentsatz durch heißes Wasser extrahiert werden kann. Wer Tee aus Gründen des Genusses trinkt, wird keine Freude an Catechinen haben, da sie bitter schmecken. Je mehr Catechine also in den Aufguss übergehen, desto bitterer wird dieser.
Schattentees haben folglich weniger Catechine, dafür aber mehr Aminosäuren. Daher kann man diese höher dosieren und den begehrten Umami-Geschmack genießen. Matcha hat den Vorteil, dass durch den Verzehr des ganzen Blattes auch alle darin enthaltenen Catechine aufgenommen werden können. Wer sich mit Matcha Smoothies oder Shakes macht, kann einfachere Qualitäten wählen. Diese haben mehr Catechine und können sich geschmacklich gegen Fruchtaromen und Süße besser durchsetzen.

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3g-Probe Matcha bei TeeGschwendner für 3,75 Euro

Eine Probe gefällig?
Viele schrecken davor zurück, viel Geld für eine Dose Matcha auszugeben, weil sie nicht wissen, ob er Ihnen schmecken wird. Wer einen guten Teehändler in der Nähe hat, wird eventuell das Glück haben, dass er eine Schale auf Nachfrage direkt zubereitet bekommt. Viele Teehändler bieten diesen Service an. Wer nicht so viel Glück hat oder es einfach selbst versuchen möchte, der kann auch eine Probepackung des Matcha Yume in jedem Fachgeschäft von TeeGschwendner erwerben.

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Kumakiri Shincha aus Shizuoka

Kumakiri Shincha aus Shizuoka

In Shizuoka war ich leider nicht, diesen Tee habe ich in einem Teefachgeschäft eines japanischen depachika gekauft. Das ist die Delikatessenabteilung, die sich im Untergeschoss eines Kaufhauses befindet und wo auf kleinen Verkaufsflächen diverse Spezialitäten angeboten werden. Neben Süß- und Backwaren gibt es natürlich auch Weinstände und kleine Teeläden.In Tokyo habe ich ein besonders feines Teefachgeschäft entdeckt. Dort wird Tee mit viel Liebe zum Detail verkauft und erklärt. Man kann sich ja heutzutage schon glücklich schätzen, wenn neben der Anbauregion auch die Dämpfintensität angegeben wird. Im Chanoha treibt man es auf die Spitze: Dämpfintensität, Teename, Geschmack, genaue (!) Herkunft, Kultivar, Erntezeit, Röstungsstufe und Features.

Weil ich auf der Reise schon eh zu viele Shinchas gekauft habe, zögerte ich zunächst. Letztlich erlag ich dann doch der Versuchung und kaufte zwei Tees, die interessant klangen und aus Regionen stammen, von denen ich noch keinen Tee gekauft habe, aus Shizuoka.

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Blatt
Der vorliegende Tee wird in der Nähe des Oberlaufes des Tenryû-Flusses angebaut und wurde Mitte Mai geerntet. Eine Besonderheit ist, dass der Kumakiri einen “Aracha Finish” erhalten hat. Dieser Eindruck bestätigt sich auch in der Optik, denn der Tee sieht tatsächlich nicht gut sortiert aus: das Blatt wirkt wild und es sind viele kleine Stängel enthalten. Neben den Stielen sind hauptsächlich intakte Blätter vorhanden, die sorgfältig zu Nadeln zusammengerollt sind. Als Grund für “Aracha Finish” wird ein harmonischeres Geschmacksprofil angegeben. Ich bin skeptisch, das hört sich doch ein bisschen zu sehr nach “Sales-Talk” an. Dieser Tee wurde nur kurz gedämpft, was sich optisch bestätigen lässt.

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Duft
Der Duft des Blattes ist sehr intensiv und fruchtig. Ich muss zuerst an Maracuja denken, da ist eine schöne Tiefe und Süße. Ich meine auch etwas Schattenaroma zu riechen, bin mir aber nicht sicher. Diese Intensität kennt man von kurz gedämpften Tees eigentlich nicht. Vermutlich liegt es daran, dass der Tee nach dem Trocknen nochmals geröstet (火入れ hiire) wurde. Die Röstung wird als mittelstark angegeben und soll das Aroma intensivieren. In Japan sind stark geröstete Tees sehr beliebt und es gibt verschiedene Methoden wie Backen oder Heißluft. Nachteil ist, dass das Blatt ähnlich wie bei tiefgedämpften Tees darunter leidet und brüchiger wird.
In der warmen kyûsu wandeln sich die Aromen hin zu gerösteten Mandeln und Kastanien. Es steigen außerdem Nori-Blätter und Süßgebäck in die Nase.

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Geschmack
Der erste Aufguss ist nach einer Minute sehr fruchtig und erinnert mich an den Kasuga Zairai von Akira Hojo. Bei diesem Tee handelt es sich aber nicht um ein Zairai-Kultivar sondern um einen Yabukita. Den Duft der Maracuja nehme ich noch immer deutlich war. Der Kumakiri ist süß und süffig, Frau P. schmeckt auch etwas Artischocke. Auffällig ist, dass Umami höchstens zu erahnen ist, diese Blätter also nicht beschattet wurden.

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Beim zweiten Aufguss wirkt der Kumakiri vollmundiger. Die Tasse ist viel trüber als vorher, was typisch für den zweite Aufguss ist. Diese Vollmundigkeit steigert die Wahrnehmung des typischen Sencha-Geschmacks und ich muss an Matcha-Süßigkeiten denken. Im Vergleich zum ersten ist dieser intensiver, herber und frischer.

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Nach dem dritten Aufguss baut der Tee dann doch schon ab. Er ist noch süffig und kräftig, hat aber nicht mehr die Tiefe und Komplexität der ersten beiden Aufgüsse.

Fazit

Für mich ist dies ein etwas anderer Shincha, der durch seinen doch eher individuellen Geschmack auffällt. Er gehört jetzt zwar nicht zu meinen Favoriten, bietet einem aber Abwechslung, wenn man meint, dass japanische Sencha einander zu sehr ähneln. Sehr gut finde ich die zahlreichen Informationen, die man zu diesem Tee erhält. So wird ein noch bewussterer Genuss möglich. Frau P. weiß an ihm zu schätzen, dass er überhaupt kein Umami enthält.

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Zurück aus Japan: Shincha aus Uji

Zurück aus Japan: Shincha aus Uji

Als Japanologe ist es immer wieder eine Freude in das Land zu reisen, mit dem man sich lange und intensiv auseinandergesetzt hat. Dieses Mal war die Reise nicht von privater Natur. Ich durfte eine Reisegruppe begleiten, mit der wir Japan unter dem Leitthema Tee bereist haben. Tee in Form von Grüntee bzw. Matcha ist in Japan omnipräsent. Wirklich überall und an jeder Ecke kann man Tee kaufen, Matcha-Süßigkeiten gibt es in allen Convenience Stores (jap.: konbini).Wir waren in drei Tee-Anbaugebieten: Kagoshima, Uji und Nishio. Jetzt einen kompletten Reisebericht online zu stellen, wäre etwas zu viel des Guten, aber zu gegebener Zeit werde ich sicherlich die ein oder andere Anekdote erzählen.

Was mich besonders beeindruckt hat, waren natürlich die Teefelder und zwei Tee-Manufakturen. Nicht nur, weil man ein technisches Verständnis vom Produktionsablauf bekommt, sondern weil man mit allen seinen Sinnen ein Gefühl dafür erhält, was Tee eigentlich ist. Der Duft eines Teefeldes kurz vor der Ernte z.B. ist ein solches Erlebnis. Dieser Duft wird in der Fabrik noch viel intensiver, denn da werden die Blätter abgeladen, ehe sie zügig verarbeitet werden. Und eben diesen Geruch findet man auch im Endprodukt wieder, was natürlich kaum überrascht. Nur, wenn man noch nie in einem Teefeld stand oder eine Manufaktur besichtigt hat, dann kann man dazu auch keinen Link herstellen.

Als wir in Uji waren, bin ich zusammen mit Gero in einen traditionellen japanischen Teeladen gegangen. Immer wieder findet man Teefachgeschäfte, die noch handgerollten Tee anbieten. Sogar von Unternehmen wie Fukujuen (福寿園), die eine beachtliche Größe erreicht haben und von denen man solch eine traditionelle Herstellung nicht vermuten würde.

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Teepflanze in Uji

Überhaupt spielt Uji für die Entwicklung der japanischen Teekultur eine zentrale Rolle. Tee wurde schon sehr früh, nämlich ab dem 12. Jahrhundert angebaut. Durch die Nähe zu Kyôto stand man im ständigen Austausch mit den Leitfiguren der Teekultur. Ebenfalls in Uji wurde in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, der Blütezeit des japanischen Tees, der Beschattungsanbau (ôishita saibai 被覆栽培, auch 覆い下栽培) erfunden. Diese Methode hat sich durchgesetzt, denn heute wird in Japan Matcha nur aus beschatteten Blättern hergestellt. Im 17. Jahrhundert folgte die Einführung der chinesischen Art der Grünteeherstellung. Mitte des 18. Jahrhunderts entwickelte Nagatani Sôen in Uji die heute für Japan typische Sencha-Herstellungsweise, die sich auf das ganze Land ausweitete. Interessanterweise kam man erst spät (1835) auf die Idee, beschattete Blätter zu anderen Teesorten zu verarbeiten.

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In Uji benutzt man Teepflanzen als dekorative Büsche an der Straße

Zurück zum Tee. Wir waren im traditionellen Teefachgeschäft Terashimaya (寺島屋), welches schon seit dem Jahr 1827 existiert. Man konzentriert sich auf eine klassische Auswahl der beliebtesten Sorten und bietet außerdem auch saisonale Spezialitäten wie Shincha an. Ich entschied mich für einen handgerollten Shincha aus dieser Ernte, den wir zuvor verkosten durften: Traditionelle erste Pflückung nach 88 Nächten (初摘み・八十八夜). Da der Geschmack überzeugend war, fiel die Kaufentscheidung schnell und einfach. Trotzdem stöberten wir noch etwas in den Regalen ehe wir wieder herausgingen. Die Geschichte und die traditionell anmutende Gestaltung des Fachgeschäfts erzeugte eine historisch lebendige Atmosphäre. Direkt am Eingang gibt es einen Tresen, an dem man sich die Spezialitäten probeweise aufgießen lassen kann.

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Historische Teekisten – so wurde früher Tee transportiert und gelagert
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Am Tresen kann man diverse Spezialitäten verkosten

Man empfahl uns, den Tee sehr zügig und innerhalb von zwei Wochen aufzubrauchen. Das wird schwierig… Einen Tag nach meiner Rückkehr entscheide ich mich nun aber doch dazu, diesen Tee zu brühen. Es ist der einzige handgerollte Tee, den ich habe, daher möchte ich gerade diesen so bald wie möglich genießen.

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Blatt
Nachdem ich schon einige Fotos von handgerollten Tees gesehen habe, bin ich etwas enttäuscht. Es sind zwar einige schöne lange Nadeln zu sehen, aber eine gute Manufaktur kriegt das maschinell hin.

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Duft
Der Duft verrät sogleich etwas über den Anbau, denn er hat diesen typischen Schattenduft (ôika 覆い香). Der süße Duft erinnert an frisch gepflückte Teeblätter. Im Hintergrund ist etwas Zitronenschale und ganz leicht Erdbeere. In der warmen Kanne denke ich an geröstete Nori-Blätter, Frau P. an gebrannte Mandeln.

Geschmack
Der erste Aufguss ist sehr aromatisch. Neben der Süße kommt eine leichte Umami-Note an den Seiten der Zunge zum Vorschein. Der erste Eindruck ist frisch, leicht gemüsig. Trotz der hohen Dosierung ist er kein bisschen bitter. Frau P. sieht das etwas anders, für Sie ist eine leichte Herbe (wie bei Weintraubenschalen) zu schmecken. Er wirkt noch sehr lange nach, der Umami-Geschmack, erinnert nun an den Nachgeschmack von Tomaten.

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Erster Aufguss

Der zweite Aufguss ist nun ausgewogen herb, insgesamt hat der Tee jetzt mehr Tiefe und Körper. Der Nachgeschmack des Umami hinterlässt ein Mundgefühl von Parmesan.

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Zweiter Aufguss

Aufguss Nummer Drei ist deutlich leichter und hat nun keinen Umami-Geschmack mehr. Er schmeckt frisch und erinnert mich an die klassischen Tees aus den japanischen Getränkeautomaten. Das meine ich nicht negativ, denn in Japan ist die Qualität der Tees sehr hoch.

Der letzte Aufguss ist noch etwas leichter und süffiger. Ein einfacher und unkomplizierter Genuss, der andeutet, dass aus den Blättern nicht mehr viel herauszuholen ist.

Fazit
Das war ein sehr schöner Grüntee, der auch extreme Dosierungen von 5g auf 100ml verträgt, ohne bitter zu werden. Diesen Laden werde ich mir für den nächsten Japan-Besuch auf jeden Fall merken.

Verkostung einer Teeprobe: Tencha

Verkostung einer Teeprobe: Tencha

Wenn man sich im Internet mit verschiedenen Leuten über Tee austauscht, dann kommt es vor, dass man sich Teeproben zuschickt. Und davon sammeln sich dann im Laufe der Zeit so viele an, dass man (wenn man sie nicht rechtzeitig verkostet) den Überblick verliert. Meistens sind es ja auch noch so kleine Besonderheiten, für die man sich einen guten Moment aussuchen möchte, um den Tee auch wirklich voll zu genießen. Und diesen Moment findet man natürlich nie…

Heute geht es um einen Tee, den ich von Anima_Templi aus dem Teetalk-Forum zugeschickt bekommen habe. Tencha ist ein Tee, der normalerweise nur hergestellt wird, um daraus später Matcha zu vermahlen. Aufgießen tun ihn die Japaner i.d.R. nicht. Für Fortbildungszwecke ist es also durchaus interessant, sich so einen Tee mal zu gönnen und normal aufzugießen.
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Blatt
Dieser Tencha ist extrem voluminös, enthält noch Blattrippen und Stängel, ist daher eigentlich die Vorstufe des Tencha – Tencha Aracha (Tencha Rohtee). Beim Abwiegen der Blätter denke ich, dass meine Waage kaputt ist, denn 5g erscheinen einfach vom Volumen her ungeheuer viel. Aber es scheint doch zu stimmen, wie ein Vergleich mit konventionellem Tee zeigt.
Geruch
Der Geruch überrascht, obwohl es naheliegt, dass er an Matcha erinnert. Da ist ein süßlicher nussiger Duft, etwas Kakao (damit meine ich die Schwere), in der warmen Kyûsu duftet es plötzlich nach einem Holzhaus.
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Geschmack

Wie schmeckt wohl der erste Aufguss? Beim ersten Kontakt beruhigt es mich, dass die Waage tatsächlich nicht kaputt ist, denn der Geschmack ist weich, etwas süß. Sofort ist Umami spürbar und im Hintergrund ist gekochtes Gemüse. Der Geschmack ist langanhaltend, aber nicht aufdringlich.

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Der nächste Gang wird zwar würziger, ansonsten ändert sich nur wenig gegenüber dem vorherigen. Erst beim dritten Aufguss kommt eine neue Komponente, ich meine Esskastanien zu schmecken. Ansonsten ist der Tee erstaunlich mild. Für Matcha sicher gut und richtig, aber als Aufgussgetränk zu lasch.

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Beim vierten Aufguss bin ich erstaunt, dass ich noch immer Umami schmecke. So lange halten doch nicht mal Gyokuro durch, oder?

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Fazit

Ich verstehe jetzt, weswegen Tencha keine Karriere als Aufgussgetränk gemacht hat. Es fehlt mir Vollmundigkeit, Würze und Abwechslung, der Geschmack ist nicht intensiv genug. Die Parallelen zu Matcha sind aber erstaunlich deutlich! Vielen Dank, lieber Anima_Templi, für diese Probe, durch die ich wieder etwas lernen durfte.
Über eine besondere Teeschale, die eigentlich nichts Besonderes ist

Über eine besondere Teeschale, die eigentlich nichts Besonderes ist

Es ist eine gefühlte Ewigkeit her. Im Jahr 2009 während des japanischen Hochsommers war ich in einem Lokal und sprach mit dem Wirt über Gott und die Welt. In letzter Zeit hatten wir uns häufiger gesehen. Wir schauten uns die versteckten Sehenswürdigkeiten Fukuis an, einem Ort, von dem man in Japan meint, dass es außer dem Eihei-ji nicht viel mehr zu sehen gäbe. Aber das stimmt nicht. Namie-san zeigte mir den einen oder anderen entlegenen Ort wie z.B. die alten Brennöfen Echizens. Dort sprang der Funke über, der meine Leidenschaft für japanische Keramik entfachte.

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Wir unterhielten uns über Matcha und die japanische Teekultur. Ich wollte wissen, wie man denn Matcha richtig dosiere. Er konnte bzw. wollte mir darauf keine korrekte Antwort geben, denn das hinge vom Gast, von der Uhrzeit und der Situation ab. Der Zeitpunkt und letztlich man selbst sei immer so einzigartig, dass diese Einzigartigkeit der Situation auch bei der Zubereitung und Dosierung berücksichtigt werden müsse. Das sei letztlich die Kunst des Teezubereitens. Keine Antwort ist auch eine Antwort, dachte ich mir. Ich war etwas enttäuscht, denn ich habe mir zumindest einen Richtwert erhofft.

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Wir plauderten noch etwas über Teekeramik, sprachen dann über Matchaschalen und japanische Töpfertraditionen. Schließlich landeten wir bei seiner Mutter, die in ihrer Freizeit töpfert. Ich war sehr interessiert, meinte, dass ich gerne ihre Werke sehen würde. Er entgegnete, dass sie nichts Besonderes seien, kramte dann irgendwoher eine Teeschale heraus und überreichte sie mir mit den Worten, dass ich sie ruhig behalten dürfe, weil er so viele davon habe, dass er nicht wisse wohin damit.

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Es war eines unserer letzten Treffen gewesen, denn ich musste wieder zurück nach Deutschland. Das Jahr in Fukui war schon fast vorbei. Wie es der Zufall wollte, gab es nach meiner Rückkehr ein Seminar von Dr. Eva Kaminski, die eine Expertin für japanische Keramik ist. Unter Ihrer Anleitung durfte ich meine Leidenschaft kultivieren, was letztlich in einer Magisterarbeit über Matcha-Schalen mündete.

Heute arbeite ich für ein Matcha-Unternehmen und wenn ich zuhause in der Schale von Namies Mutter Matcha zubereite, muss ich immer wieder daran zurückdenken, wie alles begann.

Ein etwas anderer Sencha: Kasuga Zairai

Ein etwas anderer Sencha: Kasuga Zairai

Ich habe zwar schon einige Bestellungen bei Akira Hojo getätigt, aber von den Tees, die ich von ihm erhielt, habe ich noch keinen einzigen getrunken. Es ist Zeit, dies zu ändern. Heute handelt es sich um eine Teeprobe, die ich von ihm bekommen habe. Dieser Tee ist in mehrerer Hinsicht interessant. Zunächst ist er ein Gartentee aus dem ehemaligen Ort Kasuga, heute ein Teil von Ibikawa. In Japan werden seit geraumer Zeit Dörfer zusammengeschlossen, um sie einfacher verwalten zu können, so auch in diesem Fall. Das ist natürlich ein Problem für viele traditionelle Hersteller, die mit der Region verwurzelt sind, weil der Name eines Tages erklärungsbedürftig wird oder angepasst werden muss.Akira Hojo kauft diesen Tee von mehreren Bauern ein. Sie haben aber alle gemein, dass sie natürlichen Dünger verwenden, den Tee von Pflanzen ernten, die 200-300 Jahre alt sind und vom Zairai-Kultivar (zairaishu 在来種) stammen. Dieses bildet Wurzeln, die sich tiefer in die Erde graben und somit mehr Mineralien aufnehmen können. Aus diesem Grund befindet Akira, dass das Zairai-Kultivar dem Yabukita bezüglich Aromen und Nachgeschmack überlegen ist. Er kritisiert außerdem den weit verbreiteten Ansatz, Tee mit Stickstoff zu düngen, um damit den Umami-Geschmack zu betonen. Seiner Meinung nach entwickeln diese Tees zwar Umami, haben hinter dieser Fassade aber nicht mehr viel zu bieten. Ein interessanter Standpunkt, wie ich finde.

Das Zairai-Kultivar ist etwas schwierig zu fassen. Wörtlich übersetzt bedeutet das Wort “herkömmlich”, meint in diesem Fall aber, dass es eine einheimische Pflanze ist. Nun weiß man aber seit langer Zeit, dass es Mönche waren, die Samen bzw. Setzlinge von China nach Japan brachten. Es ist noch gar nicht so lange her, dass man Tee noch durch Samen vermehrte und die Pflanzen, die früher daraus entstanden, sind nicht einem der heute bekannten Kultivare zuordenbar, sondern bilden ein genetisches Sammelsurium. Richtiger wäre es folglich nicht von einem Zairai-Kultivar, sondern von der Gruppe der Zairai-Kultivare zu sprechen. Macht aber keiner.
Daher hat sich Akira die Teefelder mit denjenigen Zairai-Kultivaren ausgesucht, die einen möglichst intensiven und langanhaltenden Geschmack haben und gut zueinander passen. Den Aracha lässt er in einer Fabrik in Shizuoka zu diesem Sencha verarbeiten.

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Und wie schmeckt er nun? Ich habe 5g zur Verfügung und setze alles auf eine Karte: 5g auf 100ml Wasser. Akira empfiehlt eigentlich eine niedrigere Dosierung, aber ich habe mich schon so sehr an meine gewöhnt, dass sie für mich ein Kriterium darstellt, ob ein Tee unter diesen Bedingungen noch überzeugen kann.

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Schöne Blätter mit ein bisschen Blattbruch

Blatt
Die Blätter wirken im Vergleich zu den letzten verkosteten Sencha etwas heller. Ich habe schon attraktivere gesehen, wie z.B. die Tees von Yamamoto Kengô aus dem Kultivar-Vergleich 1, 2 und 3. Aber es soll sich ja um Tees handeln, die möglichst natürlich angebaut wurden, beschattet wurden sie also wahrscheinlich nicht.

Geruch
Was für ein Duft! Ich rieche eine sehr deutliche und fruchtige Süße, die mich an Multivitaminsaft erinnert. In der warmen Kyûsu wird die Süße richtig schwer. Es werden Erinnerungen wach. Frau P. denkt an von der Sonne aufgewärmte Tatami-Matten. Ich hingegen muss an japanische Süßigkeiten denken, die mit Sojabohnenmehl (kinako) bestäubt sind.

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Geschmack
Nach nur 60 Sekunden gieße ich ab und der fruchtige Duft des warmen Grüns steigt auf. Ich bin gespannt auf den ersten Schluck. Wow! Was für eine fruchtige Süße! Die Intensität ist stark und langanhaltend, setzt sich außerdem noch aus Frucht und Umami zusammen. Tolle Balance finde ich, gerade noch so genießbar, findet Frau P., sie scheint sich aber an Umami langsam zu gewöhnen. Die Süße hallt noch lange nach und nimmt die Gestalt von Maracuja an. Der Duft der nassen Blätter lässt uns an Zeltlagerabende in der Natur denken, damit meinen wir vor allem den Duft der Natur, der sich bei der Dämmerung bildet.

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Der zweite Aufguss ist herzhafter, etwas kerniger, die Süße geht jetzt eher in die Richtung kandierter Früchte und der Umami-Geschmack tritt etwas zurück, ist aber noch da. Für mich lebt der Maracuja-Duft wieder auf.

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Was für eine Leuchtkraft der trübe Aufguss haben kann

Kernig und fruchtig geht es weiter, die Herbe nimmt jetzt etwas zu, hallt länger nach, aber das ist gut so, das mag ich, es ist in einer angenehmen Konzentration.

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Durch Gebrauch werden die kleinen Risse in der Glasur immer deutlicher – ein natürlicher Reifungsprozess
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Der vierte Aufguss wird milder, was keine Überraschung ist. So ist der Tee sehr angenehm und lieblich ohne Ecken und Kanten. Überraschend ist aber das Mundgefühl, welches ich mit milchig oder cremig beschreiben würde. Danach machen wir noch zwei Aufgüsse, die zwar vom Geschmack her abnehmen, aber immer noch genießbar und schön süffig sind.

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In der Mitte ist sogar ein recht gut erhaltenes Blatt zu sehen

Fazit
Ein wirklich schöner Sencha, der nicht nur die harte Dosierung ab kann, sondern dadurch auch wirklich gut zur Geltung kommt. Die fruchtige Süße in dieser Intensität ist mir neu und gefällt mir ausgesprochen gut. Den sollte ich mir als möglichen Kandidaten merken, für den Fall, dass ich bei Akira wieder bestelle. Wer den Tee jetzt haben will, kriegt ihn hier.